Annekathrin Giegengack: Wir brauchen dringend Änderungen im Schulgesetz – Frau Kurth, worauf warten Sie noch?

Redebeitrag von Annekathrin Giegengack zum Antrag "Gesetzliche Regelung zur Lernmittelfreiheit in Sachsen – Rechts- und Finanzierungssicherheit für alle Beteiligten", 77. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16. Mai 2013, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

grundsätzlich unterstützen wir das Anliegen, endlich die Sächsische Verfassung und das Schulgesetz in Einklang zu bringen und eine Situation zu schaffen, die die Bezeichnung "rechtssicher" verdient.

Warum ist die Situation so verfahren?
Wir hatten bereits drei Anhörungen zum Thema im Ausschuss für Schule und Sport im Juli 2008, Mai 2009 und März 2012;
Im Plenum gab es zu Gesetzentwürfen zwei Aussprachen, im Juni 2009 und Juli 2012;

Es waren Urteile sächsischer Gerichte, die das Thema Lernmittelfreiheit immer wieder auf die Agenda hoben. Sie treiben eine untätige Staatsregierung vor sich her: die jetzt gültige Rechtsverordnung trat Mitte März in Kraft, bereits in Kenntnis des letzten (zwar noch nicht rechtskräftigen, aber gesprochenen) Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz, bei der die Stadt Limbach-Oberfrohna zur Kostenübernahme des Taschenrechners einer Gymnasiastin verpflichtet wurde.
Neuerliche Klagen sind zu erwarten – und ich glaube, dass auch diese erfolgreich sein werden.

Warum ist die Rechtsunsicherheit bei Lernmitteln ein Problem?
1) An den Schulen herrscht Chaos, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und deren Eltern wissen nicht, woran sie sind
2) im Zweifel zieht sich die Staatsregierung gern darauf zurück, dass die Kommunen für die Ausstattung der Schulen zuständig seien – und speist sie mit einer Lernmittelergänzungspauschale ab, die für jeden Schüler 13,40 Euro bereithält – auf allen weiteren Kosten bleiben die Kommunen sitzen
3) Sie geben das Zepter des Handelns aus der Hand – die Gerichte sind nicht dazu da, Politik zu machen. Die Eltern schulpflichtiger Kinder haben ein Recht darauf, dass die Staatsregierung für funktionsfähige Schulen sorgt, auch durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen.

…und damit wären wir bei der letzten, entscheidenden Frage:
Woran scheitert nun die Herstellung einer "rechtssicheren" Situation?

Nach zweimaligem Scheitern eines eigenen Gesetzentwurfes fordert die LINKE nun die Staatsregierung auf, selbst das Schulgesetz zu ändern. Das Schulgesetz aber ist in Sachsen eine heilige Kuh, das Anliegen somit vergebene Liebesmüh.

Bildungspolitik im Freistaat wird vor allem untergesetzlich verwaltet: So wird eine, wie Herr Colditz es einmal formuliert hat, "ungünstige Interpretationslage zwischen Verfassung und Schulgesetz" per Verordnung gelöst, nicht aber durch eine gesetzliche Regelung.
Die entscheidende Maxime der Staatsregierung lautet scheinbar: Wer sich kein Gehör verschafft, hat schon verloren oder: Recht kriegt nur noch der, der klagt

Ich erinnere an den Kabinettsbeschluss zur Streichung von Ausbildungsgängen zu landesrechtlich geregelten Berufen, die Losverfahren zur zweiten Fremdsprache, nicht juristisch nachvollziehbare Mitwirkungsentzüge für Grund- und Mittelschulen. So kann man doch keine Bildungspolitik machen.

Schon bei der Verabschiedung der Lernmittelverordnung ließ Staatsministerin Kurth wissen, dass sie für eine langfristige Rechtssicherheit eine Änderung des Schulgesetzes für nötig hält. Da stellt sich die Frage: Worauf warten Sie noch?

Über die Grenzen der Lernmittelfreiheit lässt sich sicherlich streiten – aber diese Staatsregierung verkennt den grundsätzlichen Charakter dieser Diskussion und setzt eine Verordnung da, wo es eine gesetzliche Regelung braucht – werden Sie endlich aktiv!

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