Datum: 03. Juni 2025

Datenschutz & Überwachung – Lippmann: Mehr Befugnisse bringen kein besser geschultes Personal

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Unterrichtung durch die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte: „Tätigkeitsbericht Datenschutz. Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2023“ (Drs 8/288)

13. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.05.2025, TOP 14

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

manche regelmäßigen Berichte zeichnen sich ja dadurch aus, dass man sich stark ein „Jährlich grüßt das Murmeltier“ erinnert fühlt.

Für den Tätigkeitsbericht der Datenschutzbeauftragten reicht aber ein ritualisiertes Abspulen der immer gleichen Floskeln indes nicht. In wohl kaum einem anderen Bereich zeichnet sich die Geschwindigkeit der globalen Entwicklungen so deutlich ab wie im Datenschutz. Neue technische Möglichkeiten stoßen auf das individuelle Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Und mit jeder Weiterentwicklung gilt es, das fragile Gleichgewicht neu auszuloten.

Das hat besonders deutlich auch jene Revolution gezeigt, die die Welt in Aufruhr versetzte: Künstliche Intelligenz, insbesondere Chat GPT, Programme, die für alle Menschen leicht zugänglich und nutzbar sind.

Nun wissen wir alle, dass die Maschine nicht unbedingt weniger fehlbar ist als ihre Entwickler*innen. Und das auch bei ihrer Nutzung viele Mengen an Daten verarbeitet werden, bei denen nicht immer klar ist, woher sie stammen und ob in ihre Nutzung überhaupt eingewilligt wurde. Und doch bedeutet die manchmal überwältigende Geschwindigkeit dieser Neuerungen nicht, dass Recht und Politik immer nur reagieren können. Vor allem der KI-Act auf europäischer Ebene zeigt, dass es auf supranationaler, nationaler und Länderebene die Möglichkeit gibt, diese Transformation mit zu gestalten.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
der Einsatz neuer Technologien auch in Staat und Verwaltung ist grundsätzlich ein richtiger Weg. Ich bin der Meinung, dass sie sinnvoll und datensparsam eingesetzt einen erheblichen Effizienzgewinn bergen können.

Aber gerade der Datenschutzbericht zeigt auch, warum eine gehörige Portion Skepsis immer dann angebracht ist, wenn staatliche Institutionen personenbezogene Daten erheben und verarbeiten.

Damit bin ich übrigens nicht allein. Das zeigt nicht zuletzt das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs zum 2019 durch CDU und SPD reformierten Polizeirecht. Wenngleich leider gerade die spannende Frage der Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes technischer Mittel zur Verhütung schwerer grenzüberschreitender Kriminalität nach § 59 nicht mehr Teil des Verfahrens war. Die Norm ist zum 31. Dezember 2023 außer Kraft getreten.

Wie wichtig die verfassungsgerichtlich praktizierte Abwägung zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Effektivität gefahrenabwehrrechtlichen Handelns ist, haben uns die letzten sechs Monate deutlich vor Augen geführt.

Wir erleben gerade in den USA, wie schnell auch in einer der ältesten Demokratien der Welt, die Daten, die der Staat zu Bekämpfung seiner Feinde sammelt, schnell in die Hand derer gelangen, die den Feind im politischen Gegner sehen.

Gerade deshalb braucht es eine große Sensibilität und eben keine permanente Apostrophierung des antiliberalen Glaubenssatzes „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“

Es hat daher etwas Beruhigendes, wenn der regelmäßige Bericht insgesamt eine hohe Sensibilität der Behörden für Datenschutzbelange aufweist – so wie der hier. Das bedeutet nicht, dass alles super läuft. Ich würde mir sehr wünschen, dass allen Polizisten im Freistaat ein für alle Mal klar ist, dass Handynummern von Zeug*innen nicht für private Flirtversuche gedacht sind. Und auch die Frage der Löschung von Daten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Tag X in Leipzig, bedarf einer ständigen Kontrolle durch Parlament und Betroffene.

Nichtsdestotrotz gibt es eine große Bereitschaft der staatlichen Institutionen, sich mit den angezeigten Mängeln auseinanderzusetzen und sie zu beheben – so zum Beispiel beim Thema polizeiliche Übersichtsaufnahmen durch Drohnen.

Umso mehr erstaunt es mich, dass wir im Jahre 2025, vor der Folie des radikalen Staatsumbaus in Amerika und global rezipierten Erpressungsversuchen eines mächtigen Präsidenten, ernsthaft darüber diskutieren, Palantir in der Polizei einzusetzen. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein datenschutzrechtliches Harakiri. Da bin ich mir sicher, dass diese durch Gerichte überprüft würde.

Ich kann nur inständig an die Staatsregierung appellieren, sich lieber der Initiative Mecklenburg- Vorpommerns und Hamburgs anzuschließen, eine europäische Lösung anzustreben. Mit einem eigenen Programm könnten auch jene Vorgaben implementiert werden, die wir uns in Europa gegeben haben, um dem risikobasierten Ansatz bei Künstlicher Intelligenz gerecht zu werden.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
die Rede zum Tätigkeitsbericht der Datenschutzbeauftragten gibt mir die Möglichkeit, über die im Koalitionsvertrag der MiKo festgehaltene Ausweitung der Überwachungsbefugnisse von Polizei und Verfassungsschutz zu sprechen. Es wird Sie nicht wundern, dass ich ein erklärter Gegner bin, nicht nur aus ganz grundsätzlicher bürgerrechtlicher Sicht, sondern auch aus einem einfachen anderen Grund: Mehr Befugnisse bringen kein besser geschultes Personal. Wir stehen vor einem Sparhaushalt, der sich bis auf die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst durchschlägt. Es ist abwegig, hier den Rotstift anzusetzen und gleichzeitig durch mehr Befugnisse eine Erwartungshaltung in der Bevölkerung zu schüren. Denn auch beispielsweise für die Online-Durchsuchung braucht man moderne Technik und Personal, das sie sinnvoll einsetzen kann. Mit mehr Überwachung gewinnen wir eben keine Streifenbediensteten.

Vielen Dank