Atomkraft – Gerber: 11 Argumente gegen Kernenergie

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Daniel Gerber (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der AfD-Fraktion: „Kernenergie nicht verteufeln, sondern innovative, zukunftsfähige und nachhaltige Forschungs- und Entwicklungskonzepte fördern“ (Drs 7/3838)
44. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 09.02.2022, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

genauso wenig wie Coca Cola, Zigaretten und Alkohol gesund sind, ist Atomkraft oder fossiles Gas nachhaltig. Das ist und bleibt ein Etikettenschwindel, der Vertrauen in EU-Institutionen untergräbt und falsche Ansätze zur Bewältigung der Klimakrise setzt. Ich bin sehr froh, dass unser letzter Parteitag hier auch noch einmal klare Signale gesendet hat und unsere Bundesregierung auffordert, dem österreichischen Weg einer Klage zu folgen.

Ich kann nicht nachvollziehen, wie man wissenschaftliche Erkenntnisse in manchen Bereichen komplett ignorieren kann, wie man den menschengemachte Klimawandel leugnen kann. Zur Erinnerung: 195 Staaten der Welt haben das als Problem erkannt, aber bei Atomkraft kann gar keine Theorie wild genug sein, um sie hysterisch herbeizuschreien.

Ich möchte Ihnen gern ein paar Gegenargumente liefern:

1. Atomkraft ist nicht versicherbar

Es wurde jetzt von Finanzmathematikern erstmals errechnet, wie teuer eine Haftpflicht für Atomkraftwerke wäre. Die Wissenschaftler sind da auf die erstaunliche Summe von 72 Milliarden Euro gekommen. Und das jährlich.

2. Die Endlagerkosten explodieren

Der Abbau der AKWs und die Kosten der Endlagerung werden bis 2099 auf 170 Milliarden Euro geschätzt. Nur ein Bruchteil davon wird durch die Betreiber gedeckt werden. Letztlich zahlen sowohl bei einem GAU als auch in der Endlagerfrage vermutlich immer die steuerpflichtigen Personen.

3. Selbst Finanzexperten sind dagegen

Mit der Plattform für nachhaltige Finanzen der EU-Kommission kritisiert ein auf diese Frage spezialisiertes beratendes Gremium die Entscheidung stark. Ihrer Ansicht nach widerspreche der Entwurf sogar mehreren der sechs Umweltziele der Taxonomie – darunter der Gewässerschutz, die Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung von Umweltverschmutzung und dem Schutz der biologischen Vielfalt.

4. Atomkraft hilft nicht gegen die Klimakrise

Die Bauzeit von Atomkraftwerke übersteigt jede Planung. Die seit Jahren im Bau befindlichen Meiler in Frankreich und in Großbritannien sind längst über dem anvisierten Zeitplan und übersteigen die geplanten Kosten teilweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag. Für die Klimakrise muss jetzt gehandelt werden und nicht erst in 15 Jahren.

5. Atomkraft ist eine Gefahr für die Gesundheit

Im 5-Kilometer-Umkreis um deutsche Atomkraftwerke bekommen Kinder unter 5 Jahren laut einer Studie, die im Auftrag des Bundesamt für Strahlenschutz durchgeführt wurde, zu 60 Prozent häufiger Krebs als im bundesweiten Durchschnitt.

6. Es gibt kein Endlager

Auch über 80 Jahre nach Entdeckung der Kernspaltung ist noch nicht einmal klar, wie man den hoch radioaktiven Abfall lagern müsste, damit er nicht zur Gefahr für Mensch und Umwelt wird – geschweige denn wo.

7. Atomkraft ist nicht wirtschaftlich

Auch nach 70 Jahren im Betrieb hat die Atomkraft nicht geschafft, was die Erneuerbaren in 20 Jahren geschafft haben. Atomkraft hat mit 34 Cent pro Kilowattstunde die höchsten Stromgestehungskosten aller Energieträger und kann ohne staatliche Subventionen nicht existieren. So wurden in Deutschland bisher mehr als 203 Milliarden Euro an direkten und indirekten Subventionen an die Atombranche gezahlt.

8. Atomkraft gefährdet den Frieden

Bei den Forschungsfeldern zu Partitionierung und Transmutation ist der Betrieb von kerntechnischen Anlagen notwendig. Das führt dazu, dass Stoffe in abgetrennter Form vorliegen und daraus Atomwaffen hergestellt werden könnten. Damit steigt das Risiko, dass diese Stoffe gestohlen und für nicht-friedliche Zwecke missbraucht werden.

9. Uran ist ein fossiler Rohstoff

Uran ist ebenso wie Öl und Kohle ein fossiler Brennstoff. Die Vorräte sind begrenzt und nicht erneuerbar. In Deutschland ist die Atomindustrie auf Importe aus zum Teil instabilen Regionen der Erde angewiesen. Der weltweit größte Exporteur ist Kasachstan. Wie es dort um Demokratie und Menschenrechte bestellt ist und dass dort Aufstände niedergeschossen werden, haben wir leider vor gut einem Monat gesehen. Analysen des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags gehen im optimalsten Fall von hinreichend gesicherten Vorräte für 47 Jahre aus.

10. Atomkraft ist nahe am Blackout

Wir sind leider näher am Blackout, als wir denken – zumindest in Frankreich. Der Grund dafür ist die Atomkraft. Der französische Kraftwerkspark ist in vergangenen Monaten zu einem Drittel ausgefallen, was den Netzbetreiber dort zu der Aussage bewegt, dass „Industriebetriebe heruntergefahren werden müssen oder es in Privathaushalten stundenweise zu Stromausfällen kommen könne.”

11. Atomunternehmen wollen es auch nicht

Die drei letzten Betreiber von Atomkraftwerke, Eon, RWE und EnBW, haben kein Interesse mehr, dieses Geschäftsmodell weiter zu verfolgen. Das „Kapitel Kernenergie sei abgeschlossen”, „Die Nutzung der Kernenergie für die Stromproduktion hat sich damit in Deutschland erledigt.”

Wir werden den Antrag wieder ablehnen.