Antrag zur Gründerförderung – Lippold: Der AfD-Antrag ist nicht nur inhaltlich miserabel, er blendet auch die Mehrzahl sächsischer Gründerinnen und Gründer einfach mal aus
Redebeitrag des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der Fraktion AfD:
"Gründergeist in Sachsen stärken – Unternehmertum effektiv fördern", Drs 6/17988, 4. Juli TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Berichte zu fordern, war noch nie verkehrt. Man kann dabei manchmal sogar was lernen. Und so lassen Sie, meine Damen und Herren von der AfD – ich gehe davon aus der Abgeordnete Weigand – einer kleinen Anfrage aus dem Mai 2018 am 12.6. 2019 noch einen Antrag folgen, der zunächst nochmal nach denselben Zahlen fragt. Vielleicht in der Hoffnung, dass inzwischen nicht nur für die Jahre 2014 bis 2017 Zahlen für die Beantragung und Ausreichung von Technologiegründerstipendien vorlägen wie in der Antwort auf die kleine Anfrage, sondern auch für 2018. Nun gut – es liegt in Ihrem Ermessen, das diesmal nicht per Anfrage, sondern per Antrag nachzufragen und das Landtagsplenum damit zu befassen. Dann hätten Sie doch aber vielleicht auch eine Stellungnahme der Staatsregierung abwarten sollen, um dann aus den Zahlen hier was auch immer für Schlussfolgerungen zu ziehen.
Aber das ging nicht. Der Antrag vom 12.6. sollte ja dringend noch ins Plenum. Es ist Wahlkampf und die AfD kümmert sich um Geister. In diesem Fall um Gründergeister.
Unter 1 c) springen Sie vom Thema Technologiegründerstipendien zu den Gründerinitiativen an sächsischen Hochschulen. Möglicherweise hätten Sie an dieser Stelle sogar noch ein paar Fragen mehr stellen sollen, um sich zunächst hinreichendes Grundwissen über deren Finanzierung zu erarbeiten, damit Sie dann auch wissen wofür Sie in Punkt 2 dauerhafte Finanzierung fordern.
Ich kann hier zwar selbstverständlich nicht für die Staatsregierung sprechen und weiß nicht, wie Sie zu dieser Frage Stellung nehmen wird. Doch kann ich mir vorstellen, dass – solange die Höhe der für die nächste Strukturfondsperiode zur Verfügung stehenden Mittel noch gar nicht feststeht – es schlicht nicht möglich ist, Ihnen eine konkrete Antwort für die Zukunft zu geben. Außerdem benutzen Sie Jahresscheiben, die wohl einiges an Rechnerei auslösen dürften: der Staatshaushalt gilt für die Jahre 2019/2020. Die nächste EU-Strukturfondsperiode startet 2021 und endet 2027. Was Ihnen der Zeitraum 2018-2020 für einen Erkenntnisgewinn bringt, verstehen hoffentlich wenigstens Sie.
Bei Punkt 2 Ihres Antrages, meine Damen und Herren, beginnen all jene, die sich mit dem Thema Existenzgründung aus dem Hochschulbereich beschäftigt haben, wirklich zu staunen. Das beginnt damit, dass in der Realität die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen und die 4 Gründerinitiativen an sächsischen Hochschulen ganz verschiedene Paar Schuhe sind.
Zielvereinbarungen zum Thema Ausgründungen/Transfer gibt es mit fast allen Hochschulen. Wie diese umgesetzt werden, ist deren Ermessen – und so gibt es auch die verschiedensten Herangehensweisen, von der Transferstelle bis zur Professur. Die Erfüllung der Zielvereinbarungen ist Voraussetzung, dass die Hochschulen weiterhin das Geld in gleicher Höhe bekommen. Wir Grünen haben vorgeschlagen, daraus ein Anreizsystem zu machen, welches ‚Übererfüllung‘ entsprechend honoriert.
Die Gründerinitiativen SAXEED in Chemnitz, dresden|exists in Dresden, SMILE in Leipzig und die Gründerakademie an der Hochschule Zittau/Görlitz sind etwas anderes, anders finanziert und anders strukturiert. Die Gründungsförderung an sächsischen Hochschulen auf diese vier Projekte zu reduzieren, ignoriert schlicht die der Anstrengungen an anderen Hochschulstandorten. Dann auch noch eine bedingungslose Dauerfinanzierung ohne Leistungskriterien zu fordern passt nicht mit dem hoch kompetitiven Umfeld gerade von Gründungsinitiativen zusammen, wo es um Geschwindigkeit und Effizienz geht!
Aber Sie steigern sich noch in Ihrem Antrag.
In Ihrer Begründung zu Punkt 3 diskutieren Sie Anlaufkurven, Mittelausreichung, Meilensteinpläne etc. für das Technologiegründerstipendium. Im Antrag aber fordern Sie Überarbeitung der Förderrichtlinie für den Technologiegründerfonds. Das ist was völlig anderes.
Nehmen wir mal an, Sie meinen tatsächlich den Technologiegründerfonds:
- Der Förderzeitraum soll auf fünf Jahre verlängert werden. Schon heute hält der TGFS seine Beteiligungen meist über fünf Jahre, denn erst 2027 sind Exits geplant, z.B. durch Weiterverkauf. Die Forderung ist also überflüssig und nicht begründbar.
- Der Nachweis der Firmengründung soll erst nach 24 Monaten eingefordert werden. Das geht aber nicht, denn der TGFS kann sich nur an bereits gegründeten Unternehmen beteiligen. Also: kompletter Unsinn!
- Sachmittel für die Entwicklung von Pilotprodukten und Reisekosten in bestimmter Höhe auszuweisen ist unnötig. Zwar prüft der TGFS den Businessplan und behält die Firmenentwicklung im Auge. Welches Geld das Unternehmen aber für Reisekosten u.a. aufwendet ist Sache des Unternehmens und seiner Geschäftsführung. Das sind doch kein Drittmittelprojekte an der Hochschule, Herr Weigand, das sind reale, wagniskapitalfinanzierte Unternehmen. Da diskutiert man schon mal mit der Geschäftsführung über strategische Ausrichtung. Aber doch nicht über die Mittelverwendung von 5000 Euro Reisekosten.
- Die AfD möchte Meilensteine einführen, an die die Mittelausreichung geknüpft werden soll. Das ist beim TGFS seit eh und je selbstverständlich und braucht von der AfD nicht eingeführt werden. Die einzelnen Tranchen werden stets erst nach der Erfüllung von Meilensteinen freigegeben.
- Nachtragshaushalt? Den braucht es nicht, weil alle anderen Punkte unsinnig sind.
Den Technologiegründerfonds können Sie also nicht wirklich meinen. So lässt das krasse Auseinanderklaffen von Inhalt und Begründung zu Punkt 3 nur den Schluss zu, dass der Gründungs- und Wirtschaftsexperte der AfD zwar eigentlich über das Gründerstipendium reden wollte, doch Begriffe und Inhalte der verschiedenen Instrumente in der Gründungs- und Wachstumsfinanzierungslandschaft einfach nicht auseinander halten kann. Damit könnte man die Befassung beenden und das unter AfD Bullshit Bingo abheften.
Doch einen Hinweis gestatte ich mir noch:
Der AfD-Antrag ist nicht nur inhaltlich miserabel, er blendet auch die Mehrzahl sächsischer Gründerinnen und Gründer einfach mal aus. Es wird nämlich, auch und besonders im ländlichen Raum, vor allem im Dienstleistungsgewerbe (ca. zwei Drittel aller Gründungen) und im Handwerk gegründet. Das sind vielfach keine High-Tech-Startups, sondern Alltagsgeschäftsideen, die jedoch Arbeit und damit Lebensqualität im ländlichen Raum schaffen.
Und so ist es einfach nur noch ein schlechter Witz, dass Sie für ihre hohlen Sprüche im ländlichen Raum gewählt werden, die Existenzgründer und deren spezifische Interessen einfach ignorieren.
Ihr Antrag zum Gründergeist ist in Wahrheit Ausdruck einer Geisterdebatte und er richtet sich keinesfalls auf effektive Förderung des Unternehmertums, wie die Überschrift suggeriert.
Er richtet sich auf die Produktion einer kampagnenfähigen Überschrift kurz vor der Wahl.
Dahinter steht nichts. Absolut nichts. Insbesondere nichts, was Sachsen voranbringt. Im Gegenteil – wie schon gestern in der Windkraftdebatte ist Ihr Wirken vor Ort darauf gerichtet, die Probleme zuzuspitzen und dann weitere Empörung darüber zu schüren.
Denn je größer die Schwierigkeiten, desto größer das erhoffte Empörungspotenzial, dass Sie für Ihre Machtergreifungsfantasien zu heben gedenken. Auch dahinter kommt nichts. Insbesondere keinerlei Lösungskompetenz. Das ist in so hohem Maße zerstörerisch für das Gemeinwesen, dass man auch angesichts dieses Antrages nochmal wiederholen muss: auf keinen Fall, auf gar keinen Fall dürfen Sie auch nur in die Nähe von Macht kommen.
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