Beteiligungsgesetz – Meier: Räume schaffen, in denen Menschen einander zuhören, debattieren, reflektieren
Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNISGRÜNE: „Gesetz für die dialogische Beteiligung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz – SächsÖBeG)“ Drs 8/2889)
17. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Freitag, 27.06.2025, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir bringen heute ein Gesetz in den Landtag ein, dessen Kernthema uns als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz besonders am Herzen liegt – weil es an einem Kernpunkt unserer Demokratie ansetzt: dem Vertrauen der Menschen in politische Entscheidungen, und ihrer Möglichkeit, daran mitzuwirken.
Mit der Förderrichtlinie Bürgerbeteiligung haben wir in der vergangenen Legislatur erstmals ein konkretes Instrument geschaffen, mit dem Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen finanzielle Unterstützung für Beteiligungsformate beantragen konnten. Daraus sind zahlreiche Projekte hervorgegangen – darunter auch Bürgerräte, Beteiligungswerkstätten oder Jugendbeteiligungsprozesse.
Nun wollen wir mit dem „Sächsischen Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz“ eine gesetzliche Grundlage für die datenschutzkonforme Datenerhebung zur Durchführung von Bürgerräten in Sachsen schaffen. Für Beteiligungsformate also, die Räume schaffen, in denen Menschen einander zuhören, debattieren, reflektieren – und so Vertrauen zurückgewinnen können.
Wie der Soziologe Steffen Mau ja in seinem letzten Buch „Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt“ betont, liegt die Stärke von Bürgerräten gerade darin, dass sie politische Teilhabe der etablierten politischen Strukturen ermöglichen und das Gemeinsame vor das Trennende stellen.
Diese deliberativen Prozesse wollen wir verstetigen und auf eine rechtssichere und damit verlässliche Grundlage stellen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
denn Bürgerräte ermöglichen es, Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, Meinungen und Lebensrealitäten zusammenzubringen.
Sie schaffen geschützte, faire Bedingungen für Diskussionen und gesellschaftliche Repräsentanz – und geben politischen Entscheidungsprozessen Tiefe, Legitimität und Bodenhaftung. Nicht nur die Lautesten, nicht nur die Organisiertesten kommen zu Wort – sondern auch die, die sonst eher schweigen: junge Menschen, Alleinerziehende, Menschen in prekären Lebenslagen. Die nicht täglich Leserbriefe schreiben, aber sehr wohl eine Meinung haben. Und diese Perspektiven wollen wir gezielt einholen – mit Methoden, die auf Zufallsauswahl und Diversität setzen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wie funktioniert das konkret? Bei der dialogischen Öffentlichkeitsbeteiligung mit Zufallsauswahl durchlaufen die Behörden ein standardisiertes Verfahren – von der Entscheidung zur Durchführung über die Definition von Auswahlkriterien bis hin zur Einladung der Teilnehmenden.
Entscheidend dabei ist: Es entsteht ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung, der nicht auf Eigeninitiative beruht, sondern auf gerechter Auswahl. So wird sichergestellt, dass ganz unterschiedliche Perspektiven in den Dialog einfließen – auf Augenhöhe und im geschützten Rahmen.
Und die Erfahrungen zeigen: Wenn Menschen merken, dass ihre Stimme zählt, dann steigt die Bereitschaft, sich konstruktiv einzubringen – auch bei schwierigen Themen. Neben Sachsen haben auch Baden-Württemberg und Thüringen auf Landesebene positive Erfahrungen mit dialogischen Beteiligungsverfahren gesammelt.
Auch das Saarland und Nordrhein-Westfalen initiieren aktuell Bürgerräte. So beschloss der saarländische Landtag im Jahr 2023 die Einsetzung eines Bürgerrates zum Thema Klimaschutz.
In NRW beschloss der Landtag in diesem Jahr die Durchführung des ersten landesweiten Bürgerrates.
Vielen Dank!