Antje Hermenau zur Mövenpick-Steuer: „Ehe wir anfangen, für die Industrie zu rauchen, schlage ich vor, dass Sie die Hotelvergünstigung wieder einkassieren“
Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zum GRÜNEN-Antrag „Ermäßigten Umsatzsteuersatz für Beherbergungsleistungen rückgängig machen – Kinder gezielt fördern“ in der 23. Sitzung des Sächsischen Landtages, 03.11., TOP 10
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Trotz der späten Stunde noch dieser Antrag von unserer Fraktion. Sie erinnern sich bestimmt, wenige Tage vor Weihnachten, am 18.12.2009 hat man noch im Bundesrat das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen. Darunter war auch 1 Milliarde Euro Steuererleichterung für das Hotelgewerbe. Dies ist bekannt geworden als die Mövenpick-Steuer.
Das hat einen ernsten Hintergrund. Der Freistaat Sachsen hat in diesem Jahr 2010 22 Millionen Euro weniger Einnahmen aus genau diesem Grund. Wenn ich mir ansehe, dass wir im März 2010 hier diskutiert haben, ob und wie viel man im Etat von Frau Clauß im laufenden Haushalt 2010 herauskürzt — die Rede war dann von summa summarum 25 Millionen Euro —, liegt da schon alles sehr verdächtig beieinander.
Mir hätte sehr daran gelegen, dass man nicht hätte zu solchen Maßnahmen vom Finanzministerium greifen müssen, um die Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich im laufenden Haushalt im März 2010 vorzunehmen. Das hätten Sie nicht machen müssen, wenn Sie auf diese unsinnige Steuervergünstigung verzichtet hätten.
Nun liegt seit September 2010, also wenigen Wochen, ein Gutachten der
Universität Saarbrücken und anderer Unis, die mitgearbeitet haben, wie
Erlangen/Nürnberg, Mainz, Köln und Zürich, vor, welches für das
Bundesfinanzministerium erstellt worden ist. Dort liest sich auf Seite 13 Folgendes: „Im Ergebnis sollte die erst seit 2010 geltende Steuerermäßigung für Hoteliers umgehend beseitigt werden. Eine Rechtfertigung ist nicht ansatzweise ersichtlich.“ Ich begründe auch gern kurz aus dem Text des Gutachtens.
Erstens ist diese Maßnahme nicht geeignet, um im internationalen Wettbewerb wirklich zu bestehen, was als Ziel angegeben worden ist. Es wäre klüger, Investitionen in die Infrastruktur vorzunehmen, zum Beispiel im grenznahen Bereich. Es wäre auch klüger, das Steueraufkommen zu stabilisieren und lieber die Lohnnebenkosten abzusenken, als die Arbeitsplätze einer einzigen Branche zu subventionieren.
Zum Zweiten ordnet sich diese Steuervergünstigung nicht problemlos in bestehendes Steuerrecht ein. Es hat eine Menge Bürokratie erzeugt. Stellungnahmen mussten geschrieben werden, Verwaltungsanweisungen gegeben werden. Das Ganze ist sozusagen dadurch auch zu einem bürokratischen Problem geworden.
Drittens besteht kein legitimes, besonders wichtiges Förderungsziel. Das halte ich für einen wichtigen Punkt. Es gibt keinen erkennbaren Grund für eine besondere Förderung von Arbeitsplätzen im Hotelgewerbe. Man hat zwar auf die Schwarzarbeitsproblematik hingewiesen, aber dafür gibt es keine empirischen Belege.
Das ausgewiesene Ziel war, dass man der aktuellen europäischen Wettbewerbssituation etwas entgegensetzen wollte, aber der durchschnittliche Übernachtungsplatz kostet in Deutschland 88 Euro und liegt zum Beispiel deutlich unter dem Durchschnitt von Frankreich und anderen Nachbarländern. Es profitieren auch zahlreiche nicht grenznahe Hotels von dieser Steuersubventionierung. Das Ganze ist außerordentlich ungenau und eigentlich keine geeignete Maßnahme. Das wurde amtlich festgestellt.
Es gab schon mehrmals reumütige Anflüge von Selbsterkenntnis in den Reihen der FDP. Bei der CSU habe ich davon noch gar nichts gehört. Da ist die FDP schon weiter. Im Prinzip kann man auf diese Vergünstigung verzichten. Wir sollten als Sachsen nicht auf die 22 Millionen Euro pro Jahr verzichten, die als Verlust entstanden sind.
Unsere Fraktion schlägt vor, dass man diese 22 Millionen Euro, wenn man sie wieder einnehmen würde, indem man die Hotelbetten wieder mit 19 % besteuert, für die Absenkung des Betreuungsschlüssels und die frühkindliche Bildung an den Kitas einsetzt.
Wir glauben, dass man Kinder gezielt fördern muss. Man könnte auch darüber nachdenken, die Jugend- und Sozialkürzungen zurückzunehmen, Frau Clauß. Oder man schließt eine Lücke, da die Koalition seit gestern 17:00 Uhr streng auf der Fahndung nach jeweils 20 Millionen Euro in diesem Haushalt für das nächste und übernächste Jahr ist. Wer also 2011 und 2012 noch 20 Millionen Euro braucht und nicht hat, kann von mir einen heißen Tipp bekommen.
Nun zur FDP-Fraktion. Ich habe mir viel Häme verkniffen, die ich hätte bringen können. Ich habe es gelassen. Ich möchte Ihnen lieber die Chance zur tätigen Reue geben. Sie haben im Wahlkampf 2009 munter ein ums andere Plakat aufgehängt; „Steuer runter — Kitas bauen“. Jeder, der ein bisschen rechnen konnte, merkte, dass das ganz schwer überein zu bekommen sein wird. Unabhängig davon bieten wir Ihnen eine Hilfestellung an, wenigstens eines dieser Versprechen sinnvoll umzusetzen. Wir schlagen vor, Sie halten sich an die Kitas.
Ich habe noch einmal nachgelesen, was Ihre Vortänzer in Berlin zum Thema sagen.
Herr Lindner hat sehr deutlich gesagt, dass er eine weitgehende Reform der Mehrwertsteuer haben möchte. Dafür würde er wieder die Hotelsteuer auf 19 % hochsetzen, also ein Opfergang. Das heißt, er hat das Gutachten gelesen.
Herr Brüderle, der ja hier zu ganz neuen Weihen aufsteigen soll, falls es noch schlimmer kommt für Sie, hat gesagt, die Kommunen sollen einen größeren Anteil an der Mehrwertsteuer bekommen für die Abschaffung der Grundsteuer. Dann hätte sich natürlich nicht das Aufkommen der Mehrwertsteuer verringern sollen, wie Sie es gemacht haben. Er hat das Gutachten offensichtlich nicht gelesen.
Dann habe ich noch etwas anzubieten von Frau Homburger, die ich ja auch schon sehr lange kenne. Frau Homburger, Fraktionschefin der FDP im Bundestag, hat gesagt: „Steuererhöhungen für Otto-Normal-Verbraucher wird die FDP nicht zulassen“, und flugs ein paar Tage später die Tabaksteuer angehoben.
Nun könnte man sagen, der Raucher sei nicht Otto-Normal-Verbraucher. Das würde bestimmt eine abendfüllende Diskussion hier im Hause geben. Aber offensichtlich haben Sie ja kein Problem damit, irgendwo da, wo es opportun ist, Steuern zu erhöhen. Sie würden ja nur wieder zurückdrehen aufs alte Maß also die 19 %. Ehe wir anfangen, für die Industrie zu rauchen, schlage ich vor, dass Sie die Hotelvergünstigung wieder einkassieren und den Kindern eine faire Chance geben.