Datum: 25. Juni 2025

Doppelhaushalt Verkehr – Meier: Minderheitsregierung muss bei Verkehrspolitik umsteuern

Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier (BÜNDNISGRÜNE) zum Doppelhaushalt 2025/26 (Drs 8/2950) – Einzelplan 10 (Staatsministerium für Infrastruktur und Landesentwicklung)

16. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25.06.2025, TOP 1.8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Haushalt ist der Ort, an dem sich politische Prioritäten einer Regierung ganz konkret zeigen, wo sich Worte an Zahlen messen lassen.

Frau Kraushaar als neue Ministerin für Infrastruktur und Landesentwicklung sprach jüngst davon, ihr schwebe eine „ideologiefreien Verkehrspolitik“ vor, „die Angebot schafft, statt zu bevormunden“.

Mit Blick auf den Mobilitätsetat möchte ich mit einer Rückfrage einsteigen: Welche Angebote werden denn, ganz ideologiefrei, für wen geschaffen, wenn sich ein derart einseitiger, massiver Kahlschlag offenbart?

Ein Kahlschlag beim Radverkehr. Ein Kahlschlag bei der Verkehrssicherheit. Ein Kürzungshaushalt beim ÖPNV – und bei der Bahninfrastruktur.

Und das in einer Zeit, in der wir mehr Mobilitätswende brauchen, nicht weniger.

Ja, natürlich muss gespart werden. Aber wie hier gespart wird – das ist eine bewusste politische Entscheidung. Und die ist so radikal, dass sie mich fassungslos macht. Statt alle Bereiche maßvoll und fair zu behandeln, werden Prioritäten mit schwerwiegenden Folgen gesetzt und dort massiv gekürzt, wo der größte Handlungsbedarf besteht: beim Fuß- und Radverkehr und bei der Sicherheit der Schwächsten im Straßenverkehr.

Ein paar Zahlen gefällig?

Im Vergleich zum Vorjahr sehen die Haushaltsansätze für 2025 ein: Minus von 89 % bei der Radwegeplanung an Staatsstraßen, Minus von 79 % beim Radwegebau an Staatsstraßen, Minus ein 90 % bei der Radverkehrsförderung für Kommunen und ein Minus von 100 % bei den Wegechecks.

Sachsens Radwegenetz ist schon heute eine einzige große Lücke. Nur 15 % der Staatsstraßen haben einen begleitenden Radweg. Wir liegen damit deutlich unter dem Bundesschnitt von 25 % – und selbst der Rechnungshof hat 2023 klipp und klar gesagt:

Hier muss deutlich mehr investiert werden. Das Gegenteil passiert. Dabei hat es gerade angefangen zu wirken: Im vergangenen Jahr wurden endlich mehr Radwege gebaut als in den Jahren zuvor. Warum? Weil wir Geld, Personal und Planung hochgefahren haben.

Und jetzt? Jetzt sollte alles, was noch nicht vertraglich gebunden ist, einfach gestoppt werden.
Über 500 Kilometer begonnene Radwegeplanung, davon 150 Kilometer fortgeschrittene Planung – ab in die Schublade. Das wäre nicht nur Verschwendung von Steuergeld. Das wäre ein Rückschritt mit Ansage.

Besonders bitter außerdem: die Kürzungen bei der Verkehrssicherheit. Obwohl Kinder in Sachsen das höchste Unfallrisiko haben – wir sind bundesweites Schlusslicht.

Nur die Versicherung der Ministerin, man halte am Handlungsziel „Vision Zero“ fest, verhindert keine Verkehrsunfälle. Es braucht nicht nur Verkehrssicherheitsschulungen, sondern auch sichere Wege, Querungsstellen und die Entschärfung von Unfallschwerpunkten. Dafür braucht es Geld. Doch das ist nicht eingeplant.

Warum? Ganz ideologiefrei geantwortet: weil der Straßenneubau ruft! Plötzlich tauchen neue Projekte auf, obwohl im Koalitionsvertrag „Erhalt vor Neubau“ steht. Selbst für Erhalt und Ersatzneubau ist nicht genügend Geld da, so wie für die Nossener Brücke.

Auch beim ÖPNV herrscht Krisenstimmung. Trotz hoher Nutzung und Beliebtheit: Im Dezember drohen massive Einschnitte im S-Bahn-Netz Mitteldeutschland. In Dresden gab es bereits Kürzungen bei Bus und Bahn. Der VVO weiß nicht, wie er neue Akku-Züge für das S-Bahnnetz finanzieren soll.

Warum? Der ÖPNV ist seit Jahren unterfinanziert, weil der Freistaat einen Teil der Regionalisierungsmittel des Bundes zweckentfremdet – eigentlich gedacht für den Schienenpersonennahverkehr, landen sie im Schülerverkehr.

Mit dem neuen Haushalt steigt diese Summe auf 55 Millionen Euro jährlich – mehr als in den vergangenen zehn Jahren. 55 Millionen Euro, die die Aufgabenträger für Investitionen und Angebot dringend bräuchten.

Gleichzeitig machte sich das Verkehrsministerium bei allen Hilferufen aus den Kommunen einen schlanken Fuß: Der ÖPNV sei kommunale Aufgabe. Nein. ÖPNV ist Daseinsvorsorge. ÖPNV ist Klimaschutz. Der Freistaat ist in der Pflicht.

Und wie sieht’s bei der Bahninfrastruktur aus?
Für die Zweigleisigkeit Chemnitz-Geithain, die Elektrifizierung Dresden-Demitz-Thumitz und Streckenreaktivierungen fehlen im Haushaltsentwurf Millionen. Ohne sie: Stillstand. Nach all den Jahren. Das ist nur noch peinlich.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
unsere Änderungsanträge im HFA zum Verkehrsetat umfassten rund 210 Millionen Euro für 2025/26 – schwer im normalen Verfahren unterzubringen.

Dennoch konnten wir Erfolge erzielen:

  • Wegechecks bleiben.
  • Streckenreaktivierungen werden auch für die Strecke Beucha-Brandis-Trebsen, die Muldentalbahn Großbothen-Rochlitz- Narsdorf und Ebersbach-Löbau inkl. Oberoderwitz-Niedercunnersdorf fortgesetzt.
  • Mehrkosten der Planung für Chemnitz–Geithain sind gesichert.

Zudem bringen wir durch den Entschließungsantrag über den Sachsenfonds nachhaltige Mobilität prioritär voran – mit Investition in Radwege, ÖPNV-Infrastruktur über das Landesinvestitionsprogramm und in die Zweigleisigkeit Chemnitz-Geithain.

Das ist nicht die große Wende, aber ein wichtiger Schritt. Ein Kompromiss. Im Sinne der Gesamteinigung.

Ich trage ihn mit – im Vertrauen, dass dieses Entgegenkommen nicht enttäuscht wird.