Aktuelle Debatte Gemeinschaftsschule – Melcher: Wir müssen die Rahmenbedingungen weiter verbessern und Schulen bei der Entwicklung begleiten
Redebeitrag der Abgeordneten Christin Melcher (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte auf Antrag der SPD-Fraktion zum Thema: „Schulfrieden gesichert, jetzt das Schulnetz stabilisieren: Eine Zwischenbilanz zum längeren gemeinsamen Lernen“
54. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 14.07.2022, TOP 1
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich sehr über diese Aktuelle Debatte. Es ist nicht leicht, sich im Alltag, zumal im politischen Alltag, über Erfolge zu freuen, überhaupt freuen zu können.
Gerade auch in der Bildungspolitik. Denn die großen und kleineren Baustellen in der Bildungspolitik bleiben – Stichwort Lehrkräftemangel – und nicht zuletzt hat auch die Corona-Pandemie einige größere Schatten auf Schule geworfen.
Hinzu kommt, dass in Bildungspolitik selten etwas als „erledigt“ abgehakt werden kann – weil es immer um ENTWICKLUNG geht. Eine Zwischenbilanz ist da eine gute Idee.
Wir haben mit der Änderung des Schulgesetzes 2020 den Weg für das längere gemeinsame Lernen eröffnet und die Gemeinschaftsschule ermöglicht.
Aus BÜNDNISGRÜNER Sicht war dies ein Meilenstein und, ja, ein Erfolg nach zähem Ringen.
Und ich bin sehr dankbar, dass sich zwei Jahre später, trotz der äußeren Umstände, Schulen auf dem Weg gemacht haben, Gemeinschaftsschule zu werden.
Wir haben als BÜNDNISGRÜNE Landtagsfraktion seit September vergangenen Jahres vier Veranstaltungen zum Thema Gemeinschaftsschule gemacht, in Leipzig, Bautzen, Dresden und zuletzt in Markranstädt.
Wir haben mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit Lehrkräften, Schulleitungen und Schulgründerinnen, mit Schülerinnen und Schülern, mit Stadt- und Kreisrätinnen und -räten gesprochen.
Meine Zwischenbilanz möchte ich anhand einiger Zitate aus den Veranstaltungen illustrieren.
Eine Bürgermeisterin sagte: „Wir verschließen uns der Gemeinschaftsschule nicht. Ziel ist es, gute Bildung vor Ort zu ermöglichen.“
Ein Bürgermeister machte klar: „Wir können das als Gemeinde nicht alleine stemmen, wir sind auf die Unterstützung des Landkreises angewiesen.“
Eine Schulgründerin räumte ein: „Das war für uns ein Krimi im letzten Jahr!“
Für mich wird hieraus deutlich: Die Entscheidung für das optionale Modell war richtig. Alle Beteiligten müssen das längere gemeinsame Lernen wollen.
Aber auch: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, die Unterstützung muss stimmen. Unabhängig von Trägerschaft und Standort müssen wir klar machen, was Gemeinschaftsschulen und Oberschulen+ ausmacht – und Schulen unterstützen, die sich auf den Weg machen wollen.
Eine Lehrerin sagte: „Das Konzept des längeren gemeinsamen Lernens muss für die Schulentwicklung genutzt werden. Es reicht nicht, nur irgendwas aufzuschreiben.“ Eine Schulgründerin schlussfolgerte: „Es steht und fällt mit den Menschen, die das umsetzen.“
Ein Lehrer wog ab: „Es ist das eine, theoretisch zu wissen, was passieren sollte, es ist was anderes, vor einer Klasse mit 28 Schülern zu stehen“
Das zeigt aus meiner Sicht: Schulentwicklung passiert vor Ort, im Unterricht, in der Praxis.
Wir als Politik können Dinge ermöglichen und den Rahmen schaffen, gelebt werden muss das Konzept vor Ort. Dafür müssen wir aber auch immer bereit sein, die Vorgaben in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung und die Vorgaben für die Schul- und Unterrichtsorganisation kritisch zu hinterfragen – und im Zweifel zu ändern.
Eine Bürgermeisterin konstatierte: „Jetzt wird Pionierarbeit geleistet. Alles, was jetzt passiert, wird Vorbildwirkung haben.“
Eine Schulgründerin sagte: „Wir wollen zeigen, dass es funktioniert.“
Ja, wir stehen erst am Anfang. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.
Ich habe in allen Veranstaltung die Referentinnen und Referenten gefragt, was sie sich mit Blick auf die Zukunft der Gemeinschaftsschule wünschen.
Das ist mein Wunschzettel:
Ich wünsche mir die Möglichkeit, auch kleinere, nicht vierzügige Gemeinschaftsschulen einzurichten.
Ich wünsche mir eine praxisorientierte Lehramtsausbildung, die vor allem den Lernprozess selbst zum Thema hat.
Ich wünsche mir, dass wir Schulen umfassend beraten und unterstützen, die sich auf den Weg machen wollen.
Ich wünsche mir, dass wir Entwicklung nicht nur zulassen, sondern gezielt fördern.
Wie eine Schulgründerin sagte: „Jedes Unternehmen hat eine Entwicklungsabteilung“ – gönnen wir uns eine solche auch für unser Bildungssystem, liebe Kolleginnen und Kollegen!