Datum: 22. Mai 2025

Aktuelle Debatte JVA Zwickau – Lippmann: Ein FDP-Prestigeprojekt gegen jede Expertise

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BSW: „Problembaustelle Staat – Wird die JVA Zwickau zum Millionengrab?“

14. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.05.2025, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

man kann es wohl nicht anders sagen: Die JVA Zwickau entwickelt sich zu einem Paradebeispiel dafür, wie man öffentliche Großprojekte nicht umsetzen sollte. Zu langsam, zu teuer und mittlerweile mit dem Odium des kompletten Planungsversagens behaftet.

Ja, es ist eine Problembaustelle. Und ja, es ist und es wird teuer. Der Startschuss fiel – wie so oft bei Prestigeprojekten – vor allem mit einem politischen Eitelkeitsdrang. Denn was wir heute am Rande von Zwickau sehen, ist in Wahrheit ein FDP-Gedächtnisprojekt. Ein Prestigeobjekt gegen jede Expertise, gegen jede abratende Stimme aus dem Justizvollzug, gegen jede realistische Einschätzung. Eine große Vision im damaligen Standorte-Roulette der Staatsregierung.

Dabei war die Kritik von Anfang an da: Justizvollzugsexpertinnen sagten klar: Anstalten über 400 Plätze sind schwer zu betreiben, bergen Risiken für Personal, für Resozialisierung, für Sicherheit. Fachverstand? Übergangen. Praktikerinnen? Ignoriert. Die Realität des Strafvollzugs? Egal. Hauptsache, der Spatenstich gibt ein schönes Pressefoto.

Und nun? Jetzt stecken wir mittendrin. Die Haftmauer und die Hafträume sind erbaut. Eine JVA, die groß gedacht wurde, auf einem Standort, der mit Altlasten belastet war. Für die Stadt ein Coup, für das Land ein fauler Deal.

Dass dieser Bau inzwischen aus dem Ruder läuft, liegt aber nicht nur an der politischen Hybris von damals, sondern auch an der weiteren Begleitung durch diverse Finanzminister dieses Landes, in deren Zuständigkeitsbereich diese Misere staatlichen Hochbaus politisch, wie administrativ fällt.

Es hat einen Generalplaner beauftragt, der das Verfahren sehenden Auges gegen die Wand gefahren hat und dabei zwischenzeitlich sogar die Bauunterlagen auch noch auf einen externen und für den Freistaat Sachsen unzugänglichen Server hinterlegt hat.

Wie bei jedem aus dem Ruder laufenden Hochbauprojekt gibt es auch hier nicht den einen krassen Fehler. Vielmehr deutet sich immer mehr an, dass es eine Summe von Fehlentscheidungen und unzureichenden Monitoring in diese Situation gebracht haben. Mit dem Ergebnis, dass es jetzt teurer wird. Billig rechnen, teuer nachzahlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir stehen vor einem Dilemma: Die bestehende JVA in Zwickau ist ein Relikt aus grauer Vorzeit. Ein Altbau. Die Zellen sind zu klein, es gibt kein Außengelände und keine ausreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Insassen. Obendrein liegt die JVA mitten in der Innenstadt – eine Erweiterung des Bestandsgebäudes ist somit faktisch ausgeschlossen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat klare Anforderungen hinsichtlich der Haftunterbringung gestellt. Also ja: Ein Neubau ist notwendig.

Aber – und das ist entscheidend – der Neubau hätte anders aussehen können. Kleiner. Resozialisierungsorientierter. Fachleute sagen seit Jahren: Eine Anstalt mit maximal 400 Plätzen lässt sich handhaben – für Personal, für Gefangene, für die Sicherheit.

Werte Abgeordnete,
was sich aus dieser Situation ergibt, ist ein Dreiklang einer Forderung, die bereits auf der Hand zu liegen scheint.

Erstens: Es muss eine kritische Überprüfung der Bedarfszahlen erfolgen. Die Bedarfsanalyse stammt aus dem Jahr 2010 und dürfte sich nach 15 Jahren dafür bewährt haben, hinterfragt und aktualisiert zu werden.

Zweitens: Aufgrund des massiven Zeitverzuges und der erheblichen Größenordnung an finanziellen Mehrbedarf muss eine Prüfung erfolgen, welche Teile der bestehenden Planung, des bestehenden Konzeptes wirklich noch gebraucht werden. Eine ehrliche Neubewertung dieses Projektes mit einer Möglichkeit der Umplanung und schlussendlich eine seriöse Bau- und Finanzplanung.

Drittens: Fokus auf die Fertigstellung! Denn im Grunde genommen gibt es keine Alternative. Ein Baustopp oder gar ein Bauabbruch mit nachfolgenden Abrissarbeiten stehen in keinem Verhältnis. Und dann, werte Kolleginnen und Kollegen vom BSW, dann würde man dieses Projekt endgültig zu einem Milliardengrab machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Fehler liegen in der Vergangenheit, aber die Verantwortung bleibt. Statt uns in Empörung zu erschöpfen, geht es jetzt darum, Schaden zu begrenzen und Transparenz zu schaffen – und aus dem Denkmal eine funktionierende Justizvollzugsanstalt zu machen.

Vielen Dank!