AfD-Antrag Enquete-Kommission – Schubert: Der vorliegende Antrag der AfD ist ein alter Hut
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD:
‚Einsetzung der Enquete-Kommission ‚Den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen lebenswerter gestalten‘‘
3. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Freitag, 15. November, TOP 1 (Drs 7/396)
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der vorliegende Antrag der AfD ist ein alter Hut, um nicht zu sagen, er hat einen langen Bart.
2017 wurde er schon mal genauso eingebracht. Die AfD vermochte es nicht, ihn seither zu überarbeiten. Bequemlichkeit mag ich das im günstigsten Falle nennen; ein durchschaubares Spiel ist es allemal.
Ich spreche dem Antrag seine Ernsthaftigkeit ab; von Substanz ganz zu schweigen. Die ganze Veranstaltung heute dient dazu, mal wieder Stimmung zu machen.
Es geht nicht um Inhalte; es geht um die Show, es geht um SharePics, es geht um Empörungsreichweiten.
Eine Sondersitzung für einen zwei Jahre alten Antrag. Der Hinweis auf Sparsamkeit gehört, wenn es politisch passt, zum verbalen Instrumentenkoffer der AfD-Fraktion.
Eine Sondersitzung kostet die sächsischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine fünfstellige Summe. Sparsamkeit sieht anders aus.
Eine Enquetekommission ist eine anspruchsvolle und zeitintensive Aufgabe. Zwischen Tür und Angel einfach so eine gründen zu wollen, wird dem Gedanken und Sinn einer solchen Kommission nicht gerecht.
Ich erinnere daran, dass die Enquete-Kommissionen der vergangenen beiden Wahlperioden ein Jahr bzw. mehr als ein Jahr nach Zusammentritt des Landtags eingesetzt wurden.
Des Weiteren warten die Antragssteller die Ergebnisse eines möglichen Koalitionsvertrages noch nicht mal ab. Sie ahnen vermutlich, dass der ländliche Raum dort eine zentrale Rolle spielen könnte.
Dementsprechend wird der veraltete Antrag ganz bewusst jetzt gespielt; bevor ein Ergebnis vorliegt. Ich höre es schon jetzt – es tönt in meinen Ohren – was dann wieder kommen wird: >>es wurden Positionen der AfD übernommen<<, >> man habe sich dem Druck der AfD gebeugt<<, >>Altparteien greifen AfD-ideen auf<< und wie Ihre Sätze sonst noch so lauten.
Doch Humbug wird nicht wahrer, wenn man ihn wiederholt.
Das öffentlich zugängliche Sondierungsergebnis von CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD beinhaltet etliche Aussagen zum ländlichen Raum[1]. Nur um das mal ganz deutlich zu sagen: jede Fraktion dieses Hauses und jede dahinterstehende Partei befasst sich mit dem ländlichen Raum.
Die Aufgaben, die im Land anstehen, sehen wir als Bündnisgrüne sehr klar und haben diese auch immer wieder benannt. Lassen Sie sich eins gern gesagt sein von einer Bündnisgrünen aus Ostsachsen:
WIR sind im Grünen zuhause.
Und daher befassen wir uns auch mit mehr Ernsthaftigkeit und Substanz damit als das, was Sie hier aufrufen mit Ihrem deutlich verengten Blick.
[…]
Besonders enttäuschend – obwohl, ich bin´s ja nicht anders gewöhnt von AfD-Anträgen, ist, dass ein ganz zentrales Thema ländlicher Räume nicht vorkommt – der Strukturwandel. Sie haben den Strukturwandel zwar in Ihrer Rede angesprochen, im AfD-Antrag selbst taucht das ganze Thema gar nicht erst auf. Scheint für die AfD ein Randthema zu sein; ist natürlich auch eine Aussage. Es fehlen zudem zentrale Fragestellungen der Regionalentwicklung: Dazu gehört Jugend, Frauen und Bildung. Doch zu diesen Themen verlieren sie nicht einen Satz.
Sie wollen: >>eine Enquete-Kommission, die sich damit auseinandersetzt, wie der ländliche Raum im Freistaat Sachsen lebenswerter gestaltet werden kann<<.
Wir wollen Ermöglichungskultur schaffen, Rahmenbedingungen setzen, dass die Menschen das vor Ort selbst gestalten können. Doch >>lebenswert<< ist kein universelles Konzept, sondern ein individuelles Gefühl. Und das entwickelt sich, wenn Menschen mitmachen können und erleben, dass ihre Ideen willkommen sind. Wenn das Miteinander gut ist und Zusammenhalt herrscht. Wenn Toleranz und Respekt da sind. Wenn man sich hilft und sich gegenseitig in seiner Verschiedenheit akzeptiert.
Sie wollen auch Empfehlungen zu bestimmten Handlungsbereichen erarbeiten lassen. Ihre willkürliche Prioritätensetzung zeugt von einem sehr verengten Zugang und begründet das Instrument einer Enquete-Kommission nicht überzeugend.
Des Weiteren soll die Enquete-Kommission als Grundlage eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in Sachsens ländlichem Raum vornehmen. Dabei liegt unglaublich viel vor an Daten und Konzepten; auch hier zeigt sich wieder mal, dass Sie sich nicht gerne in gründlicher Recherchearbeit ergehen. Diese Frage stelle ich mir des Öfteren: Was genau fehlt Ihnen eigentlich?
Es wird mehr als deutlich: da ist wenig Substanz da. Ganz wenig!
Eine Sondersitzung als durchschaubares und teures Manöver zur Einsetzung einer Kommission löst keine der zahlreichen Aufgaben in diesem Land. Keine!
In den laufenden Koalitionsverhandlungen suchen wir nach Lösungen – und das unterscheidet uns von Ihnen. Sie reden, wir handeln!
Wir sehen, dass es viel zu tun gibt: allerdings im gesamten Land. Und wir wollen diese spaltenden Debatten zwischen Stadt und Land überwinden – weil sie nicht zielführend sind. Wir sitzen alle in einem Boot in diesem Land und es gibt zahlreiche Verflechtungen zwischen den Räumen. Diese Beziehungen zu sehen und damit umzugehen, ist unserer Meinung nach zielführender als das Trennende hervorzuheben.
Im Übrigen und zum Schluss – und da spreche ich auch als Wirtschaftsgeografin – gibt es „DEN“ ländlichen Raum nicht. Hören Sie mit dieser Gleichmacherei auf. Denn das wird den vielfältigen Räumen und ihren Zentren, den Menschen und Lebensweisen und kulturellen Besonderheiten unserer sächsischen Heimat nicht gerecht.
Unsere Fraktion wird den vorliegenden Antrag aus den genannten Gründen ablehnen.
Vielen Dank!
Hintergrund:
[1] Das Sondierungsergebnis von CDU, BÜNDNISGRÜNEN und SPD beinhaltet etliche Aussagen zum ländlichen Raum (Auswahl):
0. Präambel: Wir garantieren eine gute Daseinsvorsorge im ländlichen Raum und in den Städten.
1. Themenbereich 1: Verkehr und Infrastruktur
2. Themenbereich 3: Die Lebens- und Wohnqualität stärken wir in allen Regionen, ob Städte oder ländliche Räume.
3. Themenbereich 5: Wir entwickeln das Kulturraumgesetz weiter, stärken die Erneuerungsfähigkeit der Kulturräume und diskutieren die Erhöhung der Mittel unter Beachtung der Gesetzessystematik.
4. Themenbereich 6: Durch Demografie, Strukturwandel, Migration und Digitalisierung steht Sachsen vor Herausforderungen wie Fachkräftegewinnung und eine sich wandelnde Arbeitswelt. Gemeinsam wollen wir diese Entwicklung gestalten, dabei steht für uns der gesellschaftliche Zusammenhalt im Mittelpunkt. Die besonderen Anforderungen im ländlichen Raum wie in den Städten werden wir dabei in den Fokus nehmen.
5. Themenbereich 6: Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum und in den Städten wollen wir sicherstellen.
6. Themenbereich 8: Wir begegnen dem Klimawandel, setzen auf kooperativen Naturschutz und befördern Wertschöpfung im ländlichen Raum.
7. Themenbereich 9: Unser Anspruch ist, dass ländliche und städtische Räume ihre Aufgaben zukunftsfest, gemeinwohlorientiert und sozial gerecht erfüllen können sowie über finanzielle Möglichkeiten verfügen.