Automatisierte Beihilfebearbeitung – Lippmann: Sie haben die voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft offenbar komplett verschlafen

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Staatsregierung:
"Gesetz zur Einführung einer automatisierten Beihilfebearbeitung und zu statistischen Meldepflichten von Dienstunfalldaten", Drs 6/16531
92. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 23. Mai, TOP 23

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

gegen die Möglichkeit, einfache Beihilfeangelenheiten in Zukunft automatisiert zu entscheiden, ist grundsätzlich nichts einzuwenden.

Ich befürchte allerdings, dass wir in der Abrechnung der Behandlungskosten im Krankheitsfalle noch Lichtjahre von der automatisierten Entscheidung entfernt sind. Während es in Bayern neben Post, Fax und signierter E-Mail ein elektronisches Beihilfeportal und ab nächstem Jahr eine App gibt, mit der Beihilfeanträge eingereicht werden können, müssen diese in Sachsen ausgedruckt und zusammen mit den Rechnungen und Rezepten postalisch versandt werden.

Hinzu kommt, dass das Beihilferecht – so schreiben Sie es selbst in die Begründung des Gesetzes – in den letzten Jahren komplexer und prüfungsintensiver geworden ist. Ich befürchte, dass der Spielraum für automatisierte Entscheidungen hier gar nicht so groß ist, wie geglaubt. Leider gibt der Gesetzentwurf darüber keine Auskunft.

Die zweite Änderung dieses Gesetzes hat zum Ziel, die Beihilfebearbeitung vom Landesamt für Steuern und Finanzen weg, an eine andere Stelle auszulagern.

Wir lehnen eine solche Auftragsdatenverabeitung ab. Es ist ureigenste Aufgabe des Freistaates, die Beihilfeangelegenheiten seiner Beamtinnen und Beamten zu bearbeiten. Weil es sich um Gesundheitsdaten handelt, befinden wir uns in einem hochsensiblen Bereich des Datenschutzes, bei dem wohlüberlegt sein muss, ob man diese Daten an Dritte weitergibt.

Und wir lehnen eine solche Auftragsdatenverarbeitung auch deshalb ab, weil wir den Freistaat nicht aus der Verantwortung lassen wollen. Sie haben die – wie sie selbst in der Begründung phrasenhaft schreiben – voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft offenbar komplett verschlafen. Sie haben das Landesamt für Steuern und Finanzen (LSF) mit seiner Beihilfeverwaltung im Papierzeitalter gelassen und offenbar auch nicht genügen Personal für eine effektive Bearbeitung und Weiterentwicklung der Beihilfeverwaltung eingestellt.
Das LSF hat derzeit Bearbeitungszeiten, für die man sich öffentlich entschuldigt – die Beamtinnen und Beamten warten Monate auf die Erstattung ihrer Behandlungskosten. Die Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer bringt die Verwaltung offenbar an den Rande eines Kollaps.

Das einzige, was Ihnen zum Auslöffeln dieser selbst eingebrockten Suppe einfällt, ist, die Daten möglicherweise nach Bayern in ein gemeinsames Rechenzentrum zur Bearbeitung abzugeben?

Wenn Digitalisierung in Sachsen bedeutet, originäre Verwaltungstätigkeit an Dritte abzugeben, dann leisten Sie nicht den geringsten Beitrag für eine effiziente sächsische Verwaltung. Wir GRÜNEN fordern Sie dringend auf, endlich selbst die Weichen dafür zu stellen – stellen Sie Expertinnen und Experten ein, entwickeln Sie eigene Anwendungen. Wir lassen Sie nicht aus der Verantwortung für Ihre Verwaltung und lehnen diesen Vorschlag ab.
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