Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Kuhfuß: Impfung ein Beitrag zur Sicherung der Patient*innen-Versorgung

Redebeitrag der Abgeordneten Kathleen Kuhfuß (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD: „Versorgung nicht gefährden – Corona-Impfpflicht abschaffen“ (Drs 7/8963)
44. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 09.02.2022, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleg*innen,

da haben wir mal wieder einen AfD-Antrag, der die Polarisierung in unserer sächsischen Bevölkerung massiv schürt. Hier wird mit der Forderung, die Corona-Impfpflicht abzuschaffen, die Sorge der Pflegekräfte gegen den Schutz der Pflegebedürftigen ausgespielt – ohne konstruktive Lösungen zu suchen. Fakten werden so zurechtgebogen, dass sie ins AfD-Weltbild passen.

Daher ein kurzer Blick in die Statistik im Bereich Fachkräftemobilität.

Nach Auskunft der Agentur für Arbeit Chemnitz haben sich knapp 200 von 14.900 Beschäftigten aus dem Gesundheits- und Sozialwesen seit Dezember 2021 bei der Arbeitsagentur gemeldet. Damit haben sich 1,3 % der Beschäftigten quasi auf den Weg aus dem Beruf gemacht. Vier Gründe sind dabei die häufigsten:

  1. Sie möchten sich nicht weiter dem Risiko einer Infektion aussetzen.
  2. Sie haben die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht.
  3. Wegen familiärer Gründe suchen sie eine Neuorientierung oder wünschen sich einen Wechsel des Arbeitgebers.
  4. Sie wollen sich nicht impfen lassen.

Die Zahlen muss man in den nächsten Wochen weiter beobachten. Aber sie weichen derzeit sehr von dem ab, was öffentlich lautstark artikuliert wird, was über Massenmails oder kopierte Berufsurkunden mit Unmutsbekundungen adressiert wird.

Die Studie des IGES-Instituts zur Sterblichkeit in Sachsen hat im letzten Ausschuss für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt sehr eindrücklich die Lage in der 2. und 3. Welle der Corona-Pandemie in Sachsen dargestellt. So war die Sterblichkeit in Sachsen bis Mitte 2021 doppelt so hoch wie der bundesweite Durchschnitt. Besonders dramatisch war die Lage in den Pflegeheimen. Die Todesfälle im Dezember 2020 beliefen sich auf 4.946, während in sächsischen Pflegeheimen im Durchschnitt 1.810 Menschen verstarben. Und nein, diese Übersterblichkeit lässt sich auch nicht mit der Influenzawelle von 2017 vergleichen, wo 176 Menschen den Tod fanden. Auch wenn das so gerne in den hellblauen Kreisen erzählt wird.

Und genau um diese Senior*innen in den Pflegeeinrichtungen und insgesamt die besonders gefährdeten Personen, die ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, zu schützen, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorgesehen.

Die besonders schlimmen Zahlen in Sachsen sollten zu Demut führen und uns genau zuhören lassen, wie wir das in Zukunft verhindern, statt Fortschritt abzulehnen. Und ja, Impfen ist Fortschritt. Oder vermisst jemand die Pocken, die seit 1979 durch Impfungen ausgerottet sind?

Weiterhin sehe ich nicht, dass die Ausfälle beim Personal durch schwerere Verläufe und längere Quarantäne bei Ungeimpften in ihrem Antrag irgendeine Rolle spielen. Und gerade mit Blick auf die Omikron-Welle wird durch die Impfung der Personalausfall durch schwere Krankheitsverläufe minimiert und verkürzte Quarantänen ermöglicht. Damit ist die Impfung ein Beitrag zur Sicherung der Patient*innen-Versorgung.

Im kommenden Herbst werden wir uns mit neuen Varianten auseinandersetzen müssen. Bisher haben Impfungen bei allen Varianten des Corona-Virus mindestens zu milderen Verläufen geführt. Um auch im Herbst die gesundheitliche Infrastruktur nicht zu überlasten, stellt Impfen eine Alternative zu andauernden Lockdowns dar.

Ihrer einseitigen und destruktiven Betrachtungsweise werden wir uns auf keinen Fall anschließen. Nein, wir werden uns für praktische Lösungen einsetzen.

Wir nehmen die Sorgen der betroffenen Berufsgruppen, der Arbeitgeberinnen und Pflegeverbände auf und führen Gespräche. Wir erleben, dass viele Mitarbeitende gar kein Problem mit der Impfung haben und entsetzt sind von der Globalkritik am Impfen.

Und wir hören denen zu, die individuelle Sorgen und Ängste äußern oder auch sagen, dass sie der Druck in Politik, Familie und Einrichtung zerreibt und sie nicht mehr wissen, was sie wollen. Sie haben teils keine Kraft, sich gegen die verschiedenen, zum Teil aggressiven Positionen zu stemmen.

Jetzt ist natürlich eine schnelle Umsetzungsrichtlinie der Landesregierung notwendig. Denn diese gibt Sicherheit und Orientierung – und die ist auf dem Weg.

An einigen Stellen ist noch nicht klar, wer der Impfplicht unterliegt. Daher ist eine Fokussierung auf die Mitarbeitenden, die unmittelbaren Dienst am Patienten vollbringen, sinnvoll. Ich persönlich finde es gut, wenn der Heizungsmonteur im Pflegheim für sich und sein Umfeld geimpft ist. Ob damit auch die Sicherheit für die Bewohner*innen erhöht wird, steht aber in Frage.

Zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist die Anerkennung von Genesenennachweisen ebenso zu ermöglichen wie die Möglichkeit, sich noch mit einem anderen Impfstoff wie z.B. Novavax impfen zu lassen. Pflegekräften die Notwendigkeit der Impfung zu verdeutlichen, sollte Teil einer Aufklärungskampagne für die Pflege sein.

Dass erfahrene Pflegefachkräfte entscheiden, ihren Beruf aufzugeben, ist bereits ein länger anhaltender Prozess. Die Ursachen liegen unter anderem in unattraktiven Arbeitsbedingungen und der hohen Arbeitsbelastung. Hinzu kommt, am Wochenende für andere da zu sein, statt die eigene Freizeit zu gestalten. Das ist genauso gegen den Trend wie die Tatsache, schwer körperlich und emotional arbeiten zu müssen.

Um dies zu besprechen, braucht es nicht den Antrag der AfD, sondern eine Befassung auch hier im Haus mit den Ergebnissen der Pflegeenquete.

Aber zurück zur Impfplicht:
Mir schrieb vor ein paar Tagen eine Sozialpädagogin aus einer Einrichtung: „Sollte es ab 16.03. zu einem Pflegenotstand kommen, sehe ich die Verantwortung nicht in der Regierung, sondern in jedem Einzelnen, der durch seine Entscheidung in Kauf nimmt, dass seine Arbeitskraft den Menschen, die auf diese dringend angewiesen sind, nicht mehr zur Verfügung steht.“

Und damit auch zurück zum Antrag der AfD:
Statt nach konstruktiven Lösungen zu suchen, heizt die AfD die Menschen an und hetzt sie aufeinander. Es ist ihnen egal, ob ihr Zündeln dazu führt, dass Pfleger*innen ohne Impfung schwere Verläufe haben oder ob am 16.03 Patient*innen ohne Personal da stehen. Sie wollen einfach nur Stimmung machen.

Wir werden diesen rein populistischen Antrag natürlich ablehnen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!