Doppelhaushalt 2021/22 – Schubert: Verantwortung, Augenmaß und nachhaltige Investitionen sollten unser Kompass sein
Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Beratung der Entwürfe zum "Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2021 und 2022 (Haushaltsgesetz 2021/2022 – HG 2021/2022)" Drs 7/4900 sowie zum "Gesetz begleitender Regelungen zum Doppelhaushalt 2021/2022 (Haushaltsbegleitgesetz 2021/2022 – HBG 2021/2022)" Drs 7/4901
21. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 07.01.2021, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir danken der Staatsregierung und dem Finanzministerium für den vorgelegten Haushaltsentwurf. Dieser geht als Vorschlag der Staatsregierung nun ins parlamentarische Verfahren. Das Haushaltsrecht ist das Kernrecht des Parlaments – und uns stehen intensive Wochen bevor, in denen wir unter der Beobachtung der Öffentlichkeit stehen werden.
Seit Monaten schon erreichen uns als Abgeordnete Briefe und Anliegen zum Thema Haushalt. Denn natürlich haben die Menschen im Land ein Gefühl dafür, was es heißt, in Krisenzeiten einen Haushalt aufzustellen. Und wir werden als Parlament in einem Spannungsfeld verhandeln. Dieses spannt sich auf zwischen der Corona-Krise und ihren gesellschaftlichen und finanziellen Folgen einerseits sowie den Anforderungen der Zeit mit ihren zahlreichen, parallel ablaufenden Wandlungsprozessen andererseits.
Das heißt, Verantwortung und Augenmaß sollten unser Kompass sein.
Die Erarbeitung dieses Vorschlages für den Haushaltsplan ist auf Seiten der Staatsregierung unter schwierigen Bedingungen und hohem Druck erfolgt.
Wir haben zur Bewältigung der Corona-Krise zur Aufnahme des Notkreditrahmens einen Konsens im Parlament finden können. Dieser Kredit ist zu großen Teilen belegt; wie hoch letztendlich die Summe sein wird, die wir am Kreditmarkt aufnehmen müssen, ist heute noch nicht klar.
Angesichts der gegenwärtigen Situation ist es eine riesige Herausforderung, einen tragfähigen Haushalt aufzustellen, der dem skizzierten Spannungsfeld Rechnung trägt. Ich meine damit, neben der Krisenbewältigung nachhaltige Zukunftsinvestitionen möglich zu halten und Schwerpunkte der Koalition aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen. Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung haben weiterhin Priorität, auch in der Krise, und das bildet sich im Entwurf ab.
Der Entwurf ist spät gekommen; das können wir als Parlament nicht gut finden, denn das hat Konsequenzen für das Land und für die Gesellschaft. Natürlich hat Corona den Zeitplan außer Kraft gesetzt; dennoch ist die Situation im nächsten halben Jahr als Drahtseilakt zu bezeichnen. Unser Ziel ist deshalb eine zügige Befassung im Landtag, ohne dass das parlamentarische Verfahren darunter leidet.
Wir haben nun einen Entwurf vorliegen, von dem man nicht sagen kann, dass es ein Sparhaushalt ist. Wir werden nicht – wie nach der Finanzkrise 2008 – in die Krise hinein sparen. Das wäre volkswirtschaftlich falsch. Uns BÜNDNISGRÜNEN ist es wichtig, diesen Fehler nicht zu wiederholen. Das hat damals schwerwiegende gesellschaftliche Folgen gehabt und die sind heute zum Teil noch spürbar.
Solide Finanzen heißt für BÜNDNISGRÜNE nachhaltige Finanzen – weder Überschuldung noch prozyklisches Sparen in die Krise hinein. Die Kunst wird ein Mittelweg sein; und den werden wir als Parlament miteinander aushandeln auf Grundlage des Regierungsentwurfs.
Das Haushaltsvolumen wird überrollt mit circa 43 Milliarden und damit kann man gut arbeiten. Wir BÜNDNISGRÜNE halten es für richtig, antizyklisch zu handeln. Strukturelle Veränderungen im Haushaltsplan sind auch ohne Krise angezeigt; auf den Prüfstand gehören Strukturen, Verfahren, Förderungen, um Potenziale zu identifizieren. Es geht uns nicht um höher, schneller, weiter – sondern darum, dass das, was wir ausgeben, nachhaltig arbeitet, Mehrwert schafft und gut ist für die Gesellschaft in ihrer Vielfalt.
Wir wollen ermöglichen, was es braucht, um gut durch diese Zeit zu kommen und kraftvoll auch danach handlungsfähig zu bleiben.
In Sachsen sind wir BÜNDNISGRÜNE das erste Mal in Regierungsverantwortung. 30 Jahre CDU-geführte Staatsfinanzen sind da durchaus eine Herausforderung, sage ich mit einem Augenzwinkern. Hier sei jedoch erwähnt, dass wir als Dreierbündnis an der Umsetzung finanzpolitischer Ziele aus dem Koalitionsvertrag gemeinsam mit dem Finanzministerium arbeiten. Und das vergangene Haushaltsjahr hat gezeigt, dass Haushaltspolitik in diesen Tagen erheblich dynamischer ist als ihr Ruf.
Es gibt große Themen, die wir neben Corona ebenso angehen wollen. Es findet Wandel statt – auch in Sachsen. Das ist gut so und den wollen wir gestalten.
Es ist nicht nur das Thema Strukturwandel im Bereich der Kohle oder der Strukturwandel in Süd-West-Sachsen, wo die Automobilindustrie und damit ein für Sachsens bedeutsamer Wirtschaftszweig vor großen Herausforderungen steht. Auch die Klimakrise ist Realität – und sie hat harte wirtschaftliche Auswirkungen. Das erfordert Investitionen in verschiedenen Bereichen: im Stadtumbau, im Umbau der Infrastrukturen, in der Mobilität, der Energieversorgung, in der Landwirtschaft und im Wald. Das sind alles auch wirtschaftliche Themen, wo es um zukünftige Einnahmen und Steuern geht, die wir hier mit Wandlungsprozessen begleiten müssen. Auch das ist etwas, was sich schon im Regierungsentwurf abbildet.
Für uns BÜNDNISGRÜNE ist Vielfalt und Veränderung beständiger Teil des Lebens und unserer Arbeit. Veränderung ist ein Wert für uns, für den wir uns einsetzen. Daher gehen wir Veränderungen nicht mit Sorge, sondern als Chance und zuversichtlich an.
Wir haben ein Haushaltsverfahren im Parlament vor uns, das intensiv wird. Und wir haben begleitend zu dieser Haushaltsbefassung eine weitere große Diskussion: eine Verfassungsänderung für Sachsen mit haushaltsrelevanten Dimensionen.
Ab 2023 werden Finanzierungslücken in den Haushalten zu füllen sein und gleichzeitig werden die ersten Tilgungsraten für die derzeitigen Notkredite fällig.
Tilgung und Schuldenbremse werden Kernthemen sein. Das ifo-Institut hat für Sachsen erst kürzlich einen Tilgungszeitraum von 20 bis 30 Jahren vorgeschlagen. Andere Länder haben bereits ihre Tilgungszeiträume angepasst, mit dem Ziel, handlungsfähig zu bleiben. Baden-Württemberg hat sich auf 25 Jahre verständigt, so auch Niedersachsen. In Brandenburg sind es 30 Jahre. Und wir BÜNDNISGRÜNE halten den Vorschlag des ifo-Institutes für sinnvoll und wollen darüber reden, um auch in Sachsen einen guten Weg zu finden. Weder sollen zukünftige Generationen übermäßig belastet werden, noch soll ewig „auf Pump“ gewirtschaftet werden.
Diesen haushaltsrelevanten Themen werden wir uns zusätzlich und parallel zur Haushaltsbefassung widmen. Und das ist auch richtig so. Weil wir jetzt nicht nur auf zwei Jahre denken können, sondern auch schon die Folgejahre 2023 und 2024 mit berücksichtigen müssen.
Nicht alles wird in den nächsten zwei Jahren sofort und in gewünschter Höhe möglich sein; realpolitisch betrachtet ist das so.
Die vorliegende mittelfristige Finanzplanung kann zurzeit jedoch weder den weiteren Pandemieverlauf, künftige Corona-Einschränkungen und wirtschaftliche Folgekrisen noch einen Impfstoff und dessen Wirkung einpreisen. Und die aktuelle Nachrichtenlage zeigt uns, dass beinahe täglich die Vorzeichen für die kommenden Jahre komplett verändert werden können. Trotzdem wollen wir den Blick in die Zukunft wagen, um ein größtmögliches Maß an Planbarkeit zu erreichen.
Uns BÜNDNISGRÜNEN ist dabei besonders wichtig, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht weiter beschädigt wird. Diesen Zusammenhalt brauchen wir dringend, denn er trägt uns durch Krisen.
Aus diesem Grund hat mich in den vergangenen Wochen die vorläufige Haushaltsführung – und wie wir sie auf‘s Gleis setzen – sehr beschäftigt.
Die nun geltende vorläufige Haushaltsführung werden wir intensiv begleiten und auch hier sollen die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Während der vorläufigen Haushaltsführung 2015 kam praktisch die gesamte Projektförderung zum Erliegen. Und da Sachsen nun einmal überdurchschnittlich viele Förderprogramme fährt, ist das bei uns ein besonders großes Problem. Ich bin immer noch dafür, dass wir hier mal strukturell etwas ändern.
Als BÜNDNISGRÜNE haben wir uns sehr dafür eingesetzt, dass sich die Fehler der vorläufigen Haushaltsführung von 2015 nicht wiederholen. Wir haben uns klar positioniert mit dem Vorschlag, dass die Mittel der Hauptgruppe 6 – das sind die Gelder, die für die Projektförderung gebraucht werden – zu 65 Prozent der geplanten Mittelansätze zur Bewirtschaftung freigegeben werden können. Denn 40 Prozent, wie ursprünglich vom Finanzministerium vorgeschlagen, sind einfach zu wenig, da dieses Mal nicht nur vier Monate zu überbrücken sind, sondern ungefähr ein halbes Jahr.
Nun liegt es an der Exekutive, sicherzustellen, dass die Sächsische Aufbaubank auch in der Zeit bis zum Haushaltsbeschluss Anträge von Vereinen oder Verbänden bewilligen kann und wir damit wichtige Strukturen im sozialen Bereich und Ehrenamt sichern können, so wie es auch im Koalitionsausschuss entschieden und beschlossen wurde.
Wenn die Exekutive die Umsetzung nicht schafft, wird die vorläufige Haushaltsführung des Freistaates erneut zu einer Existenzbedrohung für diesen Bereich führen. Es muss deshalb unser Ziel sein, die wichtige soziale Struktur in Sachsen durch die vorläufige Haushaltsführung sicher – beratend und finanziell – zu begleiten.
Ich möchte nun noch auf zwei Bereiche eingehen, in denen wir BÜNDNISGRÜNE erstmals Verantwortung tragen.
Mit der Neuressortierung der Ministerien haben wir Veränderungen in der Haushaltsstruktur. Der Bereich Gewaltschutz, Antidiskriminierung und Chancengleichheit konnte gestärkt werden. Das ist ein Erfolg; nicht zum Selbstzweck, sondern für jene, denen das zugutekommen wird. Es werden mit dem Entwurf nicht nur die essentiellen Strukturen gesichert, die es bisher gab. Sondern es gibt hier endlich auch einen Aufwuchs.
Insbesondere im Bereich Gewaltschutz, zum Beispiel bei den Frauenschutzhäusern in den Landkreisen. Schutz vor häuslicher Gewalt ist uns BÜNDNISGRÜNEN ein wichtiges Anliegen, dass sich auch im Haushaltsentwurf abbildet. Aber auch die Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement und mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern finden sich im entsprechenden Haushaltsplan des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung wieder, was beispielsweise für Strukturwandelprozesse sehr wichtig ist.
Wir sind auch im Bereich Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft vorangekommen. Auch das ist dem Entwurf zu entnehmen. Es konnten erste finanzielle Untersetzungen geschaffen werden, um auf die Themen Landwirtschaft, regionale Wertschöpfung, Trinkwasserversorgung sowie die Waldschäden nachhaltig reagieren zu können. Und wir werden als BÜNDNISGRÜNE-Fraktion im Bereich Klimaschutz im parlamentarischen Verfahren einen sächsischen Klimafonds vorschlagen, um nachhaltig und auch strukturell über die nächsten Jahre handlungsfähig zu sein.
Was uns noch nicht richtig zufrieden macht, ist der Bereich der umweltfreundlichen Mobilität. Hier braucht es zum Beispiel mehr Mittel für die kommunale Radverkehrsförderung. Es braucht auch eine deutliche finanzielle Untersetzung für die Reaktivierung von Bahnstrecken, und auch für das Thema Güter auf die Schiene werden wir uns erneut einsetzen.
Ein Wort an dieser Stelle zur von der AfD vorgebrachten Kritik am ihrer Meinung nach übermäßigen Personalaufwuchs und der immer wieder bemühten Selbstbedienungsmentalität. Das ist ein absoluter Widerspruch sich selbst gegenüber und an Schizophrenie nicht zu überbieten.
Im Wahlprogramm auf ihrer Homepage verspricht die AfD ihren Wählerinnen und Wählern unter anderem mehr Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem will sie die "mangelhafte Personalausstattung bei den öffentlichen Fachbehörden" umgehend beseitigen. Zudem fordert sie eine Stärkung von Polizei und Justiz. Um nur einige Punkte zu nennen.
Wir BÜNDNISGRÜNE stehen für Generationengerechtigkeit. Für uns heißt das, dass wir den nächsten Generationen ein intaktes und lebenswertes Land hinterlassen. Ein Land mit intakten Schulen und Kitas, einer intakten Wirtschaft, Verwaltung, Infrastruktur und natürlich einer intakten Umwelt – ohne all das hat ein Land keine Zukunft. Generationengerechtigkeit erreichen wir nur, wenn wir unsere Investitionstätigkeit auch nach der Krise aufrechterhalten und nicht das Gemeinwohl kaputtsparen.
Der vorliegende Haushaltsentwurf hat Gestaltungspotential, auch in Krisenzeiten. Die nächsten Wochen werden wir nutzen, den Entwurf als Parlament intensiv zu prüfen und zu optimieren. Wir können aber jetzt schon sagen: Mit diesem Haushalt sind wir auf einem guten Weg.
Ich freue mich auf die Befassung und Beratungen in den kommenden Monaten.
Herzlichen Dank!