Aktuelle Debatte Atomkraft – Löser: Es geht um unsere Heimat und die Sicherheit künftiger Generationen
Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte: „Ein Atomkraftwerk direkt vor unserer Haustür – Schutz von Menschen und Natur in Sachsen sicherstellen“
15. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Dienstag, 24.06.2025, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Damen und Herren,
nur wenige Kilometer von unserer sächsischen Landesgrenze entfernt plant unser Nachbarland Tschechien den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Tušimice. Dort sollen drei sogenannte Small Modular Reactors (SMRs) errichtet werden, direkt an der Grenze zu unserer Heimat.
Diese SMRs werden gerne als neue Wundertechnologie verkauft. Doch schauen wir mal auf die nüchterne Realität: Bisher gibt es weder in Europa noch in den USA funktionierende, gebaute SMRs; geschweige denn welche, die aus Kostensicht konkurrenzfähig wären.
Das amerikanische NuScale-Projekt, das sechs solcher Reaktoren bauen wollte, hat über eine Milliarde Dollar an Subventionen erhalten – und wurde dennoch eingestellt. Warum? Weil die Stromgestehungskosten schlichtweg viel zu hoch waren. Tatsächlich liegen diese Kosten aktuell sogar über denen konventioneller Atomkraftwerke.
Und das ist nicht alles: Aufgrund fehlender praktischer Erfahrungen mit den neuen Reaktordesigns sind auch keine kürzeren Bauzeiten zu erwarten. Wer also behauptet, Atomkraft, egal ob „small“ oder „modular“, sei eine Lösung für die dringend notwendige Reduktion unserer Emissionen und ein wirksames Werkzeug im Kampf gegen die Klimakrise, der führt uns bewusst in die Irre.
Wir haben längst die Technologien, die wir für die Energiewende brauchen. Es gibt keinen Grund, auf SMRs zu setzen, die möglicherweise erst in 20 Jahren liefern – und dann nur zu hohen Kosten, mit geringer Flexibilität und der ungelösten Herausforderung radioaktiver Abfälle.
Diese neuen Reaktoren lösen keine Probleme unserer Energiezukunft – sie schaffen neue. Zu teuer, zu spät und mit erheblichen Risiken.
Doch nicht nur das: Der Betrieb der geplanten SMRs erfordert enorme Mengen an Kühlwasser. In Zeiten von zunehmender Trockenheit, wie wir sie in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist dies ein erhebliches Problem – und die Situation wird sich weiter verschärfen. Frankreich hat 2022 eindrücklich gezeigt, was passiert, wenn es an Kühlwasser mangelt: Atomkraftwerke mussten abgeschaltet werden.
Noch gravierender ist jedoch die Menge des entstehenden radioaktiven Mülls. Pro Kilowattstunde Stromerzeugung produzieren SMRs bis zu 30-mal mehr Atommüll als herkömmliche Großreaktoren. Und wie bei uns, so ist auch in Tschechien die Endlagerung dieses Abfalls ungelöst. Ein möglicher Endlagerstandort liegt zudem nahe der bayerischen Grenze – ein Standort, den selbst der sonst sehr atomkraftfreundliche Ministerpräsident Markus Söder mit Sorge betrachtet.
Wir dürfen nicht vergessen: Radioaktive Strahlung macht nicht an Landesgrenzen Halt. Ein Unfall in einem dieser Reaktoren würde auch das sächsische Erzgebirge betreffen.
Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, endlich klar und öffentlichkeitswirksam Stellung zu beziehen. Im Rahmen der laufenden Umweltverträglichkeitsprüfung muss eine deutliche und nachdrückliche Stellungnahme erfolgen, die die sächsischen Interessen berücksichtigt.
Wir haben bereits eine Kleine Anfrage gestellt, damit die Staatsregierung ihre Position zum Vorhaben transparent darlegt.
Wir wollen wissen:
- Plant die Staatsregierung eine Stellungnahme zum Projekt und wenn ja, mit welchem Inhalt?
- Welche Atomstrompläne (inkl. Lieferung von Atomstrom, Ausbau der Netzverknüpfung, Kooperation bei Errichtung oder Betrieb des Kraftwerks) verfolgt der Freistaat Sachsen in Zusammenarbeit mit seinem Nachbarland Tschechien?
- Beabsichtigt die Staatsregierung, sich am Ausbau der Kernenergie oder der Entwicklung vom SMR in Tschechien zu beteiligen und wenn ja, bringt sich der Freistaat mit sächsischen Steuergeldern finanziell in den Ausbau des tschechischen Atomprogramms ein?
- Hat Staatsregierung Erkenntnisse (u.a. Zeitplan, Standort, Kosten, Sicherheitsstandards) zur Errichtung eines Endmülllagers für hochradioaktiven Atommüll in der Tschechischen Republik und wenn ja, wie ist die Haltung der Staatsregierung zu diesen Planungen?
Meine Damen und Herren, es geht um unsere sächsische Heimat, um unsere Umwelt und um die Sicherheit künftiger Generationen. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie ein Projekt direkt an unserer Grenze vorangetrieben wird, dass mehr Probleme schafft, als es löst.
Lassen Sie uns gemeinsam für eine zukunftsfähige, sichere und nachhaltige Energiepolitik kämpfen – ohne Atomkraft an unserer Grenze!
Vielen Dank.