Elke Herrmann: Frauen in Führung!? Ein Plädoyer für die Abschaffung der Männerquote

Redeauszüge der Abgeordneten Elke Herrmann zum Antrag "Gleichstellung in der Besetzung der Führungsgremien befördern" in der 31. Sitzung des Sächsischen Landtages, 10.02., TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zunächst möchte ich etwas sagen, was uns alle wohl – hoffentlich – eint:

1. Mein Ausgangspunkt: Zu wenig Frauen in Führung!
100 Jahre nach Beginn des Frauentages in einer Zeit, in der Frauen über die besseren Bildungsabschlüsse verfügen, sind Frauen immer noch in der Minderzahl in Führungspositionen.
Unser Antrag lässt sich kurz so charakterisieren:
Wir möchten mehr Frauen in Führungspositionen haben!
51 Prozent aller Studienabsolventen sind zurzeit Frauen. Diese Zahl spiegelt sich in keiner Weise in der Besetzung von Führungspositionen wider.
2. Zunächst ein paar Zahlen:
Ich möchte Ihnen dies exemplarisch an ein paar Zahlen verdeutlichen. Ich fange mal bei der Staatsregierung und den Staatsministerien an:
Der Frauenanteil auf Abteilungsleiterebene liegt bei ca. 20 Prozent, bei den Staatssekretären sogar nur bei 10 Prozent. Noch Ende 2007 wurden 74 von 77 durch den Freistaat zu besetzende Aufsichtsratmandate von Männern wahrgenommen.
Etwas besser sieht es in der sächsischen Wirtschaft einer Studie zufolge aus. Ca. 25 Prozent der Führungspositionen in den neuen Ländern sollen angeblich Frauen besetzen.
(Nun zu den eigentlichen Schalthebeln in der Wirtschaft:
2010 nahmen Frauen nur 3,2 Prozent der Vorstandssitze in den 200 größten Unternehmen in Deutschland ein. Bei den 100 größten Unternehmen und den Dax 30 Unternehmen (4 Frauen zu 178 Männern) sind es sogar nur 2,2 Prozent. Bei den Aufsichtsräten nahmen 2010 10,6 Prozent der Frauen Sitze in den 200 größten Unternehmen ein; bessere Werte als bei den Vorständen kommt vor allem durch die Arbeitnehmerentsendung zustande; 30 Prozent aller Aufsichtsräte sind ausschließlich von Männern besetzt.
Sie sehen: Die Zahlen sind erschreckend.)
3. Die Begründung:
Wir Grüne sehen es als Gerechtigkeitsfrage. Und ich nehme an, dass auch andere Kolleginnen und Kollegen hier das ähnlich sehen. Und ich frage mich, was sie auf die Fragen ihrer Kinder antworten, warum so wenig Frauen im Sächsischen Landtag sitzen? Zum Vergleich: In Afghanistan muss ein Viertel der Abgeordnetensitze Frauen vorbehalten sein (derzeit 28 Prozent). Und der Bundesvorstand der FDP hat gerade eine 30 Prozent Quote beschlossen. Das ist der Basis allerdings zu wenig. Recht haben sie! In Polen müssen immerhin 35 Prozent der Listenplätze von Frauen besetzt sein. Wenn nicht, werden die Zuschüsse um die Hälfte gekürzt. Das tut weh. Irgendwelche ‚Sanktionen‘ hat die FDP bisher nicht vorgesehen.
Und bei Fragen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit müssen alle eingestehen – dies zeigen die US-Studien z. B. von Catalyst – dass die Potentiale, die vorhanden sind, nicht ausgeschöpft werden. Schließlich zeigen diese Studien, dass Unternehmen eine wesentliche bessere wirtschaftliche Performance aufweisen, wenn ein hoher Frauenanteil in Führungsgremien sitzt. Frauen in Führungspositionen ist also nicht irgendein ‚Gedöns‘, oder das Anliegen einiger weniger Menschen, sondern hier geht es um wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und um Deutschland und Sachsen als Standortfaktor.
Nur kurz dazu: Die Finanzbranche verfügt über den geringsten Frauenanteil in Führungsebene. Bei Banken und Sparkassen liegt er bei 2,6 Prozent, bei Versicherungen bei 2,8 Prozent. Damit spiegelt er in keiner Weise wieder, dass Frauen weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten in dieser Branche stellen.
4. Mit wem wir uns bei der derzeitigen Debatte einig sind:
Offenbar sind sich fast alle einig. Ich möchte Ihnen nur einige wenige Prominente und Sachverständige vorstellen:
Frau Maria Böhmer (Vorsitzende der Frauen-Union) von der CDU hat unlängst erklärt, dass «Wirtschaftliche Gründe […] für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen» sprechen (PM 26.01.2011).
Ingrid Petzold, Vorsitzende der Frauen Union Sachsen erklärte am 4.2.2011: «Wir brauchen jetzt klare gesetzliche Regelungen für die Erhöhung des Anteils von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen!»
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier erklärte Anfang des Jahres: «Ich stehe der Idee aufgeschlossen gegenüber, europaweit Frauenquoten einzuführen, beispielsweise in den Vorständen der großen börsennotierten Unternehmen.»
Frau von der Leyen hat einen 30-Prozent-Schlüssel vorgeschlagen, der als Mindest-Marge für Männer und Frauen gleichermaßen gelten solle. Dieser müsse sowohl für die Vorstände als auch Aufsichtsräte vor allem von börsennotierten Unternehmen gelten und soll bei Nichteinhaltung sanktioniert werden.
EU-Justizkommissarin Vivian Reding erklärt: «Am Thema Frauenquote kommen wir deshalb nicht vorbei.»
5. Unser Antrag im Detail
Unser Antrag sieht vor, auf allen Ebenen, d. h. in der sächsischen Verwaltung, in Sachsen und auf Bundesebene Frauen in der Privatwirtschaft in Führungsebenen zu bringen.
Zur sächsischen Verwaltung:
Die Zahl der Abteilungsleiterinnen von 1/5 spricht Bände. Das seit 17 – ich betone siebzehn Jahren in Kraft getretene Frauenförderungsgesetz – ist natürlich nur so gut, wie die Zielsetzung politisch vorangetrieben wird. Wir haben uns § 15 Sächsisches Frauenförderungsgesetz herausgegriffen. Danach haben die Dienststellen bei der Besetzung von Gremien, für die sie ein Entsendungs-, Bestellungs- oder Vorschlagsrecht haben, auf eine gleiche Beteiligung von Frauen und Männern hinzuwirken. Dieser Paragraph ist übrigens in dieser Fassung schon seit 1994 in Kraft. Wie wir an der Zahl von 2007 sehen, als 74 von 77 durch den Freistaat zu besetzende Aufsichtsratmandate von Männern wahrgenommen wurden, wird diese Vorschrift in der Praxis nicht beachtet. Und wenn das zuständige Staatsministerium nicht tätig wird, dann wird es auch dabei bleiben. Daher haben wir im Punkt 1 unseres Antrags Vorschläge gemacht, wie die Umsetzung verbessert werden kann.
Zur sächsischen Wirtschaft:
Waren Sie, liebe Abgeordnete, schon mal auf den Internetseiten der IHK Sachsen? Das Thema "Frauen in Führungspositionen" ist trotz der verheerenden Zahlen und des Umstands, dass das Problem nun allen bewusst ist, kein Thema. Wir halten es für einen guten Ansatzpunkt, sich mit der Sächsischen IHK und Vertreterinnen und Vertretern  von Unternehmen zusammenzusetzen, um Strategien zu entwickeln, Frauen in Führungspositionen zu bringen. Eine weitere Möglichkeit ist die bevorzugte Vergabe von Aufträgen an Unternehmen, die gleichstellungsorientiert arbeiten und Frauen in der Führungsebene haben. Es gibt bereits in mehreren Ländern wie Brandenburg, Thüringen und Berlin entsprechende Regelungen in den Landesgleichstellungsgesetzen.
Zu Initiativen auf Bundesebene:
Wir fordern eine 40 Prozent Quote für Frauen in Aufsichtsräten. Und wir fordern die Überarbeitung der Regelungen, wer wie in einen Aufsichtsrat gewählt wird. Schließlich sind diese Regelungen, das wissen wir, zwar durch Rechtsprechung untersetzt, aber letztlich doch wachsweich.
6. Zum ewigen Quotengenörgel:
Liebe Abgeordnete, ich kann das ganze Quotengenörgel nicht mehr hören. Wir wissen alle, dass es das effektivste Instrument ist.
Wer sich also hier gegen die Quote ausspricht, möge bitte bessere Vorschläge machen. Freiwillige Selbstverpflichtungen, das haben wir gesehen, bringen rein gar nichts. Schon 2001 wurde die freiwillige Selbstverpflichtung zur Gleichstellung von Männer und Frauen in der Privatwirtschaft abgeschlossen, da sich die SPD nicht zu einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft durchringen konnte. Gebracht hat das gar nichts.
Wer vorbringt, dass Frauen nicht aufgrund einer Quotierung in eine Führungsposition gelangen wollen, dem möchte ich gleich antworten: Welcher Mann hat sich jemals dagegen ausgesprochen, eine Führungsposition aufgrund einer Quote zu haben, obwohl doch mehr als deutlich ist, dass wir umgeben von Quotenmännern sind. Gerade in Führungspositionen, und insbesondere in Entscheidungs- und Aufsichtsgremien kommen sie doch vor allem durch eins: qua Geschlecht und über ihre Netzwerke.
In Norwegen war die Quotierung jedenfalls erfolgreich: Der Frauenanteil ist in fünf Jahren um das vierfache gestiegen!
Die Quote hat einfach auch den Vorteil, dass eine kritische Masse erreicht wird, die tatsächlich etwas ändern kann und Unternehmensentscheidungen beeinflussen kann. Beim Gruppenbild mit Dame ist dies nicht der Fall.
Wenn Frau Staatsministerin Clauß in ihrer Pressemitteilung vom 30.1. den Führungsanteil von Frauen in Ostdeutschland mit 24 Prozent über den Klee lobt, frage ich Sie: woraus schließen Sie diese Tatsache? Aus der Studie des DIW Berlin kann ich das so nicht erkennen. Und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eben nicht das einzige Problem, dass Frauen auf dem Weg in die Führungsetagen behindert. In der DDR waren nahezu alle Frauen erwerbstätig. Aber trotz guter Bildungsabschlüsse in allen Bereichen und einem ausreichenden Betreuungsangebot für die Kinder  gab es kaum Frauen in Führungspositionen!!! Das zeigt doch deutlich, dass diese Voraussetzungen eben nicht ausreichen!
Die Ursachen der strukturellen Diskriminierung liegen nicht allein daran, dass Frauen Kinder haben und in einer Familie leben. Frauen werden einfach – nur weil sie als Frauen  wahrgenommen werden – am beruflichen Aufstieg gehindert. Dies geht Frauen mit Kindern genauso wie Frauen ohne Kinder. Ihre Politik ist daher sehr einseitig. Dies zeigt sich schon beim Umbau der Leitstelle für Gleichstellung in eine Leitstelle für Gleichstellung und Familie und Gesellschaft. Frauen haben Kinder. Männer auch. Dies ist aber einfach nicht alles in der Gleichstellungspolitik.
7. Zuletzt die Empfehlung der Fraunhofer Kommission, die den Gleichstellungsbericht für die Bundesregierung erarbeitet hat:

Diese empfiehlt im Januar 2011:
Ich zitiere: «Der Anteil von Frauen in Führungspositionen muss erhöht werden.»
Im Einzelnen schlägt die Kommission folgende Maßnahmen vor:
Zur Herstellung einer geschlechtergerechteren Besetzung in Leitungs- und Entscheidungspositionen spricht sich die Kommission dafür aus,
eine Geschlechterquote für Aufsichtsräte einzuführen. Mit Blick auf die stagnierende Entwicklung der Frauen im Topmanagement in Deutschland sollte eine Mindestanzahl weiblicher Mitglieder des Aufsichtsrats festgesetzt werden. Die Kommission empfiehlt dem Gesetzgeber, Modelle für branchenspezifische wie auch eine branchenübergreifende Mindestanteilsregelung zu eruieren. Für den Fall der Nichteinhaltung der Quotenregelung sollten Sanktionen vorgesehen werden. Die Möglichkeit weitergehender – zumindest vorübergehend eingesetzter – Quotierungen von Frauen in Führungspositionen sollte im Sinne einer innovativen Gleichstellungspolitik durch den Gesetzgeber konstruktiv geprüft werden.
In kleinen Unternehmen könnten Verbundprojekte zur Verbesserung der
Chancen für die Besetzung von Führungspositionen gefördert werden.
Zugleich empfiehlt die Kommission, entsprechende Geschlechterquoten
publizistisch als ein Instrument zur Gleichstellung zu begleiten, um so den derzeit durch mediale Auseinandersetzungen verursachten Ressentiments gegenüber dem Begriff Quote entgegenzuwirken.
Best-Practice-Beispiele von Unternehmen wie der Deutschen Telekom AG vermögen zu helfen, die Akzeptanz von Quotenregelungen zu verbessern. Auch hier ist wie im Falle der Entgeltungleichheit zu empfehlen, das Vergaberecht für öffentliche Aufträge an den Nachweis einer erfolgreichen Gleichstellungspolitik zu binden.
Nur als kleine Spitze gegen die anwesenden Männer im Saal. Ich kann verstehen, dass sie die Privilegien der Männer nicht anrühren mögen. Aber ganz ehrlich: Wäre es nicht gut, für uns alle, wenn Männer nicht nur über die Quote in Führungspositionen gelangen, sondern sich an Frauen mit besseren Bildungsabschlüssen messen müssten? Das würde uns doch allen ganz gut tun.
Ich bitte daher um Ihre Zustimmung!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.