13. Februar in Dresden – Lichdi: Hier geht es nicht um zivilen Ungehorsam, sondern um die Ausübung der Versammlungsfreiheit
Redebeitrag des Abgeordneten Johannes Lichdi zur Aktuellen Debatte "Dem Missbrauch des Gedenkens an den 13. Februar durch Neonazis auch 2011 in Dresden engagiert und friedlich entgegentreten" in der 30. Sitzung des Sächsischen Landtages, 09.02., TOP 3
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ausgangspunkt unserer Debatte ist der Missbrauch des 13. Februar durch die Nazis, die hier im Saal sitzen. Die Dresdnerinnen und Dresdner haben ein Recht, in Ruhe ihrer Angehörigen und der Zerstörung ihrer Stadt zu gedenken. Es sind die Nazis, die dieses Gedenken missbrauchen, weil sie so tun, als ob die Deutschen keine Verantwortung für die Zerstörung Dresdens trügen, als ob es nicht das Versagen einer ganzen Gesellschaft gewesen sei, die letztlich zur Zerstörung Dresdens geführt hat. Die Verantwortlichen für diesen Missbrauch sitzen hier im Saal. Die sogenannte Junge Landsmannschaft Ostdeutschland ist mittlerweile nichts anderes als eine Tarnorganisation der NPD. Dieser Aufmarsch wird unmittelbar von der NPD und ihren Organisationen vorbereitet.
Sie, die NPD, die Nazis tun so, als ob sie die Einzigen wären, die der Opfer in Dresden gedenken würden. Auf Grundlage dieser Falschbehauptung wollen sie ihre ‚revisionistischen‘ Lügen verbreiten. Ich bin sehr froh, dass in diesem Hause in diesem Punkt Einigkeit besteht.
Wir haben aber durchaus noch einen anderen Ausgangspunkt als viele andere hier in Dresden. Wir sind der festen Überzeugung, man kann am 13. Februar nicht still gedenken, wenn zugleich die Nachfahren der Verbrecher, die in Europa einen Vernichtungskrieg gegen die osteuropäischen Völker und den Völkermord gegen die europäischen Juden vom Zaun gebrochen haben, hier ihre ‚geschichtsrevisionistischen‘ Lügen organisieren und vortragen. Dem müssen wir uns entgegenstellen! Wir können nicht still mit der Kerze in der Hand, Herr Kollege Biesok, an der Frauenkirche stehen, wenn woanders die Nazis durch die Straßen laufen.
Daher, meine Damen und Herren, müssen wir gegen die Nazis demonstrieren.
Hier verfolgt die Staatsregierung immer noch einen Kurs, der nach meiner Überzeugung nicht verfassungskonform ist und darauf hinausläuft, ganze Stadtteile für die Nazis freizuräumen. Sie verfolgen eine Strategie, Herr Staatsminister Ulbig, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, auf Protest in Sicht- und Hörweite de facto abschafft. lm Übrigen, meine Damen und Herren, zwingt das viel zitierte Urteil des Verwaltungsgerichtes Dresden die Polizei keineswegs, zu räumen. Das ist eine Fehlinterpretation, nachdem uns seit gestern endlich die Begründung des Urteils vorliegt.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Herr Polizeipräsident Hanisch hat es offenbar versäumt, dem Gericht genau darzulegen, wieso eine Räumung der Blockade am Albertplatz und anderswo unverhältnismäßig gewesen wäre. Er hat es unterlassen, dies darzustellen, und damit den Eindruck entstehen lassen, als ob er hätte räumen müssen. Ich frage mich: Ist das Unfähigkeit oder ist das Absicht? Als Jurist kann man zwischen den Zeilen die Ohrfeige an Polizeipräsident Hanisch deutlich erkennen.
Meine Damen und Herren, die fatale Gleichsetzung der Polizei nach dem Motto «Blockade gleich rechtswidrig gleich strafbar gleich Räumungszwang» ist widerlegt. Ich fordere die Polizei und ich fordere Sie, Herr Innenminister, auf, dies vor aller Öffentlichkeit klarzustellen.
Das Verwaltungsgericht Dresden würde sich, hätte es so entschieden, wie Sie annehmen, in Widerspruch zu der überwiegenden, einhelligen und ich sage auch ausgepaukten Rechtsprechung setzen. Es ist eben so, dass eine Blockade, auch wenn es Ihnen nicht gefällt, unter dem Schutz des Artikels 8 des Grundgesetzes steht.
— Es steht darunter! Die Polizei hat dann in Abwägung mit dem Demonstrationsgrundrecht der Nazis abzuwägen, ob diese Blockade zu räumen, aufzulösen ist. Wenn sie aufzulösen ist, hat die Polizei weiter zu prüfen, ob eine Räumung verhältnismäßig wäre. Das ist ein vierfacher Abwägungsvorgang, den man nicht mit einem Stich nur gleichziehen kann, wie Sie das tun, offensichtlich um das Gegendemonstrationsrecht leerlaufen zu lassen.
Meine Damen und Herren, wir als GRÜNE in Dresden haben die Menschenkette der Oberbürgermeisterin immer unterstützt. Aber ich habe große Sorge, dass das frühe, das vorzeitige Ende der Menschenkette schon um 14 Uhr mit dem drohenden Naziaufmarsch, der um 15 Uhr am Hauptbahnhof beginnen soll, in der Öffentlichkeit in Deutschland, in der Welt den Eindruck entstehen lässt, als ob die Menschenkette den Weg für die Nazis räumen würde.
Ich fordere uns alle auf, dass wir diesen fatalen Eindruck vermeiden. Deswegen werbe ich dafür, dass die Menschenkette wenigstens auf einen Zeitraum verlängert wird, wo die Nazis in der Stadt laufen, um tatsächlich diesem Symbol, das wir alle wollen, zum Durchbruch zu verhelfen.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir in großer Geschlossenheit und Einigkeit, soweit es möglich ist, den Nazis am 1 3. und am 19. Februar entgegentreten — in der Menschenkette, in den Gegendemonstrationen in Sicht- und Hörweite und auch in den Blockaden.
Vielen Dank.