Aktuelle Debatte Weltfriedenstag − Schubert: Der 1. September mahnt uns alle, Haltung zu zeigen für Menschlichkeit, für Anstand und für Demokratie
Redebausteine der Abgeordneten Franziska Schubert zur Zweiten Aktuellen Debatte der Fraktion DIE LINKE:
"Weltfriedenstag mahnt: Haltung zeigen in Sachsen. Für Demokratie und Frieden – gegen Hass und Gewalt"
77. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 5. September, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Weltfriedenstag ist ein Gedenktag. Er erinnert an den Überfall des Deutschen Reiches auf Polen am 1. September 1939 – ein Ereignis, das also mittlerweile 79 Jahre zurückliegt, aber nach wie vor des Erinnerns würdig ist. Die Aktualität dieses Themas wird wieder neu hergestellt durch Ereignisse, die heute Morgen schon debattiert wurden.
Der 1. September steht nicht für den Ausbruch eines Krieges wie alle anderen – jeder Krieg ist schrecklich und Kriege zu verhindern, sollte immer Ziel der Politik sein. Dieser 1. September steht insbesondere für den Angriff des nationalsozialistischen Deutschlands auf unser Nachbarland und damit besteht angesichts der jüngsten Ereignisse – leider – ein Bezug zum Hier, dem Freistaat Sachsen, und Heute, dem Jahr 2018.
Der 1. September steht für die Katastrophe, die aus einer Ideologie erwachsen kann, die Menschen abwertet – aufgrund von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, vermeintlicher ‚Rasse‘ oder Weltanschauung. Der 1. September steht für das, was passiert, wenn man Anhänger einer extremen Ideologie an die Macht kommen lässt. Der 1. September steht für die Ereignisse, die folgen sollten, aber auch für die Vorgeschichte:
– für das Versagen demokratischer Parteien, die im Kampf gegen den gemeinsamen Feind nicht zusammengehalten zu haben
– für den fatalen Irrglauben, Nazis, Rassisten, Antisemiten ‚einbinden‘ zu können und Kumpanei rechtskonservativer Kreise mit Nationalsozialisten
– für die Justiz, die auf dem rechten Auge blind war.
Diese Aktuelle Debatte bekräftigt die Notwendigkeit, zu lernen, wie es zu diesem Anlass für den Weltfriedenstag kommen konnte – wie schon einmal Wegsehen, Verharmlosung, Kleinreden, Kumpanei, Anpassung und Feigheit es den Feinden unserer Werteordnung ermöglicht haben, diese zu beseitigen und schließlich Krieg und Vernichtung der Weg geebnet wurde.
Wenn heute die Tatsache einer rassistischen, antidemokratischen Bedrohung unserer Gesellschaft kleingeredet wird, wenn das Engagement für Menschlichkeit und Demokratie diskriminiert wird, wenn Mitglieder dieses Hauses (wie Herr Urban) zusammen mit einem Björn Höcke demonstrieren, der in seiner Dresdner Rede letztes Jahr nicht nur eine >>erinnerungspolitische Wende um 180 Grad<< gefordert hat, sondern auch in faschistischer Manier das Ideal propagierte, dass die Parteijugend sich >>im Dienst verzehrt<< und mit einem Lutz Bachmann, auf dessen Demonstrationen gefordert wird, Menschen >>absaufen<< zu lassen, wenn diese Kräfte zudem den Schulterschluss mit Leuten suchen, die offen dem Nationalsozialismus anhängen und in Chemnitz Adolf Hitler huldigen, dann ist der aktuelle Bezug zu Sachsen leider gegeben.
Ich bin erschüttert, wie das Gedenken an die Weiße Rose, welche Widerstand gegen das Nazi-Regime organisierte und deren junge Menschen grausam ermordet wurden, von offenkundigen Rassisten, Antisemiten, Neo-Nazis missbraucht wird. Das ist eine Vergewaltigung am Gedenken an die Weiße Rose.
Der Wahnsinn des Nationalsozialismus war am 1. September 1939 schon lange keine >>innere Angelegenheit<< mehr. Diesem Tag gingen die Annexionen Österreichs und der sudetendeutschen Gebiete und schließlich die Zerschlagung der Tschechoslowakei voraus. Für Pazifistinnen und Pazifisten wirft diese Tatsache die schmerzliche Frage nach dem Sinn einer ‚Appeasement‘-Politik auf, die zwar den Frieden suchte, aber letztlich dem Nazi-Regime nützte. Auch diese Frage bleibt angesichts von Regimes, die Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Massentötung begehen, aktuell.
Hier und heute sollte der 1. September uns aber daran erinnern, dass die Bedrohung von Rechtsaußen über uns hinausgeht, dass auf die Zerstörung des inneren Friedens auch das Ende des äußeren Friedens folgt.
Sozialer Frieden in sozialen Gemeinschaften wird über Vernunft, Sachlichkeit und Mitmenschlichkeit erhalten; in der Begegnung, im Gespräch und in der Wahrung des Anstands.
Die Frage muss für uns Alle lauten: Was trage ich jeden Tag bei zum Frieden – und auch zum Hass – in dieser Welt? Bin ich bereit, zu widersprechen, wenn Judenwitze gemacht werden? Bin ich bereit, rassistische Aussagen nicht als lapidare Pausengespräche zu deklarieren, wo Weghören zu rechtfertigen wäre? Bin ich bereit, entgegenzutreten und zu wahren, was der Anstand gebietet? Bin ich bereit, in sozialen Medien nicht nur die Empörismuswelle zu reiten und Hass mit Hass zu begegnen, sondern rauszugehen und für den gemeinschaftlichen Frieden zu arbeiten?
Jeder Zentimeter, den wir dem Hass überlassen, wird auf uns selbst zurückschlagen. Auf uns und die kommenden Generationen. Das Übel hat schon einmal klein angefangen. Und wir könnten wieder an einem Punkt angelangt sein, an dem ein unheilvoller Weg eingeschlagen wird.
Ja, der 1. September ist hier und heute kein abstrakter und bequemer Gedenktag mehr, sondern er mahnt uns alle, Haltung zu zeigen gegenüber den Feinden von Menschlichkeit, Gleichheit und Demokratie.
Haltung zu zeigen für Einigkeit, für Recht und Freiheit – sie sind des Glückes Unterpfand.