Doppelhaushalt 2021/22 – Schubert: Wir schaffen die Voraussetzungen für wichtige Kehrtwenden

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Beratung des Entwurfs „Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen für die Haushaltsjahre 2021 und 2022 (Haushaltsgesetz 2021/22 – HG 2021/22)“ – Generaldebatte
30. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 19.05.2021, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich, dass wir es tatsächlich geschafft haben und heute hier sind, um den Haushaltsplan für 2021 und 2022 zu beschließen. Als Parlament geben wir der Exekutive mit diesem Haushaltsbeschluss nicht nur Gelder in die Hand, damit in diesem Land Maßnahmen umgesetzt, gefördert und Ausgaben getätigt werden können. Wir geben der Exekutive auch mit, nicht den Blick dafür zu verlieren, dass all das von Menschen erwirtschaftet wird, die dafür Wertschätzung verdienen und dass jede Ausgabe im Lichte nachkommender Generationen zu betrachten ist.

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klimaschutzgesetz der erschöpften GroKo hat sehr klar gemacht, dass halbherzige Lippenbekenntnisse nicht mehr reichen. Sie reichen nicht mehr im Bund und sie reichen uns im Freistaat auch nicht.

Und für meine Fraktion kann ich sagen, dieser Haushalt geht wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Denn mit diesem Haushalt gelingen uns drei Punkte:

1. Wir haben die Voraussetzung für wichtige und grundlegende Kehrtwenden in der Ausrichtung sächsischer Politik geschafft und diese auch finanziell untersetzt. Beispiele dafür sind der Sächsische Klimafonds, erstmalig ein Landesnaturschutzprogramm, endlich wieder Perspektiven für Streckenreaktivierungen genauso wie die Stärkung von aktiver Zivilgesellschaft, sei es die Jugendpauschale, Demokratieförderung, Bürgerbeteiligung.

2. Wir stellen Gelder für Aufgaben zur Verfügung, die seit Jahren, teils Jahrzehnten darauf warten, beachtet und gelöst zu werden. Ich denke hier an den Kulturbereich, wo wir eine Aufstockung der Mittel schaffen und gleichzeitig die Entfrachtung von den Landesbühnen; an den Hochschulbereich, wo wir endlich das Säulenmodell novelliert haben, und besonders an den Ausbau des Gewaltschutzes, so dass es zukünftig endlich in allen Landkreisen Frauenschutzeinrichtungen geben kann. Doch auch die Investitionen ins Nitratmessstellennetz, in kommunalen Radverkehr oder Barrierefreiheit gehören in diesen Bereich.

3. Wir zeigen, dass wir festen Willens sind, aus dieser Krise herauszukommen und zwar nicht auf Kosten derer, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Das zeigt sich im Haushalt daran, dass wir investieren statt kaputtzusparen; dass wir Jene stärken, die besonders getroffen sind und dass wir in und nach der Krise das unterstützen, was Licht und Zuversicht gibt: Kinder, Jugendliche, Europa, Sport.

Für uns BÜNDNISGRÜNE sind Ökologie und Ökonomie eng miteinander verbunden. Klimaschutz ist für uns ein Konjunkturmotor; Technologieförderung ein Baustein für klimaneutrale Wirtschaft. Die Nachhaltigkeitsziele sind für uns Leitschnur für finanzielle Entscheidungen. Öffentliches Geld braucht verantwortungsvollen Umgang und es sollte dem Gemeinwohl dienen.

Nachhaltigkeit ist längst in der Breite der Bevölkerung angekommen: Bei Meinungsumfragen nach dem wichtigsten politischen Thema liegt der Klimaschutz vorn. Nachhaltigkeit hat und braucht zukünftig noch stärker seinen festen Platz im Kanon der Entscheidungskriterien bei der Ausgabenplanung. Da wollen wir hin. Denn: Solche Investitionen haben einen Mehrwert für künftige Generationen. Nicht-nachhaltige Investitionen werden auf Dauer unsere Haushalte einschränken; sie bauen im ungünstigsten Fall Vermögen in Form grauer Infrastruktur auf und schlagen mit Instandhaltungskosten in der Zukunft zu Buche. Es ist eine Form von verdeckter Verschuldung, die noch nicht amtlich ausgewiesen wird, die aber unseren Wohlstand und den künftiger Generationen gefährdet. Wirtschaft und Börse sind da schon weiter. Sie wissen, dass mangelnde Nachhaltigkeit und fehlender Klimaschutz ein signifikantes Unternehmensrisiko sind. Für sie ist Klimaschutz mittlerweile eine rationale, ökonomische Entscheidung.

Und natürlich wollen wir als BÜNDNISGRÜNE eine Diskussion darüber führen, wie man diesen versteckten Schulden begegnet, wie wir in der Finanzpolitik generationengerechter werden. Der Ökonom Furman hat gesagt, es sei günstiger, „die Schlaglöcher jetzt zu füllen“, als zu warten, bis die Straße kaputt ist. Allerdings geht es uns BÜNDNISGRÜNEN natürlich nicht um eine Straße, uns geht es um den ganzen Planeten. Staatliche Investitionen sind ein wesentliches Steuerungsinstrument und der Schlüssel, um die Klimakrise zu überwinden, Europa zu stärken und die Digitalisierung zu gestalten – die großen Themen der Gegenwart. Und in Sachsen gehen wir diese mit diesem Haushalt an.
Wir sind noch immer in einer schweren Pandemie. Diese hat in den vergangenen 15 Monaten auch gezeigt, was über Jahre nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit bedacht wurde und welche Anspruchshaltungen und Selbstverständlichkeiten sich eingeschlichen haben.

Die Chance, das zu hinterfragen, ist jetzt.

Wir werden ein neues Gleichgewicht finden müssen. Eine Voraussetzung, ein neues Gleichgewicht zu erreichen, wird auch die Änderung der Sächsischen Verfassung sein.

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir wollen die Schuldenbremse praktikabel gestalten – um die Investitionen zu ermöglichen, die uns die Zeit aufgibt. Was mir wichtig ist, nochmal herauszustellen: In einem ersten Reflex wurde als Antwort auf die Pandemie auch der Ruf nach einem harten Sparhaushalt laut.

Für uns ist allerdings ausschlaggebend gewesen bei der Entscheidung, in welche Richtung wir gehen: Was ist denn jetzt tatsächlich sinnvoll?

Als Koalition waren wir uns einig, dass wir diese Krise nur gemeinsam schaffen können und dass ein harter Sparkurs Sachsen schaden wird. Es ist überholt, auf Kosten unserer unmittelbaren Zukunft alles zusammenzustreichen.

Die Herausforderungen der Klimakrise, die Notwendigkeit von mehr Bildungsgerechtigkeit, die Stärkung unseres Gesundheitssystems und die Digitalisierung sind nicht vereinbar mit einem harten Ausgabestopp.

Daher war und ist es richtig, auch mit Krediten die öffentlichen Haushalte zu sichern und damit auch Investitionsfähigkeit.

Corona war und ist nach zehn guten Steuerjahren ein harter Aufschlag auf dem Boden der Realität, das gilt deutschlandweit für die öffentlichen Haushalte. Die vergangenen Jahre waren geprägt von ständig steigenden Steuereinnahmen – politische Entscheidungen vor allem durch „höher-schneller-weiter“. Es sollte nicht vor allem um Schlagzeilen gehen, sondern um die Umsetzung, ob die Gelder da ankommen, wo sie hinsollen und ob sie den angestrebten Zweck erfüllen können.

Wir stehen als BÜNDNISGRÜNE nicht für ein „höher-schneller-weiter-immer mehr“. Wir stehen dafür, dass Ausgaben auch tatsächlich einen Mehrwert entfalten und dass die Finanzierung solide aufgestellt ist. Wir stehen dafür, auch kritisch und grundlegend zu betrachten, ob das, was seit Jahrzehnten so gemacht wird, nicht auch anders gemacht werden kann.

Auch dafür ist die Zeit genau jetzt.

Wir brauchen für das große Projekt, all die Herausforderungen der Gegenwart auch hier in Sachsen vor Ort zu gestalten, Kraft und Zusammenhalt, die Unterstützung und das Miteinander aller Generationen.

Und dafür wollen wir sorgen. Wir BÜNDNISGRÜNE diskutieren Themen mit viel Offenheit und Meinungsbreite. Und weil wir es hilfreich finden und es so viel mehr Menschen sichtbar machen kann, haben wir uns für ganz verschiedene Beteiligungs- und Mitmachformate eingesetzt. Wir haben beispielsweise eine Jugend, die so politisch ist, wie seit Jahrzehnten nicht mehr; sie positioniert sich klar und will sich einbringen. Wir haben aber auch ein generell zunehmendes Interesse an Mitsprache und Beteiligung. Dem tragen wir mit diesem Haushalt Rechnung. Alles andere würde am Ende viel teurer werden; volkswirtschaftlich und auch gesellschaftlich.

Ein Wort zur Steuerschätzung: Die neue Steuerschätzung lässt Hoffnung zu. Es sieht so aus, als wenn der Landeshaushalt nicht im vollen Umfang die Kredite zum Ausgleich der Steuerausfälle aufnehmen müsste.

Medial wurde dies von verschiedenen Akteuren mit finanziellen Spielräumen in 2021 übersetzt und genutzt, um gleich neue Forderungen aufzumachen. Ich möchte es an der Stelle deutlich sagen: Die finanziellen Kosten dieser Krise haben zum größten Teil die Haushalte von Bund und Ländern getragen. Ich rede nur von den finanziellen Kosten.

Die aktuelle Steuerprognose bedeutet genau zwei Dinge:

1.      Im Idealfall muss der Freistaat nicht die volle Höhe des Kreditrahmens aufnehmen.

2.      Das würde die zusätzliche Verschuldung und damit natürlich auch die zukünftigen Tilgungsraten reduzieren.

Zusätzliche Spielräume sind da noch nicht zu sehen. In den unmittelbaren Folgejahren klaffen noch immer ernsthafte Lücken in den öffentlichen Finanzen – 600 Millionen Euro im Jahr 2023 und nochmal 600 Millionen Euro in 2024. Wer darüber hinweggeht, agiert unseriös.

Trotzdem stimmen mich die neuen Prognosen verhalten optimistisch. Es geht in die richtige Richtung. Wenn wir es tatsächlich schaffen, die Situation weiter zu stabilisieren, sollte die Herbstprognose noch etwas besser ausfallen.

Wir brauchen eine Möglichkeit, um auf konjunkturelle Entwicklungen reagieren zu können. Eine Schuldenbremse, die ihren eigenen Staat in der Krise zusätzlich schwächt und nicht dem Schutz seiner Bevölkerung dient, kann nicht im Sinne der Verfasserinnen und Verfasser sein. Den Stresstest hat die sächsische Schuldenbremse nicht bestanden.

Wir müssen über die Tilgung der Coronakredite reden. Die Szenarien sind relativ klar: Sollte alles so kommen, wie aktuell geregelt, wird das Geld an vielen Stellen fehlen. Sollte sich die finanzielle Lage deutlich besser entwickeln, als erwartet, wird jedes Wachstum von den Tilgungsregeln aufgefressen. Das bedeutet: Kürzungen oder Stillstand. Beides wäre ein massives Risiko für unsere Gesellschaft und kommende Generationen. Wir haben auch hierfür Vorschläge, wie wir das als Freistaat verantwortungsvoll gestalten können.

Lassen Sie mich zum Schluss festhalten: Es war eine außergewöhnliche Haushaltsbefassung. Im Namen meiner Fraktion danke ich allen für die Zusammenarbeit. An dieser Stelle auch meinen herzlichen Dank an die Ausschusssekretariate. Herausheben möchte ich, dass alle Anhörungen hybrid angeboten wurden, das war hilfreich. Und es war richtig gut, dass wir die HFA-Klausur hier im Landtag hatten; hier gehört sie hin und wir sollten das zukünftig auch so beibehalten.

Es liegt ein guter Rahmen mit diesem Haushalt vor und er eröffnet trotz der Rahmenbedingungen einer der größten Krisen, die der Freistaat je zu bewältigen hatte, gute Möglichkeiten, dieses Land weiterzubringen. Setzen wir das heute gemeinsam ins Werk.

Vielen Dank.

 

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