Claudia Maicher: Wissenschaftsstandort Sachsen – Wir brauchen Verbundforschung, nachhaltige Förderung und systemübergreifende Forschung

Rede der Abgeordneten Claudia Maicher zur Aktuellen Debatte "Neues Nationales Leistungszentrum Fraunhofer in Sachsen – Freistaat zum attraktiven Wissenschaftsstandort weiterentwickeln" (CDU/SPD)
17. Sitzung des Sächsischen Landtags, TOP 1

 Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Wir haben heute schon viel zum Wissenschaftsstandort gehört. Als Wissenschaftspolitikerin finde ich es natürlich richtig und wichtig, aber dennoch war ich erstaunt über die Aktuelle Debatte zu diesem Thema. Denn als Lückenfüller eignet es sich nicht.
Wollten Sie über das Nationale Leistungszentrum Fraunhofer sprechen, dann kommt die Aktuelle Debatte zu spät und gleichzeitig zu früh. Zu spät deshalb, weil am 17. Juni das Zentrum eröffnet worden ist, zu früh, weil wir noch gar nicht wissen, wie es in zwei Jahren weitergeht. Es befindet sich momentan in einer Pilotphase.
Oder wollten Sie generell über den Wissenschaftsstandort Sachsen sprechen, dann ist sicherlich der Titel zu einem nationalen Leistungszentrum etwas zu kurz gegriffen.
Deswegen gehe ich der Reihe nach vor: Nationales Leistungszentrum Fraunhofer Dresden. 18 Standorte — wir haben es schon gehört — hat die Fraunhofer Gesellschaft, die das Projekt initiiert hat. Drei davon in Sachsen. Sie sollen in einem Projektverbund zur Förderung von Profilregionen teilnehmen. Das Nationale Leistungszentrum Funktionsintegration mikro-/nanoelektronischer Systeme in Dresden ist das erste, das in dieser Pilotphase, vom Freistaat in zwei Jahren unterstützt, gefördert wird.
Wir begrüßen natürlich diese Unterstützung, die auf Initiative der Fraunhofer-Gesellschaft zurückgeht, weil es richtig ist, Zentren zu schaffen, die im Verbund forschen. Erfolgreiche Forschung macht eben nicht mehr an der Eingangstür einer Hochschule oder einer Forschungseinrichtung halt, der Verbund ist wichtig. Sie macht auch nicht halt an Landesgrenzen. Es ist erfreulich, dass dieser Gedanke langsam auch in der Politik greift, die immer sehr in Zuständigkeiten und Landesgrenzen denkt.
Verbundprojekte sind also wichtig. Deshalb stellt sich mir die Frage, warum der Standort Freiberg, der große Erfahrungen bei der Forschung im Halbleiterbereich, bei der Solarpanelforschung und in der Chipforschung hat, nicht einbezogen wurde.
Auch in Leipzig/Halle wurde vor fast einem Jahr unter Anwesenheit der Ministerpräsidenten aus Sachsen-Anhalt und Sachsen ein weiteres Leistungszentrum Chemie und Biosystemtechnik angekündigt. Herr Tillich hat die Unterstützung des Freistaates zugesichert. Im Falle des Zentrums in Leipzig findet sich im Doppelhaushalt 2015/2016 trotz der schönen Worte keine Anschubfinanzierung. Es werden mindestens zwei Jahre vergehen, bis dort ein Projekt angegangen werden kann. Oder ist es vielleicht gar nicht mehr gewollt, weil es jetzt das Nationale Leistungszentrum in Dresden gibt?
Vielleicht könnten Sie als Staatsregierung etwas Klarheit schaffen, wie und wann das länderübergreifende Verbundprojekt auf den Weg gebracht wird. Bevor wir zu viel feiern, sei gesagt: Auch das Nationale Leistungszentrum in Dresden ist, wie gesagt, nur ein Pilotprojekt. Es gibt eine Anschubfinanzierung. Diese läuft aber nur zwei Jahre, und danach wird auf das Bundesprogramm zur Förderung von Profilregionen verwiesen. Dieses Programm existiert aber noch gar nicht. Wann es kommt und wie es ausgestattet ist, wissen wir nicht.
Ich denke, wir müssen aufpassen, dass es uns dabei nicht so geht wie beim Translationszentrum für Regenerative Medizin in Leipzig. Dort sehe ich auch ganz klar die Landesregierung in Verantwortung.
Zum zweiten Punkt: Wissenschaftsstandort Sachsen fördern, weiterentwickeln. Auch das ist der Titel der Aktuellen Debatte. Es ist richtig, dass wir darauf eingehen. Dann geht es eben nicht nur um die gute Struktur von Fraunhofer, Max Planck, Helmholtz oder Leibniz, dann reden wir auch über die Forschung an unseren Hochschulen.
Es ist wichtig, dass es auch eine landesseitige Förderung der themenfreien Forschung gibt, aber genau hier hat sich die Landesregierung im Doppelhaushalt nicht mit Ruhm bekleckert. Die themenfreie Forschungsförderung wurde im letzten Doppelhaushalt von 11,8 Millionen Euro pro Jahr auf 5,6 Millionen Euro 2015 und 9,6 Millionen Euro 2016 gekürzt. Unserem Änderungsantrag, der dies geheilt hätte, haben Sie leider nicht zugestimmt.
Gute Wissenschaft braucht gute Arbeitsbedingungen. Darüber haben wir gestern ausgiebig gesprochen und ich denke, darin sind wir uns alle einig. Prekäre Arbeitsbedingungen verhindern Kreativität und Dynamik in der Wissenschaft, und das müssen wir ändern. In diesem Zusammenhang steht auch, dass der Freistaat in der Pflicht ist, seine Hochschulen finanziell ordentlich auszustatten.
Drittmittelprojekte sind gut und wichtig, aber wenn die solide Grundfinanzierung fehlt, ist die Qualität von Wissenschaft und Lehre in Gefahr. In Sachsen liegen wir immer noch unterdurchschnittlich zur Grundfinanzierung der anderen Länder.
Deshalb bleibt unsere Forderung bestehen, die wir auch in den Doppelhaushalt eingebracht haben: Die BAföG-Mittel in die Grundfinanzierung an die Hochschulen zu geben, ist immer noch der richtige Weg. Ich erneuere das hier, denn es war leider nicht möglich.
Als Fazit bleibt zu sagen: Ja, wir brauchen eine Verbundforschung. Wir brauchen eine nachhaltige Förderung, eine finanzielle Förderung, und wir brauchen eine systemübergreifende Forschung.