Annekathrin Giegengack zur Bildungsdebatte
Es ist widersinnig, um der Zukunft unserer Kinder willen zu sparen und dann genau bei ihnen den Rotstift anzusetzen
Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zur Aktuellen Debatte „Späte Einsicht – schlechte Lösung! Vollzeit der Lehrer nicht gegen Eltern und Kinder ausspielen“, 16. Sitzung des Sächsischen Landtages, 20. Mai, TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
ich werde hier nicht nach dem Motto „Versprochen gebrochen“ krümelkackerisch aufzählen, wer aus der Staatsregierung wann in den letzten Wochen wo bekräftigt hat, welch hohen Stellenwert Bildung und Erziehung in Sachsen hat. Ich werde auch in den nächsten fünf Minuten nicht über die Bedeutung von Investitionen in Bildung und Erziehung für die Zukunft unseres Landes referieren. Kein Mensch mit klarem Verstand bezweifelt diese.
Ich möchte an ihr Verantwortungsgefühl appellieren, was diese Debatte grundsätzlich angeht, die MP Tillich mit der Aussagen „Mehr Geld macht nicht automatisch klüger“ losgetreten hat. Worüber diskutieren wir hier eigentlich?
Wir sind in Sachsen mit einer Situation konfrontiert, wie sie Tausende Familien in diesem Land in den letzten 20 Jahren schon durchlebt und durchlitten haben: Sie mussten aufgrund der Verschlechterung ihrer Einkommenssituation z.B. durch Arbeitslosigkeit eines Ehepartners sparen.
Und tausende Familien haben uns vorgemacht wie das geht. Sie haben abgewogen, was unverzichtbar ist und wo sie sich einschränken können und sie haben in den meisten Fällen die gleichen Prioritäten gesetzt. Sie haben auf Ausgaben wie die neue Anbauwand, das neue Auto, die nächste Urlaubsreise verzichtet und die Schulbücher, die Vereinsmitgliedschaft, die Musikschulkosten und die Klassenfahrt bezahlt – aus Verantwortung für ihre Kinder.
Meine Damen und Herren, genau diese Prioritätensetzung erwarten diese Mütter und Väter oder jetzigen Großmütter und Großväter zu Recht nun auch von uns. Und es ist nur zu verständlich, wenn sie das Vertrauen in die Politik verlieren, weil im Großen angeblich nicht gehen soll, was im Kleinen Tag für Tag gehen muss. Es ist widersinnig, um der Zukunft unserer Kinder willen zu sparen und dann genau bei ihnen den Rotstift anzusetzen zu wollen.
Meine Damen und Herren, keine Frage, der Haushalt des SMK ist nicht heilig. Aber ein klares Nein zu: Es gibt beim Sparen keine Tabus.
Fast ein Drittel unserer Kinder weist bei den Einschulungsuntersuchungen Defizite in der Sprachentwicklung auf, fast ein Viertel motorische Defizite. Jeder vierte Realschulabgänger hatte im Schuljahr 07/08 in Mathe eine 5 oder 6. Jeder dritte Hauptschülerabgänger hatte in Mathe und jeder vierte in Englisch eine 5 oder 6. Knapp 20 000 Kinder in Sachsen besuchen eine Förderschule, davon die Hälfte eine Lernförderschule. Über 80 Prozent verlassen diese Schulen ohne Abschluss.
Meine Damen und Herren, hier sind die Tabus des Sparens. Wer hier sparen will, versündigt sich an unseren Kindern.
Stehen sie zu dem, was sie in diesem Hause am 31.3. versprochen haben. Ich zitiere Frau von Schorlemmer in ihrer Stellungsnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag:
„Einen eindeutigen Akzent wollen wir im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung setzen. Maßnahmen zur weiteren Qualitätsverbesserung haben hier klare Priorität, damit jedes Kind bestmögliche Startchancen bekommt. Dazu gehören für uns die Verbesserung der Betreuungsrelation, die Verbesserung der frühkindlichen Entwicklungsförderung, besonders mit Blick auf die Sprache, sowie die weitere Ausgestaltung des Übergangs vom Kindergarten zur Grundschule. Im schulischen Bereich geht es uns dem Motto folgend „Jede(r) zählt“ darum, die individuelle Förderung weiterzuentwickeln und auszubauen. Das gilt sowohl mit Blick auf leistungsschwache und abschlussgefährdete Schülerinnen und Schüler als auch für solche mit sonderpädagogischem Förderbedarf, als auch für besondere begabte Schülerinnen und Schüler. Wir wissen, dass Maßnahmen in diesem Bereich volkswirtschaftlich die größte Rendite bringen. Diese sind vorsorgende Wirtschafts- und Sozialpolitik zugleich.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.