Corona-Sondersitzung – Schubert: Wir müssen an der Seite derer stehen, die sich solidarisch verhalten

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Sondersitzung des Sächsischen Landtages zur Feststellung der Anwendbarkeit des § 28a Absatz 1 bis 6 Infektionsschutzgesetz für den Freistaat Sachsen gemäß § 28a Absatz 8 Infektionsschutzgesetz (Drs 7/78285)
40. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Montag, 06.12.2021, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Lage im zweiten Winter der Corona-Pandemie ist sehr ernst. Sachsen ist weltweit eine der am stärksten betroffenen Regionen. Unser Ziel bleibt, die Infektionszahlen zu senken, um medizinische Versorgung zu ermöglichen, Menschenleben zu retten sowie Langzeitfolgen und Todesfälle zu minimieren. Die bundesweit weitreichendsten Regeln, die wir in Sachsen haben, sind deshalb gerechtfertigt. Wir müssen sie fortsetzen und, wenn notwendig, ausweiten können.

Mit dem vorliegenden Antrag der Staatsregierung wird der Sächsische Landtag zuerst aufgefordert, gemäß Infektionsschutzgesetz die konkrete Gefahr der epidemischen Ausbreitung von COVID-19 für den Freistaat Sachsen festzustellen. Die Fakten liegen klar auf der Hand: Die Inzidenzen sind in Sachsen bundesweit die höchsten. Die Impfquote dagegen ist die geringste und die Krankenhäuser arbeiten am Limit.

Im zweiten Schritt geht es darum, die Absätze 1 bis 6 des § 28a Infektionsschutzgesetz mit den darin genannten Maßnahmen für den Freistaat anwendbar zu machen.

Der Bund hat festgelegt, dass endlich die Parlamente in diese Entscheidungen einzubeziehen sind, die in Grundrechte eingreifen. Und das nach 19 Monaten Pandemie. Als BÜNDNISGRÜNE haben wir das bereits im März 2020 gefordert. Und dem neuen Infektionsschutzgesetz folgend, kommen wir heute zusammen, um zu ermöglichen, dass die Maßnahmen, die wir brauchen, um in Sachsen das Ganze unter Kontrolle zu bekommen, auch möglich bleiben.

Jetzt ist nicht die Zeit, zu lockern. Wir können nicht hinter die derzeit geltenden Regeln zurückfallen. Wir haben das auch gegenüber dem Bund klargemacht. Er hat sich mit den Ländern auf bundeseinheitliche Mindestregeln und notwendige Instrumente für Hochinzidenzländer geeinigt.

Als BÜNDNISGRÜNE haben wir uns für die Maßnahmen zwei Leitlinien gegeben. Zum einen wollen wir Kinder und Jugendliche entlasten, um sie nicht erneut zu Verlierern dieser Pandemie zu machen. Darauf wird meine Kollegin Kathleen Kuhfuß in der zweiten Rederunde eingehen. Zum anderen unterscheiden wir zwischen Geimpften und Ungeimpften. Wir haben als Politik das Versprechen gegeben, dass mit Impfungen mehr möglich sein wird – man sieht auch an den Inzidenzen und Verläufen, dass es angezeigt ist, diese Unterscheidung zu treffen. Das setzen wir mit der 2G-Regelung um, wobei für uns auch eine Erweiterung auf 2Gplus verhältnismäßig ist.

Darüber hinaus, und das möchte ich besonders betonen, handeln wir nicht im luftleeren Raum, sondern auf der Grundlage faktischer Daten. Die Maßnahmen orientieren sich an Inzidenzen und dort, wo sie besonders hoch sind, müssen auch strengere Regeln gelten. Es ist nur logisch, dass aufgrund der hohen Infektionszahlen in Sachsen und speziell in einigen Landkreisen genau dort verschärfte Maßnahmen gelten.

Es sind Tatsachen, die wir hier in Sachsen erleben. Und in mir steigt zunehmend die Wut darüber, dass diese Tatsachen, die auch den Tod vieler Menschen beinhalten, geleugnet werden. Das ist eine gefährliche Realitätsflucht, die ihre Bestätigung in alternativen Faktenwelten und anheizenden Chatgruppen findet. Hannah Arendt drückte es einmal so aus: „der wohl hervorstechendste und erschreckendste Aspekt der [deutschen] Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“ Und es ist auch umgedreht gefährlich – wenn Meinungen zu Tatsachen gemacht werden.

Meine Geduld ist zu Ende. Meine politische Grundhaltung ist davon geprägt, dass ich dialogbereit bin und für mich verschiedene Perspektiven zu einer Demokratie dazu gehören. Um diese auszutauschen, braucht es jedoch Dialogwilligkeit. Und die erkenne ich beim besten Willen nicht mehr bei einem Großteil der Coronaleugner. Seit Monaten wüten jetzt in Sachsen Coronaleugner mit einer Vehemenz, die wir in keinem anderen Bundesland so deutlich sehen. Sie diffamieren Wissenschaft und zeigen sich aufs Äußerste unsolidarisch mit all jenen, die sich an Regeln halten und diese Einschränkungen mittragen.

Der absurde Freiheitsbegriff von den sich hart radikalisierenden Coronaleugnern ist gefährlich. Es ging doch einem großen Teil dieser Truppenteile überhaupt nie um sachliche und legitime Kritik an politischem Handeln. Hier wird Hass verbreitet wie ein Lauffeuer. In was für Zeiten sind wir angekommen? Es sind Zeiten, wo ein Mob mit Fackeln in den Privatbereich von Regierungsmitgliedern eindringt. Das sind Methoden, welche die Nationalsozialisten zur Einschüchterung von politisch Andersdenkenden verwendet haben. Aus den kruden Vorstellungen erwachsen schlussendlich Taten: Impf- und Testzentren wurden bereits angegriffen, im Gesundheitswesen tätige Menschen werden beleidigt, als Mörder beschimpft und es wird zur Veröffentlichung von Privatadressen von Regierungsmitgliedern aufgerufen. Das ist Terror.

Ich sage das in aller Deutlichkeit: Das sind Grenzüberschreitungen, die wir in einer Demokratie nicht dulden dürfen. Hier geht es nur noch um das Auslassen von radikalem Hass, Wut und Gewalt, um eine Gemengelage, die sich den Systemsturz herbei skandiert. Diese Art von gesellschaftlicher Brandstiftung braucht eine klare Erwiderung: einen Staat, der Jene schützt, die es brauchen und sich solidarisch verhalten; anstatt Jene zu schonen, die gegen Regeln verstoßen. Regeln nützen nichts, wenn sie nicht konsequent kontrolliert und durchgesetzt werden. Dabei gibt es in Sachsen Probleme. Vor den Personen, die unseren Rechtsstaat angreifen, die Grenzen überschreiten und auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, dürfen wir nicht kapitulieren. Das erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger von uns, die sich regelkonform verhalten, sich selbst einschränken und ihren Beitrag leisten. Wir solidarisieren uns als BÜNDNISGRÜNE mit den Menschen, die bedroht werden, und erwarten, dass das Innenministerium konsequent gegen radikale Demokratiefeinde vorgeht.

Wir müssen bei den Menschen bleiben, die sich solidarisch verhalten, und klar an ihrer Seite stehen. Wir wollen und dürfen diese Menschen nicht verlieren – und darum ist es an der Zeit, sich nicht tyrannisieren zu lassen von einer lauten, radikalen, gewaltbereiten Gruppe. Sie bilden nicht die Mehrheit der Gesellschaft ab. Wir stehen zusammen und wir werden das auch gemeinsam schaffen.