Corona – Sejdi: Von einer gelebten Solidarität profitieren die Schwächeren in unserer Gesellschaft am meisten

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zum Bericht der Staatsregierung zur Corona-Pandemie
36. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.09.2021, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte meinen Redebeitrag heute denjenigen widmen, denen es in den vergangenen Monaten nicht leicht fiel und deren Lebensumstände mit der Pandemie schwer waren und schwer sind:
Menschen, denen wir Barrierefreiheit zur Teilhabe an unserem gemeinsamen gesellschaftlichen Leben auch trotz Corona gewährleisten müssen. Menschen, die unsere ganz besondere Unterstützung beim Schutz vor Corona brauchen.

Im Bereich der barrierefreien Informationen hat sich einiges getan in den vergangenen Monaten. Wir BÜNDNISGRÜNE haben immer wieder darauf gedrungen und finden es wichtig, dass auf der Website der Staatsregierung die geltenden Regeln auch in einfacher Sprache, in Gebärdensprache und in mehrere Sprachen übersetzt zu finden sind.

Dennoch werden die Verordnungen von vielen als kompliziert wahrgenommen und es weiß leider auch nicht jeder Mensch, dass sie oder er sich auf der Website der Staatsregierung über die Verordnungen, das Virus und Impfungen informieren kann.

Deshalb ist es wichtig, das weiter daran gearbeitet wird, Informationen niedrigschwelliger zu machen: Ich denke hier zum Beispiel an Social-Media-Kampagnen; an Flyer für diejenigen, die kein Internet haben; an Plakate; an Anzeigen in kostenlosen Wochenzeitschriften und an vieles mehr, damit mehr Menschen die Informationen zu Corona bekommen und verstehen können.

Das Verstehen ist die Grundlage dafür, Regeln beachten zu können. Und wir müssen hier immer noch genau hinschauen und selbstkritisch prüfen, wo es eventuell noch Hürden gibt. Das sollte gezielt mit den Betroffenen selbst besprochen werden, zum Beispiel im Landesbehindertenbeirat oder mit den Migrant*innenorganisationen.

Wir haben in den vergangenen Monaten viel über ganz konkrete Punkte der Corona-Schutz-Verordnung diskutiert und immer wieder konkrete Anregungen in die politische Debatte eingebracht. Die Pandemie zeigt uns aber einmal mehr, dass wir auch die Personengruppen in den Blick nehmen sollten, die keine Krankenversicherung oder keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Das sind wohnungslose Menschen, Menschen ohne Aufenthaltstitel, Menschen, die als Arbeitsmigrant*innen unter unmenschlichen Bedingungen in Schlachthöfen oder an anderen Orten arbeiten. Auf diese Menschen müssen wir stärker achten, denn ihre Sicherheit ist auch unsere Sicherheit.

Wir haben während der Pandemie aber auch wichtige Erfahrungen gesammelt, die wir im Falle von ansteigenden Inzidenzen nutzen sollten.

Ein Beispiel sind die Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete, hier ist die Ansteckungsgefahr durch engeren Wohnraum und mehr Menschen oft höher. Pro Asyl und andere NGOs haben in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass die Pandemie die ohnehin belastenden Lebensumstände für viele Bewohner*innen zusätzlich verschlechtert. Wir müssen daher auch im Herbst die Komplettquarantäne für Einrichtungen weiterhin konsequent vermeiden, z.B. durch dezentrale Unterbringung und Herabsetzung der Belegzahlen.

Ein weiteres Beispiel sind die Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die Inklusionsbetriebe und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Wir brauchen hier weiterhin engmaschige Testmöglichkeiten und bei Risikogruppen einen niedrigschwelligen Zugang zur Drittimpfung, am besten mit mobilen Impfteams. Eine Schließung von Einrichtungen sollte die letzte Option sein, denn vielen Menschen mit Handicap gibt diese Beschäftigung die dringend notwendige Tagesstruktur.

Andere schützen bedeutet uns selbst schützen.

Deshalb kann es angesichts der niedrigen Impfquote in Sachsen nicht oft genug gesagt werden: Wer sich impfen lässt, schützt sich, aber auch andere Menschen – zum Beispiel diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können oder aufgrund einer Behinderung keine Maske tragen können. Hier sind zum Beispiel Gehörlose gemeint. Diesen Menschen gegenüber ist es absolut unsolidarisch, wenn man die Corona-Schutz-Maßnahmen bewusst missachtet, Desinformationen zum Impfen verbreitet oder den nachweislich wirksamen Schutz durch eine Maske als Maulkorb anprangert, wie es die AfD seit Monaten macht und auch dieses Mal wieder im Plenum tun wird. Von einer gelebten Solidarität in der Corona-Krise und einem umfassenden Gesundheitsschutz profitieren die Schwächeren in unserer Gesellschaft am meisten.