Antje Hermenau: Doppelhaushalt 2013/14 – CDU und FDP auf Achterbahnfahrt
Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zum durch die Staatsregierung vorgelegten "Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2013/2014 und die Festlegung der Finanzausgleichsmassen und der Verbundqoute in den Jahren 2013 und 2014" (Drs. 9949), 61. Sitzung des Sächsischen Landtages, 7. September 2012
– Es gilt das gesprochene Wort –
———————————————————————————-
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren Kollegen!
Der Haushaltsentwurf, den Sie von der Regierungsbank vorgelegt haben, ist eine interessante Mischung.
Man muss ganz akribisch einsteigen, um alles herauszubekommen. Die Mischung besteht auf der einen Seite in Einzeletats, ihn auf Kante zu legen, streng zu wirtschaften und auch Risiken einzugehen. Dann bauen Sie sich neue Sparbüchsen auf – ganz interessant. Sie haben auch Einsicht gezeigt und wollen sich gern beim Ertappten einsichtig zeige – das ist die Frage der Rücklagen –, und Sie haben, wie ich finde, neue Wege kreativer Haushaltsführung eingeschlagen. Aber im Prinzip geht es immer nur darum, dass Sie aktuell gerade in Liquidität schwimmen und nicht wissen, wie Sie das kaschieren sollen, der Stöpsel in der Wanne aber schon gezogen ist und alle wissen, dass in der nächsten Zeit irgendwann mal Trockenschwimmen angesagt ist. Und was tun Sie noch? Sie sprechen von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit. Ich habe daran meine Zweifel und finde, es ist intransparent, was Sie hier veranstalten. Dazu werde ich noch einige Ausführungen machen. Außerdem finde ich die Frage des Kollegen Dulig interessant. Es war mir selbst auch nicht klar, ob zum Beispiel Zahlungen aus dem Garantiefonds auf die Investitionsquote angerechnet werden. Damit wird noch einmal ein ganz anderes Licht auf die Problematik "Straße statt Kita und Schule" geworfen.
Sie sprechen von Solidität und Stabilität. Was sie hier in den letzten drei Jahren veranstaltet haben, war eine Achterbahnfahrt ohne Gleichen, und die ganze Bevölkerung durfte mit.
Jeder durfte einmal die Beständigkeit und Resistenz seines Magens testen gegen das, was Sie hier verbrochen haben. Das Gegenteil von Solidität und Stabilität haben Sie hier verursacht.
Herr Zastrow hat wieder im mannhaft-jugendlichen Tremolo vom einmaligen Kraftakt geschwätzt. Aber im Prinzip war es auf dem Rücken der Bevölkerung, und Sie versuchen jetzt diesen Murks auch noch damit zu verteidigen, dass Sie das notwendige getan hätten. Nein, Sie haben genau das notwendige nicht getan. Sie haben nicht in die Rücklagen gegriffen und die Situation nicht stabilisiert, sondern Sie haben diese Achterbahnfahrt veranstaltet, die viele Leute im Land verunsichert hat, und zwar nachhaltig. Das haben Sie hinbekommen.
Wir haben hier 2010 in der Debatte gestanden. Ich habe gesagt: 2013/2014 wird es wahrscheinlich noch Wahlgeschenke geben. Diese werden Sie jetzt gleich mit ansparen, wenn Sie schon mal eine Rosskur machen und es mit allen verderben. Sie werden Sparbüchsen anlegen. Ich halte das für zynisch, habe ich Ihnen damals gesagt. All das ist eingetreten: Genauso haben Sie es gemacht. Es hilft auch nicht, dass Sie beim Rhetorikkurs waren. Oder vielleicht sind Sie heute auch putzmunter, weil Sie sich wie Hans im Glück fühlen. Ich kannte mal einen Hans im Glück; das war Hans Eichel. Danach kam die Rezession.
Sie haben diese Achterbahnfahrt gemacht. In einer Zeit vor zwei Jahren gab es wenige Steuereinnahmen. Es gab Einbrüche. Die Rezession war da. Sie haben erst einmal ein halbes Jahr lang behauptet, Sie hätten gar keine Rücklagen, in die Sie greifen könnten. Ich musste noch einmal einen Brief an alle Kollegen im Landtag schreiben, um das zu klären. Dann gab es die Rücklagen doch, und Sie haben Sie auch für den Haushalt 2011 und 2012 benutzt, um eben antizyklisch und nicht prozyklisch zu handeln. Das war im Prinzip eine kleine Schuldenbremse über die Rücklage, die Sie veranstaltet haben.
Mich ärgert aber, dass das alles immer so im Intransparenten und Unklaren laufen muss. Wenn Sie einen Vorschlag haben, der vernünftig ist, dann können Sie ihn auch breit und öffentlich diskutieren. Jetzt fangen Sie mit dem Gemurmel wieder an. Jetzt geht es wieder von vorn los. Wenn man es sich einmal anschaut: Sie haben damals gesagt, wir haben gerade in dieser Krise gelernt, dass eine systematische Analyse notwendig ist, um die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Wir dürfen den sächsischen Haushalt nicht auf konjunkturpolitischen Sand bauen. Das haben Sie 2010 – vor diesem Crash mit der Achterbahn, den wir erlebt haben – gesagt.
Das hätte auch jetzt für den Haushalt 2013/2014 gelten dürfen. Ich hoffe nicht, dass wieder eine Achterbahnfahrt stattfindet. Aber wenn ich mir Ihre Steuerprognosen anschaue, auf die Sie bauen, woher nehmen Sie denn diesen Glauben? Die OECD hat gerade eine sehr klare andere Prognose veröffentlicht.
Entweder bezweifeln Sie selbst die Höhe Ihrer Steuereinnahmen, oder Sie schwimmen im Geld und wollen nicht, dass der Herr Seehofer das nächstes Jahr in seinem Wahlkampf in Bayern gegen Sie benutzt, weil Sie vielleicht mehr als eine Milliarde Euro Rücklagen haben. Das ist Ihr Problem, ein politisches Problem, weil Herr Seehofer auf dem Weg ist, wegen des Finanzausgleiches zu klagen.
Oder Sie rechnen damit, das nächstes Jahr im Bund eine andere Regierung drankommt und Steuermehreinnahmen zustande kommen, die sie automatisch mit einpreisen können; dann werden Rücklagen wieder sicher, auch das ist möglich. Das würde aber bedeuten, dass schwarz-gelb nicht weiterregieren wird, Herr Zastrow.
Sie verschieben bestimmte Probleme – wir hatten diesen Tanz mit den Rücklagen durchgezogen. Die Rücklagenbewirtschaftung des Finanzministeriums ist jetzt transparenter geworden, musste damals jedoch als Gegenteil von nachhaltiger Haushaltpolitik verstanden werden. Sie haben diese Rücklagenbildung auch übertrieben und gravierende Fehler gemacht. Jetzt verkaufen Sie diese Korrektur, die Sie vornehmen müssen, als solide Haushaltspolitik.
Sie haben selbst davon gesprochen, dass Einnahmen aus Rücklagen Einmaleffekte sind, mit denen man eigentlich keine dauerhaft laufenden Ausgaben finanzieren kann. Sie begründen den Griff in die Rücklage damit, dass Sie das Bildungspaket finanzieren müssen. Ja, was denn nun? Wenn es eine einmalige Geschichte ist, können Sie es nicht für Gehälter ausgeben. Ist es keine einmalige Geschichte, dann haben Sie das Bildungspaket nicht solide finanziert. Was ist denn eigentlich hier Fakt?
Ich habe mich gefragt, warum Sie 2014 dieses Risiko eingehen, dass da etwas mit dem Haushalt schief gehen könnte. Man kann Ihnen da Vieles unterstellen, Dummheit würde ich Ihnen aber nie unterstellen. Die Sache ist doch schnell sehr klar geworden. Die Förderperioden der Europäischen Union – die eine endet am 31.12.2013, die nächste beginnt am 01.01.2014 – überlappen sich, weil man nämlich Mittel aus der alten Periode bis nach 2015 übertragen kann, und die neue hat schon angefangen, da geht das dann übereinander. Somit haben Sie einen Liquiditätsüberschuss, den Sie so hineingeschrieben haben, dass Sie diesen nach 2015 und 2016 verplanen und wegschieben können. Müssen Sie zum Beispiel wieder Kürzungen machen, weil Steuereinnahmen zurückgehen oder Ihnen die Kofinanzierungsmittel für die EU-Mittel der neuen Förderperiode fehlen, dann machen Sie einfach die N-Plus-2-Regelung – zwei Jahre die EU-Mittel verschieben, weil die Kofinanzierungsmittel gerade nicht vorhanden sind und Sie müssen dann nicht wieder so durch den Haushalt holzen wie vor zwei Jahren. Das wäre in Ordnung, weil das besser ist als das Gemetzel, das Sie vor zwei Jahren veranstaltet haben. Es ist aber in der Sache nicht in Ordnung, dass Sie das nicht transparent darstellen – das geht überhaupt nicht meiner Meinung nach.
Die eine Seite ist, dass in diesem Bereich neue Sparbüchsen angelegt werden. Zudem muss man auch noch damit rechnen, dass jetzt noch ganz viele – für jeden Wahlkreisabgeordneten ein Bändchen zum Durchschneiden – Besuch bekommen von Herrn Morlok, der dann überall bei Ihnen Bändchen durchschneidet, bei unbedeutenden kleinen Sträßchen, im Zweifel auch bei der Baustelleneinfahrt – Hauptsache er ist im Fernsehen gewesen.
Nachdem die Rücklagenfrage geklärt ist und wir über neue Sparbüchsen in Ihrem Haushalt reden, und die EU-Mittel sind eine Sparbüchse bei Ihnen – auch eine unbekannte, aber auch eine Sparbüchse – kommen wir noch einmal auf die zweite Möglichkeit, Sparbüchsen anzulegen, zurück, und zwar die Möglichkeit, wie sie bewusst Ausgabenreste im Haushalt produzieren, auf die Sie dann zurückgreifen können. Die Koalition und die Staatsregierung hat in meinen Augen die Sozialpolitik als politisches Feld längst aufgegeben – Sie haben es aufgegeben. Sie haben es aufgegeben und nutzen es dazu, künstlich Ausgabenreste aufzubauen.
Schaut man sich das einmal bei dem Thema Hospiz an – eine Frage, die mehr Kollegen als nur unsere beschäftigt –, dann ist es so, dass Sie dort eine neue Titelgruppe gebildet haben, die Sie demografischer Wandel nennen. Es sieht optisch danach aus, als würden mehr Mittel eingestellt werden. Die Förderrichtlinien zur Bewirtschaftung dieses Geldes sorgen allerdings dafür, dass dieses Geld nicht abfließen kann. Dieser Haushaltsansatz ist ein potemkinsches Dorf, Sie werden dort wieder nur eine Sparbüchse aufbauen. Wir haben das selbst erlebt. Vor zwei Jahren haben wir eine Erhöhung bei den Betreuungsvereinen durchgesetzt, allerdings wurde die Förderrichtlinie nicht angepasst, weswegen das Geld nicht abfließen konnte. So geht das jetzt weiter. Das ist das eine. Das andere ist, dass Sie gerade im Sozialhaushalt mehrere Titel zusammenrechnen, insgesamt gibt es dann mehr Geld. Hätten Sie allerdings die Einzeltitel summiert, wäre das der viel größere Betrag gewesen. Das heißt, Sie kürzen im Sozialbereich, indem Sie verschiedene Bereiche zusammenpacken. Wir werden das im Detail ausdiskutieren.
Eine ganz schizophrene Veranstaltung ist es, was zum Thema Personalabbau kommt. Herr Martens äußert in der Presse, dass es ihn sehr bedrücke, wie viel Stellenabbau im Bereich der Justiz stattfinde, und er nicht genügend Leute zur Verfügung habe und drückt dann öffentlich eine Träne aus. In seinem Haus hat er alle kw-Stellen sauber umgesetzt, die ihm der Finanzminister aufgedrückt hat. Ja was denn nun? Es gibt einen öffentlichen Herrn Martens und einen hausinternen Herrn Martens. Mit dieser Art und Weise kommen wir auch einmal zu der Verantwortung aller Minister – dass der Ministerpräsident keine Verantwortung übernimmt, wissen wir inzwischen alle im Land, das ist nicht neu.
Aber es gibt noch ein paar Ministerinnen und Minister, die alle geschworen haben, zum Wohl des sächsischen Volkes tätig zu sein – jede und jeder einzelne von Ihnen.
Sie haben allerdings sehr unterschiedlich Ihr Haushaltsaufstellungsschreiben interpretiert, um das mal ganz freundlich und ohne Beleidigung auszusprechen. Da gibt es riesige qualitative Unterschiede in den einzelnen Ministerien – kleinere und größere Betrügereien, ehrliche und unehrliche Haushalte, auf Kante genähte Haushalte und Sparbüchsenhaushalte. Jeder macht da sein Ding. Das passiert, wenn keiner Führung übernimmt und wenn es der Ministerpräsident nicht gemacht hat und Sie es nicht gemacht haben, Herr Finanzminister, weil Sie kein Controlling machen zu dem, was Sie in Ihrem Haushaltsaufstellungsschreiben hineingeschrieben haben, haben wir hier eine putzmuntere Gesellschaft von Individualisten, die nachweisen will, dass Sie wenigstens gute Teilzeitminister gewesen sind. Das kommt dabei raus.
Die Lehrermangelfrage wird vorgeschoben, Bildungsqualität ist auf einmal kein Thema mehr – das ist auch ein Problem. Die Lehrermangelfrage haben Sie selbst während Ihrer Regierungszeit über sechs bis sieben Jahre aufgebaut. Das haben Sie sich redlich verdient, dass das jetzt explodiert. Nun mussten Sie wenigstens etwas korrigieren, weil Sie im Prinzip nicht wussten, was Sie noch machen sollten – das wurde Ihnen abgetrotzt, so wie wir Ihnen die Klarheit bei den Bürgschaften abgetrotzt oder bei den EU-Mitteln versucht haben, über das Verfassungsgericht Klarheit zu bekommen. Jedes Fitzelchen muss Ihnen aus der Hand gepuhlt werden – das ist das Gegenteil von Haushaltstransparenz und von Solidität. Man muss es deutlich sagen, dass dieser Haushalt nicht solide durchfinanziert worden ist.
Sie haben eine Reihe von Unbekannten, die Haushalte werden volatiler, was damit zu tun hat, dass wir Steuereinnahmen abhängiger werden – das ist klar, das haben wir in diesem Haus diskutiert. Wie gesagt, haben Sie sich meiner Meinung nach ein neues System an Sparbüchsen ausgedacht. Sie lassen den Ministern maximale Freiheit, die Wahlkreisabgeordneten bekommen alle ein Bändchen zum Durchschneiden und dürfen vielleicht noch einmal überlegen, ob sie Herrn Morlok bitten oder nicht bitten. Das ist im Großen und Ganzen der gesamte Haushaltsvollzug, vor dem wir stehen. Das ist der erste Eindruck, den ich hier gewinnen musste, nachdem ich mir das etwas gründlicher angeschaut hatte – die Fraktion teilt diesen Standpunkt.
Wir haben drei Monate Zeit, dort Klarheit hineinzubringen, und auf diese Debatte freue ich mich.
Vielen Dank.