Aktuelle Debatte zu Bautzen − Lippmann: Wir müssen die Probleme anpacken und nicht nur Versprechen machen

Redebausteine des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) zur Aktuellen Debatte der Fraktion DIE LINKE ‚Integration ‘eventbetonter Jugendlicher‘ gescheitert – Gewalt darf nichterfolgreich sein! Lehren aus den Vorfällen von Bautzen ziehen‘
41. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. September 2016, Zweite Aktuelle Debatte

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
als die Aktuelle Debatte angemeldet wurde, habe ich überlegt: Was soll man hierzu noch sagen. Erneut rassistische Vorfälle in Sachsen. Hatten wir uns nicht nach Heidenau versprochen, gelernt zu haben? Nach Clausnitz? Und auch heute Morgen?
Die erschreckenden Hetzjagden in Bautzen haben erneut zentrale Probleme in Sachsen aufgezeigt.
Klar ist erstens, dass Sachsen Problem mit sich immer mehr verfestigender rechter Szene hat. Nicht nur in und um Bautzen gibt es eine verfestigte rechte Szene. Aber am Beispiel Bautzen ist dieses Problem wieder deutlich geworden. Unser entscheidendes Problem ist ein Naziproblem.
Oder wie sonst kommen 80 Menschen, darunter viele Neonazis an einem Abend zusammen? Die saßen ja wohl kaum zufällig bei einem Kaffeekränzchen beisammen. Das war abgesprochen, das war geplant und der Höhepunkt wochenlanger Provokationen. Statt das zu adressieren und zu fokussieren, wird dieses Problem erneut relativiert. Ich bin es leid, dass in Sachsen permanent Entschuldigungen für rassistische Übergriffe gefunden werden – diesmal zu sehen an Frage, wer denn begonnen hat.
Zweitens haben wir ein Problem mit Hegemonieansprüchen im öffentlichen Raum. Ich will nicht leugnen oder relativieren, dass es erhebliche Straftaten auch von einigen Flüchtlingen gab. Dann muss man sich Frage stellen, warum überhaupt UmA auf einem Stadtplatz sitzen und Alkohol konsumieren. Was ist in den Integrationsbemühungen schief gelaufen? Hier muss angesetzt und gehandelt werden.
Eine Debatte über die Frage, wer angefangen hat und die Ableitung einer Schuld daraus ist nicht nur Kindergartenniveau sondern auch die Rückkehr in vorstaatliche Zustände, wo das Recht des Stärkeren zählt.
Niemand, egal woher er kommt, oder welche politische Einstellung er hat, hat das Recht, zu entscheiden, wer sich im Öffentlichen Raum bewegen darf oder wer nicht. Aufgabe des Rechtsstaates ist es, dies deutlich zu machen und zwar nicht erst dann, wenn es zu spät ist.
Drittens haben wir weiterhin ein Problem mit dem polizeilichen Agieren.
Ich mache den Beamten vor Ort bei den Ausschreitungen keinen Vorwurf. Dennoch: Hat man, wie schon in Heidenau eine Mobilisierung nicht erkannt? Wieder war man unzureichend vorbereitet.
Ich erwarte eine ordentliche Lagesondierung der Polizei. Man ist mir nach wie vor zu häufig überrascht. Leidtragende sind nicht nur zu Schützende, sondern auch die Polizei, die diese Situationen dann bewältigen muss. Und Interkulturelle Kompetenz, Problembewusstsein und Krisenkommunikation scheinen in Teilen der Sächsischen Polizeiführung ein Buch mit sieben Siegeln zu sein.
Teile der Führungsebene sollten außerdem eine Medienschulung machen, denn die Probleme und den Ernst der Lage haben sie nicht erkannt. Herr Innenminister: Einen solchen Realitätsverlust, wie Bezeichnung von harten Neonazis als „Eventorientierte Jugendliche“ können und dürfen Sie als Dienstherr nicht zulassen!
Viertens hat Sachsen ein Problem mit Imagedebatte. Die Kernsorge vieler zu Bautzen ist der Imageschaden für die Stadt. Ich habe keine Lust mehr auf solche Debatten. Wenn Zeit und Ressourcen, die in Imagedebatten im Kampf gegen die Ursachen des Problems gegen Rechtsextremismus und gegen Ausgrenzung gesteckt wird, wäre mehr geholfen.
Den größten Imageschaden bringen jene, die rote Linien überschreiten und sich mit harten Neonazis an einen Tisch setzen, anstatt jene zu stärken, die im Kampf gegen Nazis und für Demokratie nicht nur um Image sondern vor allem um die Grundfeste unserer Gesellschaft besorgt sind.
Werte KollegInnen,
wenn wir die Probleme nicht anpacken, wird das nicht das letzte Mal sein, dass wir uns hier versprechen, das so etwas nicht wieder vorkommt.