Dr. Karl-Heinz Gerstenberg: Wer zu diesem SLUB-Gesetz Ja sagt, der sollte künftig von Hochschulautonomie und Exzellenz schweigen

Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum "Gesetz über die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden und zur Änderung eines weiteren Gesetzes" (Drs. 5/12505), 88. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. Dezember 2013, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
heute wird eine große Chance vergeben: Wir hätten eine Neufassung des Gesetzes über die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek mit großer Mehrheit der demokratischen Fraktionen verabschieden können, denn wir sind uns in drei wichtigen Fragen einig:
 
Es besteht erstens Einigkeit, dass durch die 1995 erfolgte Fusion der traditionsreichen Sächsischen Landesbibliothek und der Universitätsbibliothek der TU Dresden eine der führenden wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland entstanden ist.
Es steht zweitens außer Frage, dass die Bibliothek nicht auf dem Stand von vor 18 Jahren stehen bleiben kann, sondern dass sie den Anforderungen an eine Bibliothek in der digitalen Gesellschaft gerecht werden muss.
Und wir sind uns schließlich auch einig, dass die SLUB mehr Flexibilität braucht, damit sie betriebswirtschaftlich planen und unternehmerisch handeln kann.
 
Um dieses Ziel der Flexibilisierung zu erreichen, hat die Staatsregierung jedoch einen Gesetzentwurf vorgelegt, der geschichtsvergessen, halbherzig und autonomiefeindlich ist. Und Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sind auch noch stolz darauf und verteidigen ihn.
Ich habe mich angesichts der offensichtlichen Mängel dieses Entwurfs in den vergangenen Tagen oft gefragt: Warum tun Sie das? Nun, als freundlicher Mensch glaube ich erst einmal: Sie haben es vielleicht gut gemeint. Aber bereits Kurt Tucholsky sagte: "Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint."
 
Dieser Gesetzentwurf ist nicht gut, weil er geschichtsvergessen ist im Hinblick auf die Gründung der Bibliothek. Dem Gesetz von 1995 waren mehrjährige Debatten und intensive Verhandlungen mit allen Partnern vorausgegangen. Die TU Dresden hat damals auf eine eigene Hochschulbibliothek verzichtet und dafür angemessene Rechte in der neuen gemeinsamen Bibliothek erhalten. Zu diesem Zweck wurde zwischen den Interessen der Landesbibliothek, der Universität und des Freistaates eine sorgfältig austarierte Balance hergestellt.
 
Eben diese gelungene Balance ist eine entscheidende Basis für den bisherigen Erfolg des Fusionsmodells. Prof. Rödel hat dazu im Namen der TU Dresden unmissverständlich erklärt: "Ein maßgeblicher Einfluss der TU Dresden auf die bibliothekarische Versorgung der Hochschule durch die SLUB muss gewährleistet sein. Das war und ist die Geschäftsgrundlage für die Zustimmung der TU Dresden zum Integrationsmodell SLUB als Landes- und Universitätsbibliothek." Frau Staatsministerin von Schorlemer, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: Das, was Staatsminister Prof. Meyer damals sensibel aufgebaut hat, das setzen Sie heute aufs Spiel.
 
Dieser Gesetzentwurf ist zweitens nicht gut, weil er nur halbherzig auf die Anforderungen der digitalen Gesellschaft reagiert. Es reicht eben nicht aus, die klassischen Bibliotheksdienste in die digitale Welt zu transformieren. Angesichts der digitalen Revolution, in der die Googles dieser Welt viel größere Reichweiten entwickeln als es Bibliotheken je können, müssen die neu entstandenen Aufgaben zentral im Aufgabenkatalog formuliert werden.
 
Meine Damen und Herren der Koalition, alle Sachverständigen aus dem Bibliotheksbereich, vom Deutschen Bibliotheksverband über die SLUB bis zur Bayrischen Staatsbibliothek, haben es Ihnen doch ins Stammbuch geschrieben: Es muss eine konsequente Strukturbildung betrieben werden. Deshalb braucht die SLUB nicht nur eine koordinierende, sondern eine intelligent steuernde Funktion bei Bibliotheksprojekten und sie muss mit der Aufgabe betraut werden, digitale Dienste und Infrastrukturen für die TU Dresden und die Bibliotheken im Freistaat zu entwickeln und zu betreiben.
 
Dieser Gesetzentwurf ist drittens schlecht, weil er autonomiefeindlich ist, und das sowohl im Hinblick auf die Hochschulautonomie der TU Dresden als auch auf die Selbstverwaltung der SLUB. Die bisher gesetzlich fixierten Beteiligungsrechte der TU Dresden werden gekappt: Das Vorschlagsrecht für einen Stellvertreter des Generaldirektors verschwindet ebenso wie der Einfluss auf den Bestandsaufbau in den Teilbibliotheken. Es ist ja fast ein Witz der Geschichte: Während das Hochschulfreiheitsgesetz die Beteiligung des SMWK bei der Bestellung von Bibliotheksleitern abgeschafft hat, passiert im SLUB-Gesetz mit der TU Dresden das Gegenteil. Ich halte das für eine unglaubliche Brüskierung der einzigen Exzellenzuniversität unseres Landes.
 
Vor allem aber verletzt die Kappung des Einflusses der TU Dresden auf ihre wissenschaftliche Informationsversorgung die grundrechtlich geschützte Wissenschaftsfreiheit. Das lässt sich auch nicht durch Verlagerung von Beteiligungsrechten in eine Verwaltungsvorschrift ausgleichen. Hier geht es um ein Grundrecht, und zumindest die Juristen unter uns wissen es: Die für dessen Verwirklichung wesentlichen Inhalte müssen wir als Gesetzgeber selbst regeln.
 
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es steht ja grundsätzlich infrage, ob ein Staatsbetrieb die geeignete Rechtsform für die SLUB ist. Hinsichtlich der Erfüllung der Aufgaben für die TU Dresden ist er es gewiss nicht. Die SLUB wird durch diese Rechtsformänderung Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung und die Informationsversorgung der Universität vollständig der Fachaufsicht der Ministerin unterstellt.
 
Ungeeignet ist die Rechtsform Staatsbetrieb aufgrund der Besonderheiten der Sächsischen Haushaltsordnung jedoch auch aus urheberrechtlichen Gründen. Die Haushaltsordnung definiert Staatsbetriebe als Teile der Staatsverwaltung mit einer betriebs- oder erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit. Genau diese Bestimmung wird aber problematisch, wenn es um die Urheberrechtschranken bei der Nutzung digitaler Leseplätze, der Digitalisierung von Beständen oder der Nutzung vergriffener Werke geht.
 
Werte Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns doch nichts vor: Die Verlage stehen bereit, um hier gegebenenfalls mit Klagen vorzugehen. Diesem Risiko sollten wir die SLUB im Interesse ihrer weiteren ungestörten Entwicklung auf keinen Fall aussetzen.
 
Aus allen diesen Gründen wäre die bisherige Form der Anstalt öffentlichen Rechts, per Gesetz ausgestattet mit den notwendigen Freiheiten für eine flexible Wirtschaftsführung, die weit bessere Lösung für eine zukunftssichere Entwicklung der SLUB. Sie jedoch, Staatsregierung wie Koalition, wollen fast um jeden Preis einen Staatsbetrieb. Auch in diesem Falle gäbe es ja gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten, die an die bewährten Gremienstrukturen und Aufgabenzuweisungen des derzeitigen Gesetzes anknüpfen. Alle Vertreter von TU Dresden und SLUB haben sich in den schriftlichen Stellungnahmen oder der Anhörung für einen solchen Weg ausgesprochen.
 
Zugleich wäre es möglich, den Verwaltungsrat nicht nur als klassisches Kontrollorgan zu gestalten, sondern ihm auch die Entscheidung von Grundsatzfragen und die konzeptionelle Steuerung zu übertragen. Aber statt in dieser Weise dem dualen Charakter der SLUB Rechnung zu tragen, schaffen Sie hier, um mit den Worten von Prof. Lehner, Kuratoriumsvorsitzender der SLUB, zu sprechen, einen "Staatsbetrieb nach Schema F". In sächsischer Abwandlung des Satzes aus der Stellungnahme von Dr. Steinauer kann ich dazu nur sagen: Eine Bibliothek ist kein Gestüt!
Einzig der Finanzminister kann doch ein Interesse daran haben, die SLUB solchermaßen an die ministerielle Kandare zu nehmen, wenn er schon wirtschaftliche Freiheiten gewähren muss. Sie, Frau von Schorlemer, müssten sich im Interesse der Universität und der Bibliothek dagegen wehren. Und Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, müssten dafür sorgen, dass im Gesetzentwurf die notwendigen Korrekturen erfolgen.
 
Aber das ist eben der Unterschied zu 1995: Während Ihre Vorgänger damals für umfangreiche Änderungen gesorgt haben, Änderungen, die das Gesetz so erfolgreich gemacht haben, sind Sie bereit, den heutigen schlechten Gesetzentwurf einfach abzunicken. Wer jedoch zu diesem SLUB-Gesetz Ja sagt, der sollte künftig von Hochschulautonomie und Exzellenz schweigen. Wir lehnen es ab.

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