Agrarförderung – Günther: Wir als Politik müssen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen und die politischen Zielrichtungen klar sind
ede des Abgeordneten Wolfram Günther in der Ersten Aktuellen Debatte zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema:
"Gute Ideen aus Sachsen – Agrarförderung nach 2020 beibehalten – notwendige Reformen im Interesse der Landwirte und Verbraucher umsetzen"
67. Sitzung des Sächsischen Landtags, 1. Februar, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Ich möchte der AfD gleich einmal widersprechen: Bei der EU-Förderung im Agrarbereich geht es durchaus um ein sehr wichtiges Thema. Das wird allein schon an den Zahlen klar: 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltes – wir haben es schon von der Kollegin von den LINKEN gehört – also über die gesamte Förderperiode 400 Milliarden Euro, gehen in den Agrarbereich. Für die sächsischen Landwirte waren das allein im Jahr 2017 247 Millionen Euro. Das ist also ein erheblicher Hebel. Genau deswegen ist es auch wichtig, dass wir darüber unterhalten, was damit erreicht wird.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich bewusst sind, dass wir als Sachsen ein Nettoempfängerland sind und dass wir gerade so eine Quote von circa 40 Prozent eigenen Geldes haben, das wir in diesem Land ausgeben. Wir müssen also sehr dankbar sein, dass wir Geld hierher bekommen. Sonst würde es uns allen hier und auch Ihnen ganz anders gehen.
Ich bin zunächst einmal ganz dankbar für dieses bereits angesprochene Zehn-Thesen-Papier der ostdeutschen Agrarminister, in dem deutlich zum Ausdruck gebracht ist, dass für so viel öffentliches Geld natürlich auch öffentliche Leistung kommen soll. Genau darüber müssen wir diskutieren.
Dann ist man zunächst natürlich bei den Betroffenen, die es bekommen. Hinsichtlich der Vereinfachung der Förderung ist es ebenso wie bei allen Fördererprogrammen.
Auch da bin ich erst einmal dankbar für dieses ELER-Reset-Programm. Das ist durchaus ein sinnvoller Beitrag. Es kann und muss nur einfacher für die Landwirte werden.
Bei folgendem Punkt sind wir vielleicht nicht ganz so beieinander: Sie fragen, was denn damit passiert. Die Agrarförderung funktioniert ja über zwei Säulen. Es gibt erstens die Direktzahlungen, die Hektarprämie, und zudem die zweite Säule, mit der regionale Kreisläufe gefördert werden, also die Entwicklung des ländlichen Raums, aber auch mehrjährige Blühflächen und Beiträge zur Verbesserung der biologischen Vielfalt, also all die Dinge, die für die Natur wichtig sind und worin genau die öffentliche Leistung steckt, die die Landwirtschaft erbringen soll.
Wir sind nachdrücklich dafür, dass wir die Mittel dorthin deutlich umschichten. Bisher sind es 4,5 Prozent der Förderung, die in der zweiten Säule enthalten sind. Möglich sind 15 Prozent. Genau in diese Richtung sollte es auch gehen; denn wir müssen uns erinnern: Dieser hohe Betrag, der da ausgegeben wird, ist auch in der öffentlichen Diskussion. Wir diskutieren auf EU-Ebene gerade, auch im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens: Können wir überhaupt weiterhin so viel Geld dort hineingeben? Ist es weiter angemessen, 40 Prozent des EU-Haushalts in den Landwirtschaftsbereich zu geben? Da muss man sich rechtfertigen. Die zweite Säule ist eine hervorragende Rechtfertigung dafür, dass das Geld gut angelegt ist.
Genauso ist es bei der ersten Säule: Wir haben auch schon über Strukturfragen gesprochen. Es gibt bisher schon eine gewisse Förderung von kleineren Betrieben. Die ersten 30 bis 46 Hektar bekommen nämlich eine höhere Förderung. Auch diese Umschichtung muss deutlich höher werden, wenn wir genau den kleinen Landwirtschaftsbetrieben das Geld geben wollen; denn man muss feststellen, dass 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Zahlungen bekommen. Das ist nicht unbedingt eine gute strukturelle Steuerung.
Da habe ich auch aus Ihrer Pressemitteilung vom 17. Januar entnommen, Herr Staatsminister, dass Sie diesem Vorschlag gar nicht ganz abgeneigt sind, sondern eben nur dafür sind, dass man es regional betrachtet; denn es ist klar: Wir haben gerade in Sachsen große Strukturen. Wenn man es EU-weit machte, bedeutete das, dass netto weniger Geld zu uns kommt. Man muss das also vorsichtig anfassen, aber trotzdem dieses Thema aufnehmen.
Auch Folgendes ist wichtig: Die erste Säule ist ja mit Greening-Maßnahmen verbunden. Damit sind im Prinzip alle unzufrieden, die Landwirte genauso wie die Naturschützer, die sagen, dass funktioniere nicht richtig. Da muss man noch einmal nachdrücklich herangehen und dies deutlich verbessern, damit es zielgenau ist und einfach effektiver wird.
Ein weiterer Punkt: Wir haben uns in den letzten Jahren hier häufig über Marktpreiskrisen und Milchpreiskrisen unterhalten. Auch da ist Abhilfe möglich; denn es gibt eine Krisenreserve, möglich über die erste Säule. Sie müssen wir auch anpacken, um etwa für Milchmengenreduktionen strukturell voranzukommen.
Wir haben gestern hier über die Afrikanische Schweinepest gesprochen. Wir können Probleme auch in der Schweinehaltung bekommen. Vielleicht kommen wir auch dort zu einer Reduktion und zu gesünderen Strukturen in jeglicher Hinsicht für die Tiere und für die Umwelt im ländlichen Raum. Dafür könnten wir Geld einsetzen. Das müssen wir dringend machen.
In dieser Hinsicht sind wir GRÜNEN sehr dafür, dass GAP weiter funktioniert und dort auch viele Zahlungen enthalten sind. Denn wenn wir wollen, dass Landwirte auch ihre Betriebe dauerhaft auf mehr Ökologie, Umweltbewusstsein und Tiergerechtigkeit umstellen, kostet das einfach Geld.
Kollege Heinz hat es bereits dargelegt. Das hat eine ganze Historie
Die Förderung haben wir, weil wir die Ernährungssicherheit sicherstellen wollten, seit den 50er-
Jahren. Das war auch sehr sinnvoll. Nut haben wir gemerkt, und die Verbraucher sind da weiter, dass nur satt und viel nicht alles ist, sondern die Qualität eben auch eine Rolle spielt. Da sind heute die Anforderungen einfach höher. Wir haben gemerkt, dass mit den Tendenzen einer Industrialisierung der Landwirtschaft eben auch neue Probleme entstehen, an die man in den 50er-Jahren noch gar nicht denken konnte. Genau die müssen wir jetzt angehen. Wenn so viel Geld dort
hineinfließt, dann muss das auch für die Lösung der Probleme, die wir im Landwirtschaftsbereich haben, verwendet werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Da sich meine Vorredner bereits ein wenig von GAP hin zur allgemeinen Landwirtschaft entfernt haben und auf einige Probleme zu sprechen kamen, möchte ich ebenfalls gern daran anknüpfen, da es miteinander zu tun hat. Welche sind denn unsere Herausforderungen?
Zunächst natürlich strukturelle Fragen. Wir wollen erreichen, dass möglichst viel erwirtschaftet wird. Das erwirtschaftete Geld soll in der ländlichen Region bleiben, und möglichst viel vom Verkaufspreis für landwirtschaftliche Produkte soll beim Landwirt herauskommen. Dazu soll GAP einen Beitrag leisten. Wir haben jedoch jetzt Tendenzen, dass es in die andere Richtung geht: dass sich Boden- und Landwirtschaftsflächen zur ganz normalen Anlage für Kapitalanleger entwickeln und das Geld wegfließt. Außerdem haben wir in Sachsen immer noch eine erschreckend geringe Wertschöpfung pro Hektar und pro Beschäftigtem im Vergleich zu anderen Bundesländern. Das heißt, es fehlen noch Wertschöpfungsketten, die daran hängen.
Dort müssen wir dringend herangehen.
Ein weiteres Problem sind die Umweltauswirkungen. Die Landwirtschaft ist durchaus ein großer Hebel. Knapp zwei Drittel der Landesfläche von Sachsen werden landwirtschaftlich bearbeitet, und wenn wir große Probleme haben, etwa im Umweltschutz mit Insektensterben, dann liegt genau hier ein wesentlicher Ansatz.
Die höhere Wertschöpfung liegt daran, dass wir in Sachsen vor allem große Strukturen haben, die oft einfach nur Ausgangsprodukte produzieren, herstellen, anbauen, sie aber nicht in nennenswertem Umfang weiterverarbeiten. Dies beginnt bei fehlenden Schlachtbetrieben in Sachsen und setzt sich fort mit der Weiterverarbeitung von Molkereiprodukten und anderen Dingen. Es hat aber auch damit zu tun, was wir anbauen: ob es Gemüse ist oder andere Produkte, wovon wesentlich mehr produziert wird, was am Ende hier ankommt. Es hat also etwas mit den Strukturen zu tun. Dabei geht es nicht nur um Viehhaltung.
Gleichwohl – auch das weiß man – ist die Wertschöpfung bei kleineren Strukturen, etwa kleinen Familienbetrieben, oft seht hoch, da man dort mehrere Standbeine hat.
Dort konzentriert man sich auf landwirtschaftliche Produktion, auf Fremdenverkehr und sorgt selbst für Regionalprodukte, die man vermarktet. Dies alles sind Dinge, die es auch in Sachsen gibt, aber rein statistisch in anderen Bundesländern mehr.
Dorthin müssen wir kommen. Wenn wir das erreichen, bleibt auch mehr vom Geld vor Ort hängen. Das sollte eigentlich ein Ziel sein, das uns alle vereint.
Den anderen Aspekt hatte ich gerade angesprochen: die Umweltauswirkungen, das lnsektensterben.
Das ist eine Herausforderung für die gesamte Menschheit. Dort müssen wir ran, und die Landwirtschaft muss einen Beitrag dazu leisten. Aber die Strukturen sind so gewachsen, wie sie jetzt sind, auch durch den gesellschaftlichen Willen der Vergangenheit, und wenn die Gesellschaft jetzt etwas anderes will, muss sie investieren. Genau dafür kann man auch die Mittel vom GAP hervorragend verwenden.
Dasselbe gilt für die Frage der Tierhaltung und wie diese hier stattfindet. Was Verbraucher früher akzeptiert haben, akzeptieren sie heute aus sehr guten Gründen nicht mehr. Die Erfolgsmeldungen, die es dann immer gibt – etwa, wenn die Eier gekennzeichnet werden, und es funktioniert, oder wenn die Bürger gentechnikfreie Milch haben wollen – : Am Anfang geht es meist angeblich nicht, und auf einmal funktioniert es doch.
Es gibt noch ganz andere Bereiche, in die man investieren kann. Man muss die Landwirte unterstützen. Vor allem braucht Landwirtschaft, um vernünftig investieren zu können, langfristige Perspektiven und muss wissen, wohin es geht, damit sie sich mit ihren Investitionen daran ausrichten kann. Wir als Politik müssen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen und die politischen Zielrichtungen klar sind. Sie heißen: Strukturen, die so viel Geld wie möglich in die Region spülen, Strukturen, die so umweltgerecht wie möglich sind, und Strukturen, die so tiergerecht wie möglich sind.
Dabei wollen wir die Landwirtschaft unterstützen, und dazu muss GAP den
größtmöglichen Beitrag leisten.
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