Bundeswehr-Sondervermögen – Schubert: Für uns BÜNDNISGRÜNE ist Sicherheit im 21. Jahrhundert deutlich mehr als Militär

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „“Nein!“ aus Sachsen zur Aufrüstung: Einführung des 100-Milliarden Euro Bundeswehr-Sondervermögen mit Grundgesetzänderung ablehnen!“ (Drs 7/9929)
52. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 02.06.2022, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Sie von der Linksfraktion legen heute einen Prioritätenantrag vor, der die Staatsregierung auffordert, sich einerseits gegen das geplante „Sondervermögen Bundeswehr“ einzusetzen und sich andererseits einer LINKEN-Initiative für ein „Sondervermögen für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation“ anzuschließen.

Seit Beginn der Ampelkoalition wird uns gnadenlos vor Augen geführt, was 16 Jahre CDU-geführter Bundesregierungen hinterlassen haben und was man auf einmal übergeholfen bekommt. Die Investitionsversäumnisse, auf die Sie in Ihrem Antrag hinweisen, teilen wir durchaus. Allerdings ist Ihr Antrag nicht tauglich, einen lösungsorientierten oder pragmatischen Gegenvorschlag zu präsentieren.

Nach 16 Jahren, in denen die Ressortverantwortung für Verteidigung bei der Union lag, ist die Bundeswehr nicht gut aufgestellt. Trotzdem hat sie einen Auftrag – und es gibt eine Verantwortung, die Soldatinnen und Soldaten so auszustatten, damit sie ihrem Auftrag nachgehen und Sicherheit gewährleisten können. Und ja, die Art und Weise, wie das Ganze von Kanzler Scholz verkündet wurde, das Instrument eines Sondervermögens an sich und auch die Frage, was tatsächlich in sieben Jahren verausgabt werden kann: All das ist kritikwürdig, auch aus finanzpolitischer Sicht. Aber der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat klar gezeigt, wie es um unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit steht und dass die Bundeswehr eine zeitgemäße Aufgabenbestimmung, Strukturveränderungen und Ausstattung braucht.

Und das führt uns hart in die überfällige Debatte darüber, was Sicherheit in einer vernetzten Welt bedeutet. Sicherheit zeitgemäß zu definieren und somit mehr in den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger sowie Verbündeter zu investieren, so sehr diese Vorstellung schmerzen oder gar an Grundfesten rütteln mag, ist so sinnvoll wie notwendig. Für uns BÜNDNISGRÜNE waren und sind da vier Punkte relevant:

  1. vernetzte Sicherheit und Strukturen für die Cybersicherheit,
  2. Strukturen umzubauen, um kein Geld in dysfunktionalen Strukturen zu versenken
  3. Nicht zu Lasten anderer wichtiger Aufgabenbereiche: Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ geschaffen
  4. Ja zu Investitionen in die Bundeswehr, Nein zu einer starren Zwei-Prozent-Quote, darum steht die auch nicht im Grundgesetz

Und angesichts all dieser Punkte zeigt sich doch, dass das Ganze deutlich komplexer ist als das, was Sie mit ihrem verkürzenden Antrag suggerieren. Sie zeigen letztendlich damit, dass Sie als Linkspartei nicht in der Lage sind, sich mit komplexer Realität auseinandersetzen zu wollen – und Polemik vorziehen. Die Zeiten gebieten es, die vermeintlich moralische Überlegenheit zu verlassen und eine der Zeit angemessene Definition von Sicherheit zu diskutieren und damit verbunden, welche Aufgaben ein modernes Heer zu leisten hat.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist Sicherheit im 21. Jahrhundert deutlich mehr als Militär. Der gesamte Bereich der Cybersicherheit braucht dringend Personal und Ausstattung – es gibt konkrete Gefahren im Netz, von Identitätsdiebstahl bis hin zu Angriffen auf kritische IT-Infrastrukturen, denen wir schnell und effektiv begegnen müssen. Deshalb begrüßen wir, dass zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt für Strukturen der Cybersicherheit, aber auch für den Zivilschutz bereitgestellt werden. Auch in Sachsen beschäftigt sich die Koalition mit Zivil- und Bevölkerungsschutz und das ist genau richtig.

Dieses Sondervermögen wurde als Gesamtpaket verhandelt und ist ein Kompromiss. Es ist gut, dass die zentralen Ausgaben für Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr nun im Grundgesetz verankert werden und es ist auch gut, dass es die zwei Prozent eben nicht sind.

Neben den steigenden Ausgaben für Verteidigung ist es uns BÜNDNISGRÜNEN ein großes Anliegen und das haben wir auch genauso verankern können, friedensstiftende und -sichernde Ausgaben stets mitzudenken. Und genau darum sind die Haushaltsmittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe und internationale Zusammenarbeit deutlich gesteigert worden.

Als Haushaltspolitikerin ist für mich insbesondere die überfällige Reform des Beschaffungswesens, die zusammen mit dem Gesetz zum Sondervermögen auf den Weg gebracht wird, ein großer Fortschritt. Denn, und das möchte ich nochmal ganz deutlich betonen: Das Sondervermögen soll kein neues Geld in ineffiziente Strukturen pumpen oder gar in höhere Dividenden der deutschen Rüstungsindustrie fließen lassen. Deutschland vollzieht diesbezüglich einen Paradigmenwechsel und entbindet die Beschaffung. Wir brauchen einsatz- und funktionsfähiges Material sowie Transparenz, um nachverfolgen zu können, wie und wo die Gelder verwendet werden – sauber und effizient –, denn nur mit gründlichstem Controlling schaffen wir Sicherheit und bauen wieder Vertrauen auf.

Ich möchte abschließend noch auf den Vorschlag der Linken für ein „Sondervermögen für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation“ eingehen und meine harten Zweifel daran äußern, dass ein sächsischer Bundestagsabgeordneter der Linken, Genosse S. Pellmann, mit Ambitionen auf den Parteivorsitz, nach seinen jüngsten Äußerungen selber Gefallen daran findet. Das Öl-Embargo gegen Russland als Ost-West-Thema zu deklarieren und zu simplifizieren und in der Argumentation dem Autokraten Viktor Orbán zu folgen, macht mich doch sprachlos.

Was Sie fordern als Linke, hat die Ampelkoalition längst ins Werk gesetzt. Es ist vollkommen klar, dass in Zeiten multipler Krisen neben einer Stärkung der Bundeswehr auch ökologische Maßnahmen geschaffen und soziale Härten abgefedert werden müssen. Dafür ist bekanntermaßen das Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ geplant, das zum Beispiel der Erreichung der Klimaschutzziele nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz dient. Dem Energie- und Klimafonds werden 60 Milliarden Euro zusätzlich bereitgestellt.

Abschließend bleibt zu Ihrem Antrag festzuhalten: Vor dem Hintergrund, dass Sie das Sondervermögen mit Aufrüstung gleichsetzen, während das Ziel aber eine angemessene, d.h. zeitgemäße und funktionierende, Ausrüstung ist, sowie ein Klima- und Transformationsfonds längst in Arbeit ist, ist Ihr Antrag nicht nur obsolet. Er wird auch der Komplexität und der vernetzten Welt, in der wir leben, sowie unserer europäischen und internationalen Verantwortung nicht gerecht.

Daher wird meine Fraktion diesen Antrag ablehnen.