Aktuelle Debatte Wohnen – Löser: Wir müssen Mieter*innen weiterhin vor zu hohen finanziellen Belastungen schützen
Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zur Dritten Aktuellen Debatte der Fraktion BÜNDNISGRÜNE: „Jetzt handeln! Mieterinnen und Mieter in angespannten Wohnungsmärkten in Sachsen stärker schützen“
52. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 02.06.2022, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Sachsen ist ein abwechslungsreiches Bundesland: Wir haben Gebirge, wir haben Auenlandschaften, wir haben Wälder, Felder, Wiesen, große Städte, kleine Städte, Dörfer. Alles das hat seine eigene Schönheit und seine eigene Struktur. Und überall im Freistaat wohnen wir Sächsinnen und Sachsen – im eigenen Haus, in einer Eigentumswohnung oder zur Miete.
Weil Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr viele Klein- und Mittelstädte hat, die alle in der Gründerzeit mit dem Aufschwung von Textilindustrie und Maschinenbau und auch später in den 20er und 30er Jahren gewachsen sind, gibt es hierzulande traditionell einen sehr hohen Anteil an Mietwohnungen.
Auch das Baugeschehen von den Nachkriegsjahren bis zur Wende in der DDR war vom Mietwohnungsbau geprägt. Auch deswegen haben wir im Freistaat wie in Ostdeutschland insgesamt eine geringe Eigentumsquote. Die allermeisten Menschen im Freistaat wohnen zur Miete. Deswegen ist das Thema Mieten und die Interessen von Mieterinnen und Mietern so zentral.
Die Bedingungen, zu denen man in Sachsen eine dieser vielen Wohnungen anmieten kann, unterscheiden sich allerdings sehr stark – je nach dem, wo man nach einer Wohnung sucht. Im ländlichen Raum, in den Klein- und Mittelstädten haben besonders die Genossenschaften, aber auch private Hauseigentümerinnen und -eigentümer mit hohen Leerständen zu kämpfen, die Mieten sind teils sehr günstig.
In den beiden großen Städten Leipzig und Dresden sprechen wir im Gegensatz dazu von angespannten Wohnungsmärkten. Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass die Mieten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich angestiegen sind, (2015-2020 Leipzig 25 Prozent, Dresden 15 Prozent, Sachsen 10 Prozent). Damit müssen die Menschen mehr Geld vom Haushaltseinkommen für Miete ausgeben als im Landesdurchschnitt. Wobei die höchste Miete sachsenweit in Dresden mit 7,90 Euro aufgerufen wird. Dass der Leerstand von Wohnungen kritisch niedrig ist (Leerstand Sachsen 12 Prozent, Dresden 3 Prozent, Leipzig 1 Prozent) und dass die Bevölkerung weiter wächst.
Diese Einschätzung ist nebenbei bemerkt keine BÜNDNISGRÜNE Erfindung, sondern die Zahlen leiten sich aus der Begründung der Verordnung der Staatsregierung für die „Einführung der Sächsischen Mietpreisbegrenzungsverordnung nach § 556 BGB Kapitel A) Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarktes“ ab.
Auf diese beiden völlig verschiedenen Zustände in Großstadt und Land muss man natürlich unterschiedlich reagieren.
In der heutigen Aktuellen Debatte wollen wir uns aber mit den Herausforderungen des großstädtischen Wohnungsmarkts befassen. Von den drei sächsischen Großstädten wird für Leipzig und Dresden ein angespannter Wohnungsmarkt festgestellt. In Dresden und Leipzig wohnen insgesamt etwa 1,2 Millionen Menschen, das ist also knapp ein Drittel der sächsischen Bevölkerung.
Für diese Menschen haben wir im Koalitionsvertrag verschiedene Instrumente zum Schutz vor einer Überlastung durch hohe Mieten verankert. Und es lohnt an dieser Stelle ein kurzer Blick zurück, was schon erreicht wurde. Eine sozusagen Mietenpolitische Halbzeitbilanz für Sachsen.
Erstens: Die Kappungsgrenze, die dafür sorgt, dass Bestandsmieten nicht bis zu 20 Prozent in drei Jahren, sondern nur bis zu 15 Prozent bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete steigen dürfen. Das ist erledigt.
Zweitens: Die Mietpreisbremse, die dafür sorgt, dass bei Neuvermietung von Bestandswohnungen der Preis maximal 10 Prozent über der Vergleichsmiete liegen darf. Auch das hat die Regierung diese Woche endlich erledigt. Und wir sehen, wie wichtig das ist, wenn man hört, dass die Vonovia jetzt aufgrund der Inflation die Mieten deutlich erhöhen will. Allein in Dresden wohnen 80.000 Menschen in Vonovia Beständen.
Drittens: Das Zweckentfremdungsverbot, das dafür sorgt, dass Wohnungen auch zum Wohnen genutzt werden und nicht für Ferienwohnungen oder für Büros und auch nicht aus spekulativen Gründen leer stehen gelassen werden. Die Initiative dazu liegt koalitionsintern lange vor. Ich erwarte, dass die CDU sich als gewohnt vertragstreu erweist und der Gesetzentwurf hier demnächst im Landtag beraten werden kann.
Viertens: Die vollumfängliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Auch hier sind wir bereits mit dem vergangenen Doppelhaushalt wichtige Schritte gegangen, in dem wir die Bundesmittel gegenfinanzieren und bereitstellen. Da haben wir eher das Problem, dass die Fördermittel für den Sozialwohnungsbau noch zu wenig abgerufen werden.
Die Bilanz kann sich also bei drei von vier erledigten Punkten in der Halbzeit der Legislatur durchaus sehen lassen.
In der nächsten Runde gehe ich nochmal etwas genauer darauf ein, was aus BÜNDNISGRÜNER Sicht trotzdem noch zu tun ist, um Mieterinnen und Mieter vor zu hohen finanziellen Belastungen zu schützen und auf vernünftigen Wegen zu einem guten Wohnungsbestand zu kommen.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir haben nicht nur einen angespannten Mietenmarkt in den beiden Großstädten, wir werden vor allem eine angespannte Situation bei der zweiten Miete, den Betriebskosten, bekommen und eine noch größere Krise bei der Fertigstellung von neuen Wohnungen.
Wenn man sich momentan auf den Baustellen umhört, hat man das Gefühl, dass aufgrund von Materialmangel und gestiegenen Preisen sowohl für Baustoffe als auch Transport die Hälfte der Baustellen in einem halben Jahr still stehen wird.
Es ist eben nicht so einfach, immer nur auf Neubau zu setzen, wie es von konservativer Seite gefordert wird, nach dem Motto: Der Markt wird das schon regeln.
Noch dazu werden wir die Auswirkungen auf den Leerstand in Sachsen noch einmal deutlich verändert wahrnehmen, wenn wir uns klar machen, dass in Leipzig um die 8.700 und in Dresden 7.400 ukrainische Geflüchtete – eine ganze Anzahl wahrscheinlich auch dauerhaft – in den Wohnungsmarkt drängen werden
Was ist noch zu tun: Wir müssen trotz oder gerade wegen der multiplen Krisen dafür sorgen, dass in Sachsen weiter Sozialwohnungsbau stattfindet – und nicht nur hochpreisiger Wohnungsbau auf dem freien Markt. Dafür müssen wir aber die Fördersätze anpassen. Wir müssen dringend die Förderrichtlinie anpassen. Die momentanen 3,50 Euro reichen nicht mehr aus. Noch dazu mit dem Wissen, dass wir die Mittel die für die Förderung des Sozialen Wohnungsbaus (Gebundener Mietwohnungsbau) nicht vollständig ausschöpfen. Was nützen uns die 50 Millionen auf der hohen Kante, wenn der Fördersatz so ist, dass ihn niemand abruft?
Zweitens müssen wir auch im Bauen der öffentlichen Hand in Richtung Klimaneutralität kommen. Der Gebäudesektor macht in Herstellung und Betrieb 16 Prozent des CO2-Ausstoßes aus, die Bauwirtschaft weltweit ist geschätzt für 40 Prozent CO2-Ausstoß verantwortlich. Deshalb muss es im Zusammenspiel mit der im Bund angekündigten Klimamilliarde künftig eine bessere Förderung für nachhaltiges Bauen geben, auch da müssen wir die Förderrichtlinie anpassen
Drittens sollten wir darüber nachdenken, wie wir es vermeiden, dass eine Menge Leute in viel zu großen Wohnungen bleiben, gerade wenn sie Alleinstehend sind. Es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen nicht umziehen, weil die neue Miete dann zu teuer wird. Wenn meine Drei-Raum-Wohnung genau so viel kostet wie dann die Miete der neuen Zwei-Raum-Wohnung habe ich wenig Anreiz zum Umziehen. Und dann bleibt eben eine Person in einer viel zu großen Wohnung, und die wird dann eben nicht für eine Familie frei. Da brauchen wir neue politische Ideen, zum Beispiel eine Wohnungstauschbörse könnte da Abhilfe schaffen.
Und viertens: Wenn der Neubau stockt, sollten wir uns noch einmal sehr genau den Bestand an Gebäuden anschauen. Was kann man weiter nutzen, was kann man Umnutzen, wie können wir neue unkonventionelle Wohnformen im Bestand ermöglichen?
Abreißen sollte man Gebäude aufgrund ressourcenschonenden, nachhaltigen Denkens nur noch, wenn es unbedingt sein muss.
Fünftens sollten wir auch über die Unterstützung von alternativen Wohnformen auf Wagenplätzen und von Tiny Houses nachdenken. Bisher haben wir da in Sachsen und im Bund noch zu wenig rechtssichere Regelungen.