Diskussion um Verdienstorden – Schubert: Unsere Fraktion hätte Herrn Müller den Orden nicht verliehen

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Anlass und Beweggründe der Staatsregierung für die Verleihung des Sächsischen Verdienstordens an Herrn Theo Müller in der Schweiz“ (Drs 7/7552)
36. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29.09.2021, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die LINKE legt einen Antrag vor, der uns einlädt, über grundsätzliche Fragen zu diskutieren. Der Antrag ist zunächst einmal ein reiner Berichtsantrag und stellt keine eigenen politischen Forderungen, die über Berichtsansinnen hinausgehen. Ein paar Sachen, die gefordert werden, sind öffentlich – gerade im ersten Teil des Antrags. Ich gehe das zunächst mal durch, um das einzuordnen.

Der Regelung zum Sächsischen Verdienstorden liegt die Bekanntmachung des Ministerpräsidenten über die Stiftung des Verdienstordens des Freistaats Sachsen vom 27. Oktober 1996 zugrunde.

„IX. Die Verleihung des Verdienstordens ist dem Ministerpräsidenten vorbehalten.“

Unter IV sind die Kriterien definiert:

„IV. […] Es soll sich um außergewöhnliche Leistungen über einen längeren Zeitraum oder eine ganz außergewöhnliche Einzeltat handeln, die die auszuzeichnende Person für die Allgemeinheit erbracht hat. Die Erfüllung einer Berufspflicht oder das Wirken für das eigene Erwerbsunternehmen allein rechtfertigen die Verleihung nicht.“

Das ist daher eine berechtigte Frage, welche die Linke hier aufwirft, weil ich nicht wirklich weiß, was Herr Müller über das Wirken für das eigene Erwerbsunternehmen hinaus getan hat an außergewöhnlichen Leistungen oder Einzeltaten. Ich habe mir den verschriftlichten und veröffentlichten Mitschnitt seiner Rede zur Verleihung durchgelesen. Wenn er allein das Erwirtschaften von „Gewinn, Gewinn, Gewinn“ als außergewöhnliche und gesellschaftliche Wohltat versteht, dann sind zumindest er und ich da unterschiedlicher Auffassung.

Die Bekanntmachung ist von 1996. Ich finde, dass eine Modernisierung dieser Bekanntmachung durchaus dran wäre – und auch eine Neuordnung des Verfahrens. Wenn man sich die Liste so anschaut seit Beginn der Vergabe, dann fällt auf, dass die meisten Ordensträger Männer sind und waren. Da sieht man in den vergangenen Jahren durchaus eine Verbesserung. Wir sprechen uns dafür aus, ein Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Ordensträgerinnen als Ziel zu setzen. Wir BÜNDNISGRÜNE hatten dazu mal vor einigen Jahren einen Antrag und danach ist es tatsächlich besser geworden. Bleiben wir da also dran.

Allerdings eignet sich der Antrag gut als Diskussionsgrundlage zu den Themen, die in der Begründung des Antrags aufgeführt werden. Reden wir über zwei Themen, die mit dem Antrag hätten auch größer gezogen werden oder mit konkreten Forderungen verbunden können: Steuern und Lobbyismus.

Unsere Fraktion weist wieder und wieder darauf hin, dass zu solider Finanzpolitik, wie wir sie verstehen, nicht nur die Betrachtung der Ausgabenseite gehört, sondern auch die Betrachtung der Einnahmenseite. Wie kann man mehr Einnahmen erzielen? Ich denke da an große Fische, große Milchbarone, Multimilliardäre. Reden wir über Steuergerechtigkeit.

Das beginnt damit, konsequent gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung vorzugehen und die Steuerfahndung entsprechend auszustatten. Jedes Jahr verlieren die Steuerzahlerinnen hohe Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Wir haben hier Vollzugsdefizite bei der Bekämp­fung und da sollten wir als Sachsen auch eine zukünftige Bundesregierung nach Kräften unterstützen, das zu ändern.

Ich finde, wir sollten insbesondere mit dem neuen Kanzler die Umgehung der Grund­erwerbssteuer mit Share Deals endlich unterbinden. Cum-ex- und Cum-cum-Geschäfte gehören dort, wo sie immer noch möglich sind, schleunigst beendet. Mit Nachdruck muss sich um einen konsequenten Einzug der entstandenen Schäden durch die Länder bemüht werden. Hier geht’s um richtig viel Geld, was wir gut gebrauchen können. Dann können wir nämlich mit diesen zusätzlichen Einnahmen Schulden viel besser tilgen als mit einem Sparkurs, wie wir ihn schon einmal in Sachsen erlebt haben. Die politischen Kosten und Folgen dürften mittlerweile im Bewusstsein angekommen sein. Ich würde sagen, Sachsen hat sich mit den falschen Entscheidungen mit zeitverzögerter Wirkung politisch derbe blaue Flecken geholt.

Doch wir haben noch weitere Möglichkeiten, beispielsweise indem wir endlich Konzerne angemessen besteuern. Durch Buchungstricks verschieben große Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen außerhalb der Bundesrepublik. So fehlen Milliarden für unsere Infrastruktur und für die Aufgaben der Zeit, wie etwa Klimaschutz, und die Firmen verschaffen sich unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Unternehmen. Google, Facebook und Co. gehören mit einer Digi­talkonzernsteuer besteuert. Und ja, hier braucht es eine EU-weite Verständigung. Ich persönlich sympathisiere auch mit Steuerveränderungen, die gesundheitliche Aspekte betreffen: Alkohol, Zigaretten, Genussmittel, Zucker. Doch das führt jetzt zu weit.

Insofern ist der Antrag, den die LINKE heute stellt, zwar einer ohne über Berichtsersuchen hinausgehende Forderungen, er reißt aber durchaus Punkte an, über die wir sprechen können. Ich habe das jetzt für Steuern skizziert und es gibt noch einen anderen Punkt – nämlich Lobbyismus.

„Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen, jeder Anschein käuf­licher Politik richtet Schaden an.“ (Bundestagswahlprogramm der Bündnisgrünen 2021)

Das Lobbyregister sollte die nächste Bundesregie­rung nochmal nachschärfen; es wirkt irgendwie sehr lustlos. Die vie­len Ausnahmen für maßgebliche Akteur:innen braucht es nicht, die können raus. Wir haben als BÜNDNISGRÜNE den sogenannten „legislativen Fußabdruck“ vorgeschlagen, um Klarheit zu schaffen, wer bei der Entstehung von Gesetzen Einfluss nimmt.

Ich komme zum Schluß. Unsere Fraktion ist sich einig darüber, dass wir Herrn Müller nicht den Verdienstorden überreicht hätten. Uns gefällt nicht, dass er „erstens Gewinn, zweitens Gewinn und drittens Gewinn“ macht auf Kosten der Beschäftigten und auf Kosten der Milchbauern.

Wir werden dem Antrag jedoch nicht zustimmen, weil er über das reine Berichten nicht hinausgeht. Das, was berichtet werden soll, hätte man auch über Kleine Anfragen in Erfahrung bringen können. Die Linksfraktion hat sich entschieden, es ins Plenum zu ziehen, um öffentlich darüber debattieren zu können. Ich denke, dass es gesellschaftliche Themen verdienen, dass wir uns im Parlament dazu verhalten und insofern war der Antrag eine Diskussionsgrundlage.

Vielen Dank.