Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte „Steuermehreinahmen sinnvoll nutzen“
Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte „Kommunen und Gemeinwohl stärken – Steuermehreinnahmen sinnvoll nutzen“ in der 24. Sitzung des Sächsischen Landtages, 04.11., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Kommen wir noch einmal zurück auf die Steuerschätzung, die heute stattfindet. Heute Nachmittag sind wir alle klüger. Inzwischen sind die Schätzungen schon bei fast 400 Millionen Euro für Sachsen. Mal sehen, was uns heute Nachmittag ins Haus steht. Wir werden es sehen.
Aber was wird denn nun mit diesem Steuerplus? Bekommen die Kommunen
vielleicht einen Schlag extra? Das ist die Frage, die die SPD hier aufgeworfen hat. Die Kommunen werden sowieso beteiligt werden — das ist ganz normal —‚ durch den Mechanismus im kommunalen Finanzausgleich auf der einen Seite, und wahrscheinlich wird hier und da auch einmal eine Gewerbesteuereinnahme steigen. Das ist zunächst einmal klar.
Aber unabhängig davon kann man natürlich darüber sprechen, wie im Freistaat Sachsen mit den Kommunen umgegangen wird. Grundlagen sind das Haushaltsgesetz und das Siebente Gesetz zur Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs, und dort § 23, der Kommunale Vorsorgefonds. Dort sollen fast 200 Millionen Euro für 2011 und 2012 herausgenommen werden — das ist bis jetzt die Vereinbarung — und in die Gesamtschlüsselmasse fließen, um die Zuweisungen zu stabilisieren.
Das kann man so machen. Aber in § 11 des Haushaltsgesetzentwurfs, den wir jetzt im Parlament behandeln, steht, dass die Rücklage nicht aufgelöst werden muss. Sie kann auch für Investitionen im Staatshaushalt eingesetzt werden. Das ist das, was die Kommunen immer befürchtet haben. Wir werden uns die Details genau anschauen müssen, um festzustellen, was das bedeutet.
Es kann doch nicht sein, dass Geld, das für die Kommunen zurückgelegt wird, vom Staatshaushalt aufgefressen wird. Also ist die Frage, ob daraus zum Beispiel der Schulhausbau außerhalb des KFAG finanziert werden soll. Dann gucken wir uns das einmal genau an. Wir werden im Ausschuss klären müssen, was damit gemeint ist, und das Haushaltsverfahren liegt in den Händen des Parlaments.
Aber wir haben ja — für die, die es nicht wissen — ungefähr 2,5 Milliarden Euro, die über den Kommunalen Finanzausgleich an die Kommunen gehen werden, und ungefähr 2,5 Milliarden Euro, die eigentlich über die Ministerien in verschiedenen Programmen an die Kommunen gehen. Da ist es schon interessant zu erfahren, wie es da weitergehen soll; denn ein Großteil der Einsparungen, die im Entwurf enthalten sind, betrifft genau diese Ausgaben der Ministerien an die Kommunen in den einzelnen Programmen.
Wir haben gestern hier eine Demonstration erlebt. Dabei ging es auch um so eine Auswirkung, nämlich um die Frage, was auf kommunaler Ebene im Bereich Jugend- und Sozialarbeit gefördert wird. Die Schlüsselmasse muss ja neu angepasst und festgelegt werden.
Ich rechne also mit einer Ergänzungsvorlage des SMF für unsere Beratungen. Wir werden im KFAG die Summen anpassen müssen. Aber, wie gesagt, der Haushalt ist in den Händen des Parlaments, und die Entscheidungen werden hier getroffen und nicht später, im nächsten oder übernächsten Jahr in den Ministerien und am Kabinettstisch. Man muss sich genau überlegen, was man da machen will.
Wir hatten im Haushalts- und Finanzausschuss eine Anhörung zu diesem Thema. Wenn man da guckt, was den Kommunen da wirklich auf den Nägeln brennt — die waren ja sehr präzise —‚ kann man dass Punkt für Punkt abhandeln.
Zum Ersten haben die Kommunen gesagt, dass die Kosten der Unterkunft arg drücken und dass sie sich wünschen würden, dass sich der Bund stärker beteiligt. Das ist ein Handlungsauftrag an Sie, Herr Ministerpräsident, dass sich Sachsen in Berlin engagiert und dafür sorgt, dass das bessergestellt wird.
Das Nächste ist die Frage der Wohngeldentlastung. Hier hat Landrat Scheurer für den Landkreistag vorgetragen, dass man sich wieder an den Berechnungen aus dem Jahr 2005 orientieren sollte. Auch das würde einen Gang nach Berlin bedeuten, wo Sie als Land, als Treuhänder der Kommunen und deren Arbeits- und Politikfähigkeit aufgefordert sind, sich beim Bund dafür einzusetzen, die Mehrbelastungen der Kommunen, die durch die Wohngeldnovelle ausgelöst wurden, der Sie als Freistaat Sachsen zugestimmt haben, wieder zurückzunehmen und den Kommunen das Leben zu erleichtern.
Die Kommunen brauchen Zeit, um den Kürzungsprozess vorzubereiten, den man natürlich im Laufe der Jahre anpeilen muss, wenn man weiß, dass man weniger Einnahmen haben wird, und zwar berechenbar weniger aufgrund der geringeren Mittel aus Berlin und aus Brüssel. Das haben Sie sich bei diesem Entwurf nicht gegönnt, sondern Sie machen „Aus die Maus“.
Man könnte das natürlich auch anders gestalten. Jetzt gibt es von der CDU aus Leipzig den Antrag, das kostenfreie Vorschuljahr ein bisschen länger zu erhalten. Sie können sich ja mit Ihren Parteigenossen noch einmal darüber unterhalten.
Dann gibt es den Vorschlag, den öffentlichen Personennahverkehr zu stabilisieren, indem man die Bundesmittel 1:1 weiterreicht. Dafür brauchen wir nicht eine einzige Puseratze aus den Steuermehreinnahmen. Das geht ganz allein dadurch, dass Sie das Geld ordentlich weiterreichen und nicht als Schwamm auf Landesebene das Geld aufsaugen, das den Kommunen gehört.
Das Nächste ist die Frage Kulturraumgesetz. Dort gibt es jetzt schon leichte Veränderungen, aber es wäre doch ganz einfach, ein paar Steuermehreinnahmen dafür zu verwenden, dass die Kommunen zwei Jahr Zeit haben, im Rahmen des Kulturraumgesetzes die Frage der Zukunft der Landesbühnen ordentlich und vernünftig zu klären. Es besteht überhaupt keine Not, diesen Stress bei so vielen Menschen auszulösen, die sich darum bemühen, dass Sachsen ein Kulturland bleibt.
Dasselbe gilt für die Jugend- und Sozialarbeit. Die gestrige Demonstration draußen würde ich an Ihrer Stelle nicht unterschätzen. Das waren über 10 000 Leute. Da bahnt sich etwas an. Sie können das natürlich ignorieren, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie da fest im Sattel sitzen. Das ist Ihre Sache. Das hatten wir alles schon einmal, das kennen wir alles noch, aber egal. Ich finde, man muss darüber nachdenken, wie man damit verfährt.
Eines ist klar: Augenmaß werden wir brauchen. Denn ob es mit den guten
Steuereinnahmen so weitergeht, ist mehr als offen. Das hat etwas mit Situationen und Bedingungen zu tun, die weit jenseits der Handlungs- und Entscheidungskompetenzen unseres Freistaates liegen.