Annekathrin Giegengack: Kooperationsverbot aufheben
Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag der GRÜNEN "Kooperationsverbot in der Bildung aufheben" (Drs. 5/7081) in der 42. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12.10., TOP 9
Es gilt das gesprochene Wort!
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Meine Damen und Herren, man muss kein ausgewiesener Finanzexperte sein, um einigermaßen zu übersehen, dass wir in den nächsten Jahren vor außerordentlichen Herausforderung stehen. Egal, ob man nun die Berechnungen und Schätzungen des Finanzministeriums in Gänze teilt, die Einnahmen des Freistaates werden dramatisch zurückgehen. Prof. Unland rechnet bis zum Jahr 2025 mit einem notwendigen Konsolidierungsvolumen von rd. 4 Mrd. EUR gegenüber dem Haushaltsbetrag 2010. Das ist ein Rückgang der Einnahmen des Freistaates um rd. 24 Prozent auf ein Niveau von 1991.
Auch die Kommunen werden unweigerlich an den ungünstigen Entwicklungstendenzen des Freistaates teilhaben, besonders in Bezug auf die Investitionen. Lag 2010 die Investitionsquote noch bei 20,1 % wurde sie 2011/12 bereits auf 16,5 % zurückgefahren (mit spürbaren negativen Auswirkungen auf die Kommunen). Für 2020 wird eine Quote von 12% angestrebt – das heißt ein Rückgang um rd. 1,8 Mrd. EUR gegenüber dem Haushaltsansatz 2010. Die Kommunen werden diese zurückgehenden Investitionen des Freistaates kompensieren müssen insbesondere bei Pflichtaufgaben wie dem Schulhausbau und das vor dem Hintergrund, dass erst nach der kompletten Einführung der Doppik 2013 der Vermögensverzehr bei den Kommunen real sichtbar werden wird.
Nun angesichts dieser Entwicklung kann man sich politische Eitelkeit – und das Kooperationsverbot im Bereich Bildung ist für uns eine solche – im wahren Wortsinn nicht mehr leisten. Wir werden auf finanzielle Unterstützung von Seiten des Bundes im Bereich Bildung in den nächsten Jahren angewiesen sein, wenn wir unserer Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen gerecht werden wollen.
Doch weshalb halten einige Politiker so hartnäckig am Kooperationsverbot fest? Nun das Hauptargument ist, dass insbesondere bei der Bildungspolitik die Vorzüge unserer föderalen Ordnung besonders zum Tragen kämen. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrung zweier Diktaturen in unserem Land wäre es ein Vorzug, Bildungspolitik komplett auf Länderebene zu regeln, da dies eine Gleichschaltung vorbeugt.
Die föderale Struktur im Bereich Bildung ermögliche sachgerechtere politische Entscheidungen, eine bessere Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und Traditionen, sie stehe für Pluralismus und Minderheitenschutz und erzeuge Wettbewerb unter den Bundesländern sowie Dynamik und Flexibilität bei Entscheidungen.
Doch meine Damen und Herren, die Aufhebung des Kooperationsverbotes stellt diese Vorzüge nach unserer Auffassung überhaupt nicht in Frage. Schauen sie auf den Bereich frühkindliche Bildung. Ihre rechtliche Grundlage findet sich im Kinder- und Jugendhilfegesetz – dem SGB VIII. Hier regeln die Kindertagesstätten-Gesetze der Länder lediglich die vom Bundesrecht nicht erfassten Tatbestände.
Und meine Damen und Herren, passiert in diesem Bereich Gleichmacherei oder gar Gleichschaltung? Und es ist auch nicht so, dass nur politische Entscheidungen auf Landesebene sachgerecht und bürgernah wären. Die Verankerung des gesetzlichen Anspruchs auf die Betreuung von Unter-Dreijährigen ist eine Bundesinitiative, die manch eine Familie in den alten Bundesländern sehr wohl als sachgerecht und bürgernah empfunden hat.
Ein weiteres Argument der Kooperationsverbotsbefürworter ist: Wenn Bildung Gemeinschaftsaufgabe wird und der Bund in diesem Bereich auch finanzielle Verantwortung übernimmt, will er mitbestimmen. Nun auch dies sehen wir nicht als dramatisch an, sondern eher als Chance. Machen wir uns nichts vor, das Bildungssystem in Deutschland ist hinsichtlich seiner Struktur eine Zumutung für Eltern und Lehrer.
In Deutschland gibt es lediglich bundesweite Regelung zur Dauer der Schulferien, ihrer Terminierung sowie ihre Aufteilung innerhalb des Schuljahres. Hingegen gibt es große Unterschiede bezüglich der Lehrpläne, der Abschlussprüfungen, der Anzahl der Schuljahre, dem Fächerangebot, den Schultypen und beim Übergang von der Grundschule in eine weiterführende Schule.
Das Allensbach Institut hat in seiner Untersuchung Schul- und Bildungspolitik in Deutschland 2011 ganz deutlich zu tage gefördert was Eltern und Lehrer von dieser Situation halten, herzlich wenig meine Damen und Herren. Die Statistik spricht hier eine klare Sprache, die überwiegende Mehrheit der Lehrer und Eltern empfindet diese Kleinstaaterei im Bereich Bildung als absolut kontraproduktiv und verlangt nach bundeseinheitlichen Regelungen, insbesondere bei den Schulabschlüssen.
Sollte der Bund seine finanzielle Beteiligung an den Bildungsaufgaben der Länder an solche Forderungen knüpfen, wäre das ein großer Gewinn.
Im Beschluss des Bundesvorstandes der CDU vom 27. Juni 2011heißt es: Unser Ziel die Bildungsrepublik Deutschland. Sie wollen „eine Bildungspolitik in einer föderalen Ordnung, in der jede politische Ebene zur Leistungsfähigkeit des Bildungssystems ihren Beitrag leistet und ihre Verantwortung wahrnimmt.“ Mit der Unterstützung einer Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Kooperationsverbotes können sie dieses Versprechen einlösen.