Doppelhaushalt 2017/2018 – Schubert: Planloser Kleingeist wird Sachsens demografisches Problem nicht lösen
Rede der Abgeordneten Franziska Schubert (GRÜNE) in der Debatte
um den Doppelhaushalt 2017/2018 (Drs 6/5550, 6/6237, 6/6871 und 6/7150)
46. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. Dezember 2016, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
Wir haben den vorliegenden Entwurf – inklusive sämtlicher Ergänzungsvorlagen und Änderungsvorschläge – gründlich geprüft. Unsere Leitfragen waren dabei:
Ist er geeignet, in den nächsten zwei Jahren die anstehenden Aufgaben zu bearbeiten
Und ist er geeignet, die richtigen Weichen zu stellen in der mittel- und langfristigen Perspektive?
Das heißt für uns auch: ist dieser DHH in der Lage, einerseits die Aufgaben zu erfüllen UND andererseits Gestaltungsspielraum zu gewähren. Uns GRÜNEN ist Gestaltung von Gesellschaft wichtig.
Wir schauen daher den Haushalt nach drei Maßstäben an:
- Gerechtigkeit: also ob und wie gerecht die Gelder verteilt sind
- Ökologie und Nachhaltigkeit: also ob die Entscheidungen in der Folge nachhaltig und auch ökologisch sind
- Vielfalt: also ob es insbesondere in diesen Zeiten ermöglicht wird, das vielfältige Lebens- und Arbeitsvorstellungen möglich sind in diesem Freistaat.
Das legt zugleich den Grundstein für unseren Gestaltungsanspruch, den wir als GRÜNE in diesem Parlament haben. Und darum haben wir das gesamte Verfahren mit über 200 Änderungsanträgen bereichert. Wir nennen das nicht gleich einen „alternativen“ Haushalt, wenn wir es schaffen, eine Liste zu erstellen – aber wir bringen die finanzielle und saubere Untersetzung dessen ein, woran wir glauben. Wovon wir überzeugt sind, dass es für Sachsen wichtig wäre und für die kommenden Generationen – ich verwahre mich bewusst gegen die anmaßende Formulierung „unsere Kinder“.
Wir haben nun eine Beschlussempfehlung vorliegen, die um die Vorstellungen der Regierungsfraktionen ergänzt wurde. Und mit dem Ergebnis bin ich noch nicht zufrieden; wir Alle sollten es noch nicht sein.
Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Ich möchte das an drei kurzen Beispielen erklären:
Erstens: Sachsens Haushalt leidet nach wie vor unter großen strukturellen Risiken.
Auf meine Nachfrage hin hat uns das Finanzministerium eine Übersicht zugearbeitet. Der ist zu entnehmen, wie groß der Anteil am Haushalt ist, den Sachsen selbst erwirtschaftet und wie groß der Anteil ist, den Sachsen vom Bund, von der EU und aus dem Länderfinanzausgleich erhält. Auch jetzt, über 25 Jahre später, ist es noch immer jedes Jahr über die Hälfte des Haushaltsetats, die wir von Dritten erhalten. 2015 waren das über 9,1 Milliarden Euro bei einem Etat von 17,6 Milliarden Euro. Im Jahr davor – 2014 – waren es fast 9,9 Milliarden Euro, die Sachsen erhalten hat, um seinen Haushalt finanzieren zu können.
Ich finde, es ist in unserer Verantwortung, dass erkennbar ist, was mit diesem Geld geschieht und geschehen soll. Und ich finde, da braucht es mehr als einen Topf, auf dem ein paar Ausgabemöglichkeiten angedeutet sind.
Und damit wäre ich beim zweiten Beispiel: Sondervermögen im Allgemeinen und dem Zukunftssicherungsfonds im Speziellen. Dieser Haushalt erreicht die nächste Stufe der Intransparenz.
Allein im Jahr 2018 werden von den 18,9 Milliarden Euro Landeshaushalt über 8 Milliarden Euro in Sondervermögen gebunden sein. Warum ist das kritisch? Sondervermögen gehören zu den Nebenhaushalten und da hat bereits der Rechnungshof mehrfach kritisiert, dass diese intransparent und kaum zu prüfen sind.
Manche Sondervermögen sind sicher sinnvoll, aber normalerweise werden Sondervermögen eingerichtet: wenn eine gesonderte Mittelverwaltung aufgrund rechtlicher Verpflichtungen unabweisbar vorgegeben ist. Oder, wenn es sich um sogenannte zukunftssichernde Ausnahmebestände handelt. Das können Sie in der Kommentarmeinung zum Haushaltsrecht nachlesen. Bei der Digitalen Offensive ist das z.B. sicher erfüllt. Aber was machen Sie mit dem Zukunftssicherungsfonds, den wir zu Recht kritisieren?
Diesen Fonds haben Sie mal eingerichtet, da Sie angenommen haben, dass die SoBEZ ab 2019 wegbrechen und Sie wollten, das wichtige Investitionen trotzdem sichergestellt werden können. Das Anliegen ist verständlich und nachvollziehbar. Inzwischen wissen wir aber, dass es nach 2019 weitergehen wird. Trotzdem wollen Sie den Zukunftssicherungsfonds behalten. Sie haben jetzt umfassende Änderungen am Zukunftssicherungsfonds vorgenommen; noch bevor Sie das Gesetz dazu verändert haben! Sie haben vorgegriffen in sicherer Gewissheit, dass die Mehrheiten ja stehen. Es ist so einfach, zusätzliche Steuereinnahmen in einem Fonds zu parken. Im nächsten oder darauffolgenden Jahr kann man das Geld dann zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung nehmen. Dafür ist ein Sondervermögen aber nicht gedacht! Dafür muss nur der Zweck des Fonds auf möglichst alles erweitert werden. Und ein Blick in die Beschlussempfehlung zeigt: Das haben Sie getan. Die Oberbegriffe sind so vage gehalten, das die Mittel aus dem Fonds endlich für so ziemlich jede Investition genutzt werden können.
Ich frage Sie ernsthaft: inwiefern ist der Umzug einer Polizeidienststelle aufgrund von Nagetierbefall eine zukunftssichernde, landesweit relevante Investition? Und da habe ich nur ein Beispiel herauszugegriffen, das mit dem neuaufgesetzten Zukunftssicherungsfonds möglich wird.
Solche Baumaßnahmen können ordentlich und nachvollziehbar im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Wir lehnen das, was Sie da machen wollen, ab und halten es für haushaltsrechtlich kritisch.
Drittens: Es würde mich wundern, wenn es viele Menschen da draußen gibt, die noch verstanden haben, was hier als Entwurf bis zur Beschlussempfehlung vorgelegt wurde. Die Menschen wollen aber informiert sein und informiert werden. Das fängt aber schon bei der Aufbereitung der Informationen an. Kiloweise Papier und unendlich große PDFs sind da nicht hilfreich. Zu den wichtigsten Aufgaben des Sächsischen Landtages gehören Gesetzgebung und Kontrolle der Regierungsarbeit. Sie wollen hier mit Ihrer Mehrheit einen Haushalt beschließen, der bereits in der vorliegenden Form kaum noch zu lesen und eigentlich im Vollzug für Parlamentarier nicht mehr zu prüfen ist. Sachverständige haben darauf hingewiesen, der Rechnungshof äußert regelmäßig gleichlautende Bedenken.
Sie haben unter dem Deckmantel der "Flexibilität" viele Bereiche in diesem Haushaltsplan so aufgeweicht, dass eigentlich nicht mehr zu erkennen ist, ob Sie einen Plan haben und was der Plan ist.
Es ist für mich erschreckend, wie visionsarm sich die Staatsregierung und die Regierungskoalition zeigen. Die Fragen für die Zukunftsfähigkeit Sachsens müssen doch heißen: Was wollen wir? In wen und was investieren wir? Aus welchem Grund? Was heißt das in der Folge? Aber in Sachsen werden diese Fragen nicht gestellt, seit Jahren nicht. Und darum nutzt auch noch so viel Geld im System nichts, wenn es nicht sinnvoll eingesetzt wird. Es sind solide finanzielle Zeiten. Es heißt, wenn es solide finanzielle Zeiten gibt, dann muss man wagen und nicht nur kleine Schritte gehen – ich hätte mir mehr Mut gewünscht und echte, große Schritte, die nachhaltige gute Spuren hinterlassen.