Elke Herrmann: Thema Energiearmut – Vorschläge der GRÜNEN liegen auf dem Tisch
Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zum Antrag "Bezahlbare Strompreise für alle – Lasten des Umbaus der Energieversorgung sozial gerecht verteilen" (Drs. 5/11754), 86. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. November 2013, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Präsident!
Ich finde es gut, dass wir das Thema Energiearmut heute noch einmal diskutieren. Auch wenn es wieder nur um Strom geht und die weit höheren Kosten für Wärme und Mobilität ausgeblendet werden.
Steigende Energiepreise haben vielfältige Ursachen. Hauptgründe sind: Die steigende Nachfrage nach Rohstoffen in Schwellenländern und oligopolartige Strukturen auf dem deutschen Energiemarkt.
Es ist ebenso populär wie falsch, die steigenden Energiepreise der Energiewende anzulasten. So ist die Umlage nach dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG-Umlage) seit 2002 um 4 Cent je Kilowattstunde gestiegen, während der Strompreis insgesamt um 14 Cent je Kilowattstunde gestiegen ist.
Dass verschärft natürlich soziale Probleme. Und Energiearmut ist ein soziales Problem. Deren Ursachen sind jedoch ebenfalls komplex.
Der vorliegende Antrag wird dem nur zum Teil gerecht. Er enthält zur Lösung sowohl geeignete als auch ungeeignete Vorschläge.
Der Energieanteil im Hartz-IV-Satz muss natürlich jährlich an die Preisentwicklung angepasst werden. Das ist klar und so verlangt es auch das Sozialstaatsgebot im Grundgesetz.
Warum steigen die Preise für Haushaltskunden?
Die Industrie ist an den Kosten der Energiewende sehr beschränkt beteiligt. In Sachsen sind zum Beispiel der Braunkohlebergbau von Vattenfall und Sachsenmilch befreit.
Wir unterstützen deshalb eine gerechte Verteilung der Investitionskosten für die Energiewende zwischen Industrie, Mittelstand und Privathaushalten. Aber es sollte weiterhin Ausnahmen geben: mit Beschränkung der Befreiungen auf stromintensive Unternehmen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen. Außerdem sollten begünstigte Unternehmen mit 0,5 statt bisher 0,05 Cent je Kilowattstunde an der EEG-Umlage beteiligt werden. Die Erhöhung des Mindestbeitrags dient so auch als Ausgleich für die Preissenkungen beim Börsenstrom durch den Merit-Order-Effekt der Erneuerbaren Energien.
Das Wehklagen von Eon und RWE, dass sich mit den derzeitig niedrigen Strompreisen kein Geld verdienen lässt, wird ja immer lauter. Aber die Gewinnprognosen für dieses Jahr bewegen sich auf dem Niveau der Vorjahre. RWE: 9 Mrd. Euro; Eon: knapp 10 Mrd. Euro jeweils vor Steuern und Zinsen. Damit werden Kapitalrenditen über 10 Prozent gehalten.
Der Agora Energiewende hat das Beratungsunternehmen Energy Brainpool beauftragt, diese Frage in der Studie ‚Zusammenhang von Strombörsenpreisen und Endkundenpreisen‘ genauer zu untersuchen. Zentrales Ergebnis: Vor allem die Grundversorger haben ihre höheren Erlöse durch die Einspeisung von Erneuerbaren Energien nicht weitergegeben.
Aber die Lösung kann nicht sein, dass der Staat die Strompreise festlegt. Hier muss im Gegenteil das Kartell durch mehr Wettbewerb aufgebrochen werden. Dann sinken auch die Preise. Deshalb ist die Energiewende mit der Dezentralisierung der Stromerzeugung genau der richtige Weg. Energiewende heißt auch Beendigung der Oligopolstrukuren.
Ja, es ist Realität: die Zahl der Energiesperren steigt!
Eine Strom- oder Gassperre hat einschneidende Folgen für die Menschen.
Besonders für schutzbedürftige Kinder, behinderte Menschen, Alte und Pflegebedürftige. Sperren gefährden unmittelbar ein menschenwürdiges Dasein.
Energiesperren lösen keine Probleme, sondern verschärfen sie und nützen auch den Energieversorgern nur auf den ersten Blick. Denn diese müssen bis zu einer zulässigen Sperrung erhebliche Rechtsverfolgungskosten aufbringen; so verschicken sie im Schnitt auf hundert Zähler knapp 40 Mahnungen. Vier Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind allein im Forderungsmanagement beschäftigt
Deshalb unterstützen wir das Verbot von Stromsperren.
Aber das ist nur die halbe Antwort: Zur Lösung des Problems schlagen wir vor: Die Versorger sollen bei gravierenden Zahlungsrückständen Vorkassezähler einbauen.
Strom und Gas werden dann nur noch in dem Umfang geliefert, wie zuvor bezahlt worden ist.
In Sachsen werden Vorkassezähler von den Stadtwerken Riesa, Freital und Glauchau schon eingesetzt. Sie ersparen sich teure Mahnverfahren und neue Forderungsausfälle, auch der Aufwand für Sperrungen und Entsperrungen entfällt. Riesa will dieses System deshalb weiter ausbauen.
Die Vorteile für die Kundinnen und Kunden liegen auf der Hand: Statt nach einer Sperre in einer dunklen kalten Wohnung zu sitzen, können Kunden nach Bedarf ihr Guthaben aufladen. Die Schwelle für einen geringen Energiebezug wird massiv abgesenkt. Zudem werden zusätzliche Energieschulden nach dem Einbau der Zähler effektiv verhindert. Die Kundinnen und Kunden bekommen regelmäßig eine direkte Rückmeldung über ihren Verbrauch. Dies trägt zum sparsamen Energieeinsatz bei, Vorkassezähler schaffen damit sowohl Kostentransparenz als auch Kostenbewusstsein. Stadtwerksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter berichten von einer hohen Kundenzufriedenheit mit digitalen Prepaid-Zählern, auch bei Gewerbetreibenden.
Energiesparen ist natürlich der nächste wichtige Baustein.
Statt staatlicher Zuschüsse für den Kauf von sparsamen Haushaltsgeräten schlagen wir aber einen Sozialcontractingfonds vor.
Denn das ist richtig: Bedürftige Haushalte können Investitionen in energiesparende Maßnahmen oft nicht finanzieren. Die technische Ausstattung dieser Haushalte ist häufig eine Mischung aus vor langer Zeit erworbenen, gebraucht gekauften oder meist alten geschenkten Geräten. Deshalb sind die Einsparpotenziale erheblich. Platte Appelle á la "dicken Pulli anziehen", Flyer oder Broschüren mit Energiespartipps greifen zu kurz.
Wir haben schon im März einen sächsischen Sozialcontractingfonds zur Finanzierung von Beratungen und investiven Stromsparmaßnahmen für arme Haushalte vorgeschlagen. Schon durch die Installation von Steckdosen, Sparleuchten und Zeitschaltuhren kann der Stromverbrauch um durchschnittlich 215 Kilowattstunden gesenkt werden. Kommt noch der Kühlschrank dazu, sind es schon über 650 Kilowattstunden im Jahr. Das sind bei heutigen Preisen knapp 200 Euro.
Für die bedürftigen Haushalte in Sachsen errechnet sich bei einer geschätzten Annahmequote von 25 Prozent über die Nutzungsdauer der Technologien und bei konstanten Strompreisen eine Stromkosteneinsparung von insgesamt 108 Millionen Euro. Dafür müssten etwa 27 Millionen Euro an Kosten vorfinanziert werden. Die werden jedoch über die eingesparten Stromkosten von den Haushalten zurückgezahlt. Der Nettonutzen beträgt also rund 80 Millionen Euro oder durchschnittlich 1.200 Euro je Haushalt über die Jahre.
So schonen wir den knappen Landeshaushalt und die Brieftasche armer Sachsen.
Wir können also dem Antrag insgesamt nicht zustimmen.
Aber die Punkte Anpassung der Hartz IV-Sätze, Verbot von Stromsperren und kostenlose Beratungen für arme Haushalte unterstützen wir gern.
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