Debatte zur Europäischen Militärunion − Schubert: Eine Vertiefung der Europäischen Union muss insbesondere ihre Demokratisierung bedeuten
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert zur 2. Aktuellen Debatte der Fraktion DIE LINKE zum Thema:
"Sachsen: vom Willen geleitet, dem Frieden zu dienen – Plänen für eine Europäische Militärunion eine klare Absage erteilen!", 11. Dezember, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
befassen wir uns also – hier im Landtag – mit europäischer Verteidigungspolitik! Tun wir mal so, als ob die LINKE mit dem Zitat aus der Präambel unserer sächsischen Verfassung den landespolitischen Bezug hergestellt hat.
Die Frage nach einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik kann unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlich drohenden Militarisierung und unter dem Gesichtspunkt der Souveränität diskutiert werden. Die geplante Bildung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in den 1950er Jahren ist damals im französischen Parlament wohl eher an der Furcht um nationale Souveränität gescheitert als an den pazifistischen Einwänden, die es damals sicherlich auch gab.
Mit dem Maastrichter Vertrag ist die Frage einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zwangsläufig wieder auf die Agenda gekommen, denn sobald der gemeinsame Wille gegeben war, eine Europäische Union als politische Einheit zu bilden – also nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft – war es logisch, dass diese Einheit auch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik benötigt.
Diese Frage stellt sich natürlich für diejenigen nicht, die die Europäische Union als solche ablehnen. Und sie stellt sich für diejenigen nicht, die kategorisch die Möglichkeit abstreiten, dass die EU jemals in die Lage geraten könnte, sich verteidigen zu müssen. Diese beiden Positionen, die von unterschiedlichen Ausgangspunkten ausgehen, um dann zum selben Ergebnis zu führen, können wir GRÜNE nicht mittragen.
Die aktuellen Befürchtungen, es könne eine "Militärunion" geben, machen sich unter anderem an der Möglichkeit der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" – auch bekannt unter der englischsprachigen Abkürzung "PESCO" – fest. Diese sieht bereits der Vertrag von Lissabon vor. Die reale Ständige Strukturierte Zusammenarbeit wurde durch den Europäischen Rat erst im November 2017 in Gang gesetzt – also 8 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Es ist wohl kein Geheimnis, dass der Wunsch nach mehr europäischer Eigenständigkeit in der Verteidigungspolitik insbesondere aufgrund der Politik Donald Trumps größer geworden ist.
An PESCO nehmen immerhin 25 der 28 Mitgliedsstaaten teil. Dafür sprechen gerade die Einsparpotenziale. Sie ergeben sich z.B. in der Technologieentwicklung und Beschaffung, wenn nicht jeder Staat seine eigenen Waffensysteme betreibt. Langfristig könnte die gemeinsame Nutzung von Flug- und Fahrzeugen vielleicht dazu führen, dass auch deren Anzahl reduziert wird. Allerdings sind wir noch weit von der Bildung einer europäischen Armee entfernt – unabhängig davon, wie man zu dieser Idee steht, sollte man nicht so tun, als ob sie kurz vor der Verwirklichung stünde. Es bleibt aus deutscher Perspektive dabei, dass im Verteidigungsfall die NATO aktiv werden würde. Außerdem beharren die europäischen Staaten auf ihre Souvernität, wenn es um ihre Armeen geht.
Wenn auch die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit grundsätzlich befürwortet werden kann, so sind es natürlich die konkreten Projekte, die PESCO zusammenfasst, welche kritisch gewürdigt werden müssen. Eine Aktuelle Debatte im Sächsischen Landtag ist nicht der geeignete Rahmen, darauf im Einzelnen einzugehen, aber beispielsweise ist es ausgesprochen sinnvoll, gemeinsame europäische Sanitätskommandos zu schaffen.
Das Ziel muss aber sein, dass Einsparpotenziale tatsächlich genutzt werden, um die Rüstungsausgaben in Europa zu senken. Deshalb sehen wir den Europäischen Verteidigungsfonds, den die EU-Kommission plant, kritisch. Ein solcher Fonds sollte aus den Mitteln gespeist werden, die durch die Zusammenarbeit zwischen den Staaten eingespart werden können, statt zusätzliche Mittel bereitzustellen.
Vor allem aber ist es nicht hinnehmbar, dass die Kommission von 2021 bis 2027 über 13 Milliarden Euro für den Fonds verfügen will, ohne dass dies einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen würde. Wobei ich mit parlamentarischer Kontrolle natürlich nicht den Sächsischen Landtag, sondern das Europäische Parlament meine.
Wir GRÜNE befürworten ausdrücklich die Stärkung des Europäischen Parlaments – so auch in Fragen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hier erweist sich wieder einmal, dass eine Vertiefung der Europäischen Union insbesondere ihre Demokratisierung bedeuten muss. So setzt eine verbesserte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auch eine bessere demokratische Legitimation voraus.
Deshalb ist auch eine Parallelstruktur wie die jüngst ins Leben gerufene Europäische Interventionsinitiative mit aktuell 10 Mitgliedsstaaten abzulehnen. Auch diese Initiative, der bemerkenswerterweise Großbritannien wiederum angehört, wird von vielen als Schritt in Richtung Europäische Armee angesehen. Mir scheint sie aber eher ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass eine echte gemeinsame europäische Strategie noch fehlt.
Für das, was man Europäische Armee nennt, fehlen immer noch die praktischen wie die normativen Voraussetzungen: Die Staaten werden sich nicht in absehbarer Zeit von ihrer Souveränität in militärischen Fragen verabschieden. Es fehlt aber auch die Voraussetzung, dass eine Europäische Armee eine ‚Parlamentsarmee‘ wie heute die Bundeswehr wäre. Zusammen mit der Stärkung der zivilen Krisenprävention wäre dies aber eine entscheidende Voraussetzung für eine echte gemeinsame europäische Sicherheitspolitik.
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