Elke Herrmann: Staatsregierung präsentiert mit dem 10-Punkte-Plan keine neuen Ansätze zur Bekämpfung der Droge Crystal
Redebausteine der Abgeordneten Elke Herrmann zur Aktuellen Debatte:
"Prävention, Beratung, Repression – Droge Crystal konsequent bekämpfen"
96. Sitzung des Sächsischen Landtages, 21. Mai 2014, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Meine Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Präsident,
der Zehn-Punkte-Plan "Sachsen gegen Drogen" zeigt, dass die Koalition endlich ihre Position geändert hat und ein umfassendes Konzept zur Bekämpfung von Crystal nun doch für dringend notwendig hält. Vor einem Jahr wurde unser Antrag "Crystal – Sofortprogramm zur Stärkung der ambulanten Suchtberatung in Sachsen" (Drs. 5/10944) mit der Begründung abgelehnt, die Suchtberatungsstellen seien finanziell ausreichend ausgestattet. Uns wurde damals von der CDU-Abgeordneten Karin Strempel vorgeworfen, wir würden uns nur auf Crystal konzentrieren. "[…] ich wiederhole: nur auf Crystal. Wir müssen endlich eine Gesamtdrogenproblematik anstreben. Ob legal oder illegal – ein ganzheitlicher Ansatz ist gefordert und notwendig." Anja Jonas von der FDP klagte an: "Süchte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden". Schon damals hat die Staatsregierung nicht verstanden, dass ein Sofortprogramm, d.h. mehr Geld und Personal für die Suchtberatungsstellen die Voraussetzung dafür sind, Crystal-User überhaupt zu erreichen. Die Überlastung der Suchtberatungsstellen geht derzeit zu Lasten anderer Suchterkrankter, allen voran den Alkoholerkrankten. Wir halten deshalb unsere Forderung aufrecht, dass Sachsen ein Fachberaterschlüssel von 1:20.000 braucht und eine Qualifizierung im Umgang mit der Crystalproblematik.
Nach Ansicht der Staatsregierung fehlt es nicht unbedingt an Beratung und Behandlung, sondern an Prävention und Repression. Die Einschätzung von Sozialministerin Christine Clauß teilen wir nicht: "Die Hauptprobleme […] sind eine vergleichsweise leichte Verfügbarkeit und der niedrige Preis. Deshalb muss die Bekämpfung vor allem mit repressiven polizeilichen Mitteln erfolgen". Prävention beugt Repression vor. Frau Strempel von der CDU meinte in der Debatte im vergangenen Jahr: "Dass ich dem Kind, das bereits im Brunnen liegt, helfen muss und helfen werde – ich denke, das ist selbstverständlich, und es wird auch geleistet. Aber es ist doch viel, viel wichtiger, dafür Sorge zu tragen, dass das Kind überhaupt nicht erst in den Brunnen fallen kann." Umso tragischer ist es, dass die polizeiliche Drogenprävention, wie von Innenminister Ulbig angekündigt, unter dem Stellenabbau bei der Polizei leiden wird. (Dazu haben wir eine mündliche Anfrage gestellt).
Die Präventionsarbeit an den Schulen soll nach dem Willen der Staatsregierung verstärkt durch Beratungslehrer übernommen werden. Beratungslehrer werden von der Schulkonferenz bestellt und sind speziell für Beratungsaufgaben qualifiziert. Es ist wichtig und sinnvoll verlässliche Ansprechpartner für alle Schüler, deren Eltern sowie die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen zu haben, die auch zu Crystal weitergebildet sind. Allerdings liegen die Beratungsstunden im Entscheidungsrahmen der Schulen. Die zeitlichen Ressourcen sind aufgrund der Vielfalt an Aufgaben begrenzt. Und auch hier vergisst die Staatsregierung wie so oft, Prävention ist mehr als Information. Kinder und Jugendliche brauchen Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen. Diese Unterstützung suchen Sie nicht immer in der Schule oder im Elternhaus. Deshalb müssen mehr Angebote der offenen Kinder und Jugendarbeit gefördert werden. Die Jugendhilfe ist ein wichtiger Partner im Bereich Drogenprävention.
Schlussendlich ist festzustellen, die Staatsregierung präsentiert mit dem 10-Punkte-Plan "Sachsen gegen Drogen" keine neuen Ansätze zur Bekämpfung der Droge Crystal. Die Präventionsstrategie baut auf Information, Beratung und Behandlung sowie Repression, beschränkt sich dazu jedoch auf eine bessere Verzahnung von bereits bestehenden Einzelmaßnahmen. Ob die Strategie mehr als eine Absichtserklärung ist, wird sich (auch) bei der Finanzierung zeigen. Bislang ist unklar, ob schon im laufenden Haushaltsjahr mehr Geld bzw. Personal im Rahmen der 10-Punkte-Plans zur Verfügung gestellt wird. (Auch dazu haben wir eine mündliche Anfrage gestellt). Die gezielte Aufklärung über die Droge und die Vermittlung von Crystal-Usern in die Suchtberatungsstellen läuft ins Leere, wenn diese keine Kapazitäten für Beratung und Behandlung haben.
Ebenso unklar ist, inwieweit neben den Stellen der Suchtberatung und -behandlung auch die Bereiche Schule, Jugendhilfe, und Kommunen, wie angekündigt, bei der Erarbeitung des Konzepts beteiligt wurden. Eine wirkungsvolle "Verzahnung von Einzelmaßnahmen" wird nur möglich sein, wenn die Staatsregierung die Zusammenarbeit mit der Suchthilfe und deren Partnern sucht.