Antje Hermenau: Ihr Haushaltsentwurf bedeutet fünf verlorene Jahre für Sachsen

Erwiderung der Fraktionsvorsitzenden Antje Hermenau auf die Rede des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich in der Debatte um den Doppelhaushalt 2013/2014, 66. Sitzung des Sächsischen Landtages, 11. Dezember 2012, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –
————————————————————————————

Sehr geehrte Damen und Herren,
Herr Ministerpräsident,

was Sie uns heute hier als eine bedachte Politik der ruhigen Hand und des klugen Augenmaßes verkaufen wollten, ist dröhnende Ratlosigkeit ob der Herausforderungen der nächsten Jahre. Dieser Haushaltsentwurf für die nächsten zwei Jahre zeigt eindeutig, dass Ihre schwarz – gelbe Koalition vor allem fünf verlorene Jahre für Sachsen bedeutet.
 
Ich zitiere Sie: "Die Einnahmen bestimmen die Ausgaben. Dann geht es auch ohne Schulden." Das zeigt das ganze Dilemma dieser Regierung. Weitere Schulden verbieten sich. Das ist in Sachsen unter den meisten Parteien aus guter politischer Vernunft Konsens. Damit reißen Sie in Sachsen keinen mehr vom Hocker.
 
Aber Einnahmen sind nicht gottgegeben, sondern werden von der Politik bestimmt: Zuwächse wie Verluste! Steuersenkungen verbieten sich solange, solange Deutschland überschuldet ist. Und für dringend notwendige Ausgabenverbesserungen muss man entweder an anderer Stelle einsparen oder die Einnahmen durch Steuererhöhungen anheben. Der Bundesfinanzminister hat am Wochenende Ihre Rentenvorschläge als nicht finanzierbar einkassiert. Er folgt damit Ihrem Grundsatz: Die Einnahmen bestimmen die Ausgaben. Nun können Sie die Hände in den Schoß legen und seufzen, Sie hätten es ja versucht, oder aber Sie handeln. Es gibt die Möglichkeit, einen ordentlichen Mindestlohn einzuführen. Das ist übrigens sehr wirksam gegen Altersarmut und eine bessere Maßnahme. Es gibt die Möglichkeit, Einsparungen auf der Bundesebene vorzuschlagen, um Geld für die Rente frei zu bekommen. Oder Sie können zugeben, dass die Beitragshöhen nicht ausreichen bzw. Steuererhöhungen nötig sind, um dieses soziale Ziel, etwas gegen die drohende Altersarmut zu unternehmen, ehrlich und mit einem greifbaren Ergebnis in Angriff zu nehmen. Und erzählen Sie mir nicht, Ihr Koalitionspartner binde Ihnen da leider die Hände. Dieses Unglück haben Sie selbst gewählt.
Wenn die Einnahmen als gottgegeben betrachtet werden, gibt die Politik Gestaltungsspielräume aus ideologischer Verzwergung auf. Natürlich müssen Steuererhöhungen mit sozialem, ökologischen und auch ökonomischen Augenmaß angepackt werden.
 
Wer das aber nicht anpackt, ist Vollzugsbeamter der Politik anderer und kein gestaltender Ministerpräsident. Die Einführung der Schuldenbremse definiert politisches Handeln neu: nämlich im Hier und Jetzt und nicht zum Sankt Nimmerleinstag. Das bringt eine ganz neue Qualität in die Politik – sie kann sich keinen schlanken Fuß mehr zulasten Dritter in der Zukunft machen. Wir Grünen finden das gut.
 
Zitat Tillich:
– "gute Steuereinnahmen – so wird es nicht weiter gehen.“ Ich teile diese Annahme ausdrücklich. Aber wiederum: das größte Risiko für einen weiteren Rückgang der Steuereinnahmen ist die FDP und deren politischer Überlebenskampf. Und dieses Risiko kann man als Finanzminister gar nicht hoch genug einschätzen, wie wir an der Mövenpick-Steuersenkung vor zwei Jahren gesehen haben. Auf mindestens 22 Mio. Euro verzichten wir seitdem jährlich in Sachsen – für die Lehrergehälter hätten wir diese dauerhafte strukturelle Einnahme gut gebrauchen können. Es war leichtfertig, sie aufzugeben.
 
Wer 2009 noch der Überzeugung gewesen sein mag, nun käme mit schwarz – gelb eine Regierung an die Macht, die mit Geld umgehen kann und Sachsen tatkräftig weiter entwickelt, sollte sich nun spätestens mit dem Beschluss des Staatshaushaltes 2013/2014 von diesem Selbstbetrug befreien. In Zahlen gegossen ist dieser Haushalt ein Dokument der Unfähigkeit, strukturell Entscheidendes zu verändern, die seit Jahren an die Haustür pochenden Probleme systematisch anzugehen, damit sie sich nicht auswachsen oder das Land in kontinuierlich ruhiges Fahrwasser zu lenken. Wir wurden in den letzten drei Jahren Zeugen einer heillosen Achterbahnfahrt der Staatsfinanzen, die durch den jugendlichen Übermut und das fehlende Augenmaß der schwarz – gelben "Lenker" nicht sicher durch die außergewöhnlichen Fliehkräfte der Wirtschafts- und Finanzkrise führten, sondern so, dass sich bei fast allen Sachsen der Magen hob. Und anstatt sich für die eigene Unfähigkeit zu entschuldigen und es mit diesem Haushalt besser zu machen, verhalten Sie sich wieder prozyklisch wie vor zwei Jahren, allerdings diesmal vermeintlich bergauf. Nun haben wir bei den so hervorragenden Steuereinnahmen, dass sie keiner so voraussehen konnte, einen Haushalt vorliegen, der nicht nur in die Rücklagen greift, sondern auch ein Wahlkampfhaushalt ist. Wer nichts leistet, macht sich eben damit beliebt, dass er Kamelle unters Volk wirft und hofft, dass es sich damit abspeisen lässt.
 
Nachdem 2008 schwarz – rot und Herr Prof. Milbradt durch das Desaster der Sachsen LB aus der Kurve getragen wurden, fand die Staatsregierung und vor allem die regierende CDU nie wieder in die finanzpolitische Seriosität und damit auf den Pfad der Tugend zurück. Noch zusammen mit der SPD wurde ein Haushalt 2009/2010 beschlossen, der auf tönernen Füssen stand. Politische Debatten über die bevorstehende Finanzierungslücke im Jahre 2010 wurden im Wahlkampf 2009 vom Ihnen, Herr Tillich, und Ihrem Finanzminister Unland hinweggegrinst. Es gäbe kein Problem. Dabei geriet Deutschland 2009 in eine schwere Rezession und es war klar erkennbar, dass mit einer entsprechenden "Bremsspur" die Steuereinnahmen ab 2010 nicht zu halten sein würden. Als dann durch die neue Koalition mit der FDP durch einen Handstreich im Frühjahr 2010 der Jugend – und Sozialbereich knochentrocken politisch zum Steinbruch gemacht worden war, war klar, dass hier Ideologen am Werk sind, aber keine seriösen Finanzpolitiker.
 
Der Finanzminister leugnete ein halbe Jahr lang, überhaupt irgendwelche frei verfügbaren Rücklagen m Haushalt zu haben, bis nach einem halbjährigen Streit offenbar wurde, dass diese Reserven deutlich über einer halben Milliarde Euro lagen. 25 Mio. Euro im Sozialbereich Hals über Kopf zu streichen, war unnötig und unverhältnismäßig. Diese gravierende politische Fehlleistung wirkt bis heute zerstörerisch nach.
 
Rücklagen dienen als Reserve für schlechte Zeiten. Diese waren ab 2009 gegeben. Aber im politischen Geplänkel über den neuen Haushalt 2011/2012 wollte schwarz – gelb die "harten Jungs" heraus kehren, um zu beweisen, dass sie mit der Krise umgehen könnten. Das Gegenteil war der Fall: laut pfeifend mit vollen Hosen in den dunklen Keller zu gehen ist noch kein Mut, sondern lächerlich. Das zu Lasten derer zu tun, die sich nicht wehren können, ist verantwortungslos und zynisch. Übrigens, die Rücklagen wurden dann im Haushaltsvollzug in den Jahren 2011 und 2012 natürlich doch mit herangezogen, um im Verlauf ausgleichen zu wirken. Nur der Flurschaden im Sozialbereich wurde nicht wieder behoben.
 
Genauso ausgleichend soll übrigens die atmende Schuldenbremse wirken, die wir Grünen seit einem Jahr hartnäckig immer wieder vorschlagen, damit eben nicht immer alle im Staat schnell nach einem Eimer suchen müssen, wenn Ihre finanzpolitische Achterbahnfahrt wieder losgeht. Wir wollen verlässlich und berechenbar miteinander in diesen Zeiten langsam schrumpfender Einnahmen umgehen miteinander. Unser Vorschlag einer atmenden Schuldenbremse ist die Umsetzung der alten Weisheit "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not." und damit das genaue Gegenteil dieses sprunghaften Regierungshandelns der schwarz – gelben Koalition in Sachsen in diesen fünf verlorenen Jahren.

Aus den letzten Jahren hat nun die Koalition nicht etwa vernünftige Lehren gezogen, sondern die der Krise hinterher hechelnde Berg – und Talfahrt geht weiter:
Nun haben wir die Situation, dass der Finanzminister seinen Anzug natürlich immer noch gebraucht kaufen muss, ihm aber aktuell die Geldbündel schamlos aus den Taschen quellen. Er versucht verzweifelt, sie hinein zu stopfen, aber jeder sieht sie. Seine Rücklage nähert sich einer Milliarde Euro an. Der Gesamthaushalt soll 2014 ca. 17 Milliarden Euro in Sachsen betragen.
 
 
Sie sprachen, Herr Ministerpräsident, von einem "zukunftsfähigen Sachsen". Das wollen wir alle. Was braucht Sachsen in der Zukunft?
• Erschwingliche Lebenshaltungskosten für die Bürger und die öffentliche Hand.
• Gebäudesanierungen zur dauerhaften Senkung der Heizkosten sind Zukunftssicherung.
• Mobilität im ländlichen Raum durch öffentlichen Nahverkehr ist Zukunftssicherung.
• Ausreichend Lehrer mit vernünftigen Gehältern sind Zukunftssicherung.
• Sicherung der Lehr – und Studientätigkeit an den akademischen Einrichtungen sind Zukunftssicherung
• Ausreichende Mittel für die Kultur abseits der Zentren, damit das Leben im ländlichen Raum lebenswert bleibt, sind Zukunftssicherung.
• Eine Jugendpauschale, die qualitative Angebote in der Jugendarbeit möglich macht, sind Zukunftssicherung.

Stattdessen: Verpackungskünstler plustern Selbstverständlichkeiten zu einem Zukunftssicherungsfonds auf. Selbstverständlichkeiten wie den Breitbandausbau, den wir seit Jahren von der Regierung einfordern. Nun, da die EU selbst diesen Förderschwerpunkt für die neue Förderperiode ab dem 1.1.2014 gesetzt hat, bequemen Sie sich endlich, das anzupacken und verkaufen es auch noch als Initiative, zum Jagen getragen worden zu sein.
 
Die Krankenhäuser hatten sie systemwidrig vor zwei Jahren in einer Nacht – und Nebelaktion in den Haushalt gefummelt. Nun ist es in einem Zukunftssicherungsfonds optisch platziert. Es hätte auch in den Etats der zuständigen Ministerin gepasst, da wäre als das übliche Regierungsgeschäft nur nicht so aufgefallen. Einzig beim Schulhausbau könnte man sagen, dass sie etwas Initiative zeigen. Aber daran kamen sie politisch aus mehreren Gründen nicht vorbei und mit diesen Summen wird es lange dauern, bis diese über Jahre aufgelaufene politische Fehlleistung ausbalanciert sein wird.
 
Natürlich ist es richtig, Geld, das heute übrig ist, für Folgejahre zurück zu legen. Und wenn man es zeitig genug ankündigt und festlegt, dann können sich die Partner, wie z.B. die Kommunen mit entsprechenden Planungsvorläufen wie beim Schulhausbau darauf vorbereiten, was sicherlich hilfreich ist.
 
Das ganze allerdings Planungssicherheit bis 2016 zu nennen und damit quasi ihr politisches Erbe als schwarz – gelbes Regierungsintermezzo festzulegen, hat schon was Skurriles. Wären Sie an einer Planungssicherheit jenseits dieser Regierung interessiert gewesen, hätten Sie die Oppositionsparteien mit einbeziehen sollen, um diesen Fonds gegen Regierungswechsel unempfindlich und damit politisch verlässlich auch für die Kommunen zu machen. Aber darum haben Sie sich nicht bemüht.
 
Es wird ein "Zukunftssicherungsfonds" aufgelegt, der sich aus zu erwartenden EU – Mitteln finanzieren wird. Die Frage, dass die Kommunen eigenen Einnahmequellen brauchen, wenn die Aufbau – Ost – Förderung in den nächsten Jahren auf Null zurück geht, wird völlig ignoriert. Dabei kann das Land doch die Kommunen unterstützen, sich eigene Kapazitäten zur Energie – Erzeugung aufzubauen, deren Gewinne nach der Amortisierung den Kommunen auf Dauer zur Verfügung stehen. Aber Erneuerbare Energie werden lieber beschimpft und schlecht gemacht, weil schwarz – gelb selbst nicht in der Lage ist, die Energiewende vernünftig zu managen und der Wirtschaftsminister offenbar zielsicher einen Posten als Frühstücksdirektor bei Vattenfall anpeilt. Die Operation Abendsonne, die dazu dient, "verdientes politisches Personal" in der so arg als faul beschimpften Verwaltung unterzubringen, ist ja schon angelaufen. Zur Versorgung eigener Leute eignet sich die angeblich „faule und überbezahlte Bürokratie“ allemal.
 
Die Staatskanzlei will 25 Prozent mehr Personal für die nächsten zwei Jahre, offiziell für Fragen der EU. Dafür ist aber der Justizminister, den die FDP stellt, zuständig. Entweder macht er seinen Job schlecht, so dass die Staatskanzlei aushelfen muss, dann sollte er aber auch die Stellen rausrücken anstatt neue zu schaffen. Oder aber die Staatskanzlei will für knapp 2 Mio. Euro Wahlkampfhelfer einstellen – wahrscheinlich mit Zwei – Jahres – Verträgen. Das wäre eine politische Frechheit 1. Klasse.
 
Bei diesem Haushalt ist die Frage erlaubt, was alles wieder nicht angepackt wurde: eine nachhaltige Personalpolitik, die absichert, dass junge Leute bei den Lehrern und der Polizei "nachwachsen", wenn in den nächsten Jahre die Ruhestandswelle kommt; systematisches und bedachtes Aufarbeiten der politischen Fehlentwicklungen bei Lehrern und Schulhausbau; der Umbau der sächsischen Wirtschaft hinzu mehr Energie – und Ressourcensparsamkeit, Umweltverträglichkeit und innovativen Produkten und Branchen wie z.B. der Kultur- und Kreativwirtschaft, deren Bruttowertschöpfung in Deutschland inzwischen an die der Automobilindustrie heran reicht.
 
Die Regierung hat sich entschieden, ihre Machenschaften im Haushalt etwas geschickter zu verstecken, aber nicht an ihrer Praxis zu ändern. Die Chance, die berechtigte Kritik des Landesrechnungshofes umzusetzen hat sie bewusst ignoriert. Es gibt keine eine vernünftige Transparenz in den Landesfinanzen, auch wenn Veränderungen vorgenommen wurden. Man könnte das mit einem Computerspiel vergleichen, in dem man nach dem erfolgreichen Bewältigen eines Levels auf das nächst schwierigere gehievt wird. Aber ein Landeshaushalt ist kein Geschicklichkeitsspiel, sondern eine ernste Sache: die Zahlen gegossene Politik unseres Landes.
 
Strukturell wird nichts eingespart, aber absolute "Minibeträge" von einigen Tausend Euro, die nicht einmal 0,0025 Prozent des Gesamthaushaltes ausmachen, für ein Projekt im grenznahen Bereich gegen Menschenhandel werden gestrichen, eine nicht etatreife millionenschwere Imagekampagne der Staatskanzlei hingegen kommentarlos durchgewinkt. Als ob nach der schlechten Politik eines Johannes Beermann im Namen eines nie stattfindenden, aber dauerlächelnden MPs Tillich durch eine Imagekampagne etwas zu retten sei. Sachsen muss doch nicht an seinem Image arbeiten, weil es wenige Tausend Euro gegen Frauenhandel an der tschechischen Grenze ausgibt, sondern weil diese Regierung einfach bundesweit einen hinterwäldlerischen Eindruck hinterlässt, zu wenig gegen die Fremdenfeindlichkeit im Lande unternimmt und wirtschaftspolitisch im 20. Jahrhundert und seinen ökonomischen Irrtümern hängen geblieben ist. Und dann auch noch bei den Finanzen allerdings die Freiheit von neuen Schulden bundesweit mit dicker Lippe triumphierend, fast hämisch vorträgt. Das ist eine politische Leistung, aber die verdankt Sachsen klar und eindeutig einem Mann: Georg Milbradt. Und Herr Tillich zehrt sie auf. Die Glaubwürdigkeit seines Finanzministers Unland ist sowieso dahin, niemand wird ihn mehr ernst nehmen nach seiner unnötigen Spardoktrin und seiner Unfähigkeit, diesen vermurksten Haushalt für 2013/2014 zu stoppen. In guten Zeiten geht ein guter Finanzminister nicht an die Rücklagen, sondern stockt sie im Zweifel sogar noch auf. Aber da er in den schlechten auf ihnen hockte wie eine Glucke, sind sie nun so hoch, dass er sie nicht in der Öffentlichkeit nennen kann, ohne schamrot anzulaufen.
 
Also wird die falschen Politik von vor zwei Jahren durch falsche Politik für die nächsten zwei Jahre fortgesetzt: die FDP kriegt "Geschenke" für den Wahlkampf, denn wer nichts aus der Regierungszeit vorzuweisen hat, muss im Wahlkampf ja dann behaupten, beim nächsten Male würden sie dann schon "liefern". Mangels politischer Persönlichkeiten muss Kamelle verpackt werden: also wird ein "Nationalmuseum" mit viel Propaganda angekündigt, das keiner in Sachsen wirklich braucht, aber vielleicht mehr als man denkt vielleicht akzeptieren würden, wenn die sächsische FDP das erste Exponat in diesem Museum wäre.
 
Aus den vergangenen Jahren haben die beiden Koalitionsfraktionen nichts gelernt. Die Vorsitzenden der beiden Regierungsfraktionen CDU und FDP, Herr Flath und Herr Zastrow, dokumentierten den Reputationsverlust des Finanzministers ja sehr deutlich, als Sie nach der Klausur ihrer Fraktionen in die Kameras grinsten und ohne Schamesröte im Gesicht verkündeten, der Finanzminister müsse die Ausgabenwünsche finanzieren, sie hätten dazu keine Vorschläge. Das hat mit dem Budgetrecht des Parlamentes wenig zu tun, sondern ist schlichtweg eine Frechheit.
 
Das Budgetrecht bedeutet natürlich auch die Pflicht, für eine solide Finanzierung der politisch gewünschten Ausgaben zu sorgen. Nun ist das Ergebnis, dass alle Ausgabenerhöhungen durch eine Absenkung der Zinsausgaben abgedeckt werden sollen. Für das Jahr 2013 kann man die Entwicklung ja inzwischen auch klarer absehen. Aber für das Jahr 2014 ist das schon wieder unseriös. geht es schief, muss der Finanzminister eine Haushaltssperre verhängen, was im Jahr der Landtagswahl unwahrscheinlich ist. Also wird er – in die Rücklage greifen und die Haushaltssperre erst nach der Landtagswahl ausbringen. Es ist eine Schande! In diesen unsicheren Zeiten sind Doppelhaushalte nicht seriös zu machen. Es wäre klüger, zu Jahreshaushalten zurück zu kehren. Die festen Einnahmen durch den Aufbau Ost gehen zurück. Die Abhängigkeit von Steuereinnahmen wächst in großen Schritten. Die Planbarkeit nimmt in schnellen Schritten ab.
Bei diesem Doppelhaushalt wird es dazu kommen, dass 2014 die Regierung ziemlich freie Hand beim Geld ausgeben hat. Wahrscheinlich haben dann die Abgeordneten der CDU nur noch ihre Wahlkreise im Kopf und deshalb ist Ihnen ihr Budgetrecht piep-egal, solange die Regierung einen Weg findet, die gemachten Versprechen bis zum Wahltag optisch aufrecht zu erhalten.
 
Nachdem nun klar geworden ist, dass Sachsen für die nächsten Jahre mehr für Personal in den Kitas und Schulen ausgeben muss, stellt sich die Frage, wie das dauerhaft finanziert werden soll. Kita und Schule sind aber ausgesprochene Landesaufgaben (Kultushoheit). Hier muss Sachsen auch nach eigenen Landeseinnahmen suchen, um diese Gehälter und laufenden Kosten dauerhaft und verlässlich finanzieren zu können. Sachsen ist aber neben Bayern das letzte Land in Deutschland, dass die Grunderwerbssteuer bei 3,5 Prozent hält. Die anderen 14 Bundesländer liegen bei 5 Prozent, auch bei den Geberländern Baden – Württemberg und Hessen, die durch den Länderfinanzausgleich Sachsen mitfinanzieren. Man kann doch nicht auf Bundesebene eine dicke Lippe riskieren, wie sparsam und vorbildlich man sei, solche Steuermöglichkeiten aber nicht nutzen.
 
Nun haben Sie, Herr Ministerpräsident, nach Ihrer eigenen Aussage vorhin, die "Einnahmen fest im Blick" – und sprechen vom Länderfinanzausgleich. Im eigenen Lande nicht die eigenen Potentiale abschöpfen (Grunderwerbssteuer, Förder- und Feldesabgabe…), aber frech die Hand aufhalten, sie sollen weiter bezahlen, weil wir in der Tat eine unterproportionale eigene Finanzkraft haben. Ihnen dann gleichzeitig noch unter die Nase reiben, wie erfolgreich man mit deren Geld eigene neue Schulden vermeidet, ist Chuzpe. Wer Solidarität einfordert, muss sich selbst auch solidarisch verhalten. Es reicht nicht, dass gegebene Geld sparsam zu verwalten, man muss auch daran arbeiten, die eigenen Einnahmen zu erhöhen – und da scheitert schwarz – gelb in voller Herrlichkeit an sich selbst in Berlin und in Dresden.
 
Zitat Tillich: "Diese Koalition setzt auf die Kreativität, die Initiative und den Unternehmergeist der Sachsen! Der Haushalt soll ihnen dabei helfen, ihre eigenen Ideen umzusetzen." Beste Ausrede für Nichtstun im Amte, die ich bisher gehört habe. Hätten Sie auf Initiative der Bürger gesetzt, hätten Sie nicht vor zwei Jahren systematisch und mit ideologischem Eifer die selbst organisierten Strukturen im Jugend – und Sozialbereich zerschossen, sondern in ihrer Arbeit unterstützt. Sie würden nicht Geld, das die selbst organisierten Initiativen gegen Rechtsradikale dringend brauchen, von denen abziehen, um über Umwegen nicht gehaltene Versprechen wie die Feuerwehrprämie abzuliefern.
 
Sie suggerieren, es sei Freiheit, wenn sie als Regierung und Staat versagen. Und sie beschränken Freiheit dort, wo die Bürger sie sich nehmen und das machen, was sie für richtig halten, z.B. im Kampf gegen die Rechtsradikalen.
Diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben sich in den letzten Jahren zur "Formation Schildkröte" zusammen geschlossen. Was zu Zeiten Caesars noch eine auch erfolgreiche militärische Schlachtformation im Feindesland war, ist heute ein historisches Ungetüm. Erstens sollte sich eine Regierung nicht im eigenen Land und bei der eigenen Bevölkerung wie auf einem Kriegszug im Feindesland führen. Zweitens ist diese Formation zwar nach allen Seiten hin geschlossen, aber sie ist sehr langsam und schwerfällig. Sie ist keine Formation einer vernünftigen Vorwärtsbewegung. Und drittens leben wir im 21. Jahrhundert, in der die Bürgergesellschaft zivilisatorischer Standard ist und nicht quasi – militärische Herrschaftsphalanxen.

» Alle GRÜNEN Reden finden Sie hier…