AfD-Angst vor Staatsbürgerkunde 2.0? Schüler: Je früher man Verständnis für Toleranz und Meinungspluralismus findet, desto eher vertraut man seiner eigenen Position und hinterfragt, statt hinterherzulaufen.

Rede der Abgeordneten Petra Zais zum Antrag der Fraktion AfD: "Keine Staatsbürgerkunde 2.0" (Drs. 6/13054)
74. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. Juni, TOP 14
– Es gilt das gesprochene Wort –  

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in der Begründung zu ihrem Antrag spricht die AfD davon, dass es in den Schulen keine ergebnisoffenen Diskussionen mehr gibt und SchülerInnen sich keine eigene Meinung bilden können. Als Bildungspolitikerin erlebe ich das grundsätzlich anders.
Ich habe einen 16jährigen Gymnasiasten aus Westsachsen – Jakob – gebeten, den AfD-Antrag zu analysieren, sich eine Meinung zu bilden und mir eine Beschlussempfehlung zu geben.
Zu Punkt 1 des Antrages – den Gemeinschaftskunde-Unterricht nicht schon in der 7. Klasse anzubieten – schreibt er:
"Politische Bildung in der Schule konzentriert sich stark auf den GRW Unterricht und dass auch nur in der 9. Klasse. Das ist mehr als nur ein Mangel an politischer Bildung, das ist ein Leck was nicht gestopft wird. Je früher man Verständnis für diese Toleranz und diesen Meinungspluralismus findet, desto eher vertraut man seiner eigenen Position und hinterfragt, anstatt hinterherzulaufen."
Zu Punkt 2 des Antrages – den Sachkundeunterricht in der Grundschule in Heimatkunde umzubenennen – sagt Jakob:
"Laut der AfD versperrt der Begriff Sachkunde den Schüler ‚den emotionalen Zugang zu dem damit eigentlich verbundenen Themenkomplex der eigenen Identität.‘ ‚Heimatkunde‘ entspräche eher dem Wesen des Unterrichts.
Heimat, dieser Begriff wird immer etwas Beschränktes haben. Beschränkt auf die eigene Stadt, beschränkt auf Sachsen, beschränkt auf eine bekannte Umgebung.
Natürlich spielt Heimat eine Rolle, aber der Begriffsvorschlag kann einfach nicht die Vielfalt der angesprochenen Themen abdecken. Er ist wie die Heimat, beschränkt.
Der Lehrplan sieht in vier Jahren 280 Stunden Sachunterricht vor. Wie lächerlich die Namensänderung ist, merkt man, wenn man sich mal andere Themenkomplexe genauer ansieht: "Zusammenhang zwischen Körperhygiene und Gesundheit"; "Lebensweise von Vögeln im Jahreslauf"; "Begegnung mit kulturellen Verschiedenheiten".
Diese und viele weitere Punkte bieten, was ein ausschließlich heimatorientierter Unterricht ihnen verwehrt. Natürlich sollte man wissen, was Sachsen ist und wie der Freistaat funktioniert, aber keine Sorge, bereits in Klasse 5 stellt Geographie wieder den "Heimatbezug" her und in der 10. Klasse spricht man mehr als die Hälfte des Jahres über nichts anderes.
Jakob lehnt den AfD-Antrag ab und meine Fraktion schließt sich dieser Auffassung an.  » Alle Infos zum 74./75. Plenum » Alle GRÜNEN Reden