Änderungen Justizwesen – Lippmann: Doppelte Herausforderung für staatliche Instutionen
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung "Gesetz zur Anpassung von Vorschriften mit Bezug zur Justiz" (Drucksache 7/4269)
22. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 03.02.2020, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
hinter dem sperrigen Titel des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften mit Bezug zur Justiz verdichtet sich, in Normen gefasst, eine doppelte Herausforderung für staatliche Institutionen.
Die eine Herausforderung besteht darin, wie die Justiz damit umgehen soll, wenn Personen in den Vorbereitungsdienst für die zweite juristische Staatsprüfung gelangen, die bekannte Verfassungsfeinde sind und dies auch offen zum Ausdruck bringen.
Die andere Herausforderung besteht, für uns als Gesetzgeber, darin, diesen Umgang möglichst klar zu regeln, ohne dabei verfassungsrechtlich gesehen das Kinde mit dem Bade auszuschütten und am Ende mehr Probleme zu schaffen als wir lösen. Das ist zugegeben kein einfaches Unterfangen.
„Warum darf ein Referendar Volljurist werden, der wegen Landfriedensbruch bei Neonazi-Krawallen verurteilt wurde“ – der Fall eines rechtsextremen Rechtsreferendars sorgte bundesweit für Kritik: Ich will jetzt gar nicht auf die Entscheidung des OLGs eingehen oder diese bewerten. Tatsache ist, dass das Urteil im Mai 2020 rechtskräftig wurde und besagter Referendar zu diesem Zeitpunkt einen Großteil seines Vorbereitungsdienstes abgeleistet hat. In dieser Zeit hatte er Akteneinsicht in sensible Akten, nahm vermutlich Sitzungsvertretungen vor und an Beratungen teil. Der Aufschrei über die Entscheidung und fehlende rechtliche Regelungen war zunächst groß.
Doch nun scheint es, dass der Aufschrei in dem Moment, wo das Problem einer rechtlichen Lösung für die Zukunft zugeführt wird, teilweise nicht minder groß ist. Das liegt zweifelsohne daran, dass wir hier in einem sehr sensiblen Bereich unterwegs sind. Wir sind bei der brisanten Frage, wie weit darf der Staat bei Eingriffen in die Berufsfreiheit ausgerechnet in jenen Bereichen gehen kann, in denen er ein Ausbildungsmonopol hat.
Dies bringt auch ein Schreiben zum Ausdruck, dass mehrere Initiativen leider erst vor zwei Tagen an die Staatsministerin der Justiz gerichtet haben, obwohl der Gesetzentwurf schon längst im parlamentarischen Verfahren war.
Ich möchte drei wesentlichen Bedenken an dieser Stelle begegnen, denn auch wir haben uns aufgrund der Sensibilität intensiv mit der Neuregelung des § 8 beschäftigt.
Die Regelung würde Tür und Tor für eine Gesinnungsprüfung bei der Berufszulassung für Juristinnen und Juristen öffnen. Dem muss ich entgegenhalten, dass zunächst auch andere Bundesländer die entsprechende Formulierung in ihren Gesetzen haben und diese Befürchtung dort nicht eigetreten ist. Und dem muss ich entgegenhalten, dass insbesondere die Einschränkung, dass die fdGO eben in strafbarer Weise bekämpft werden muss, um aus dem Vorbereitungsdienst entfernt zu werden, die Regelung rechtstaatlich einhegt.
Denn diese Regelung ist natürlich im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes anzuwenden. Wer sich die einschlägigen Entscheidungen zur fdGO in den Parteiverbotsverfahren oder aber auch die Judikatur zur Artikel 5 und 8 anschaut, der wir feststellen, dass die Bekämpfung der fdGO eine hinreichende Verwirklichungsabsicht beinhalten muss. Wenn dies entsprechend der vorgenommenen Einhegung auch noch in „strafbarer Weise“ erfolgen muss, reden wir hier eben nicht – wie behauptet – über eine unüberschaubare Zahl von Fallkonstellationen, sondern nur über jene, in denen sich in der strafbaren Handlung die hinreichende Verwirklichungsabsicht niederschlägt.
Schaut man in die Entstehungsgeschichte des wortgleichen § 7 Nr. 6 BRAO an, wird deutlich, dass auch hier der Einschub „in strafbarer Weise“ explizit vorgenommen wurde, um deutlich zu machen, dass es für die Versagung der Zulassung nicht genügt, wenn die fdGO in strafloser Weise bekämpft wird. Diese Formulierung wurde im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht 1983 bestätigt (siehe BVerfG 1 BvR 1078/780, B. v. 08.03.1983, Rn 58).
Die getroffene Regelung zeigt zudem die hohe Schwelle an, von welcher an eine politische Betätigung des Bewerbers oder der Bewerberin überhaupt zur Versagung des Vorbereitungsdienstes führen kann. Eine politische Betätigung unterhalb der Schwelle von Nr 3 darf eben nicht allein dazu führen, dass die Zulassung versagt wird.
Kurzum die getroffene Regelung hegt den Handlungsspielraum des OLG ein und weitet ihn nicht unermesslich aus.
Als Kritik kommt, die Regelung sei zu unbestimmt. Das vermögen wir nicht zu teilen. Die fdGO ist, anders als heute auch wieder von der AfD behauptet, kein unbestimmtes Kampfinstrument des Staates gegen Gegner, sondern ein konkret ausbuchstabierter Wesenskern unseres freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates. Gerade die Rechtsprechung des BVerfG zur fdGO, jüngst in der Entscheidung zum zweiten NPD-Verbots-Versuch, hob hier drei Elemente hervor, die „zur Gewährleistung eines freiheitlichen und demokratischen Zusammenlebens unverzichtbar sind“: die Menschenwürde, die Demokratie und der Rechtsstaat. Das Prinzip der Menschenwürde aus Art 1 GG steht dabei immer im Vordergrund.
Die fdGo selbst ist also nicht zu unbestimmt und auch nicht die Anknüpfung an selbige im Normengefüge. Der Begriff der fdGO findet sich in unserem Grundgesetz aber auch im einfachen Gesetzesnormen, wie § 33 Beamtenstatusgesetz, wieder. Bei Letzteren hätte ich übrigens weit mehr Sorgen, was das Bestimmtheitsgebot angeht, als bei der diskutierten Regelung des JAG. Gerade die fdGO erfährt ihre Bestimmtheit aus der Rechtsprechung des BVerfG, welches deren Inhalt statuierte. Man kann also die Norm gar nicht ohne den Kontext der Rechtsprechung anwenden.
Als dritte Kritik kommt, dass es die Regelung eigentlich nicht bräuchte. Der § 34 JAPO hätte mit entsprechender Ermessensausübung zum Ausschluss des rechtsextremen Rechtsreferendars führen können. Dem muss ich entgegenhalten: Hat er aber nicht. Und wenn man die Auffassung vertritt, dass hier das Justizministerium dem OLG auch nicht anweisen kann, wie es zu handeln hat – kurzer Exkurs: dann wären wir nämlich auch eine problematische Konstellation des Eingriffs in Artikel 12, wenn das Justizministerium ohne entsprechende Rechtgrundlage in die Berufsfreiheit und die Entscheidung des OLG als Ausbildungsbehörde eingreift -, dann braucht es einer klaren gesetzlichen Regelung, der wir hiermit nachkommen.
Wir beschließen hier heute definitiv nicht den Radikalenerlass 2.0 sondern eine rechtstaatlich eingehegte Regelung, die es unter bestimmten Voraussetzungen zukünftig erschweren wird, dass erwiesen Verfassungsfeinde im juristischen Vorbereitungsdienst tätig sein können.
Dafür bitte ich um Zustimmung.