Elke Herrmann zum Koalitionsantrag „Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Sachsen verbessern“

Verbesserung der Anerkennungsverfahren geht Hand in Hand mit einer Verbesserung der Lebenssituation zahlreicher Migranten – Koalitionsantrag ist ein Anfang, aber nicht konsequent
Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zum CDU/FDP-Antrag "Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Sachsen verbessern" in der 42. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12.10., TOP 7

Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir begrüßen, dass sich die Regierungskoalition endlich des Themas Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse und Qualifikationen angenommen hat und nunmehr mit einer entsprechenden Initiative begleitet.
Dass die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse in Deutschland und insbesondere in Sachsen mit großen Problemen verbunden ist und Integration verhindert, dürfte nunmehr bei allen angekommen sein. Zum einen hat in dankenswerter Weise der Sächsische Ausländerbeauftragte Dr. Martin Gillo seinen Auftrag als Moderator des Runden Tisches Anerkennung sehr ernst genommen. Er hat alle Ausschüsse besucht und die Problematik um die katastrophale Situation bezüglich der Anerkennung gerade von Berufsabschlüssen aus Nicht-EU-Staaten sehr eingängig verdeutlicht. Daneben hat meine Fraktion mit einem eigenen Antrag (Drs. 5/4996) erst kürzlich dafür gesorgt, dass sich der Landtag mit dem Thema befasst.
Aus der nicht einmal einjährigen Arbeit des Runden Tisches Anerkennung sind Empfehlungen hervorgegangen, die, würden sie alle konsequent umgesetzt, einen kompletten Kurswechsel nach sich zögen. Eine Verbesserung der Anerkennungsverfahren insgesamt geht Hand in Hand mit einer Verbesserung der Lebenssituation und Lebensperspektive zahlreicher in Sachsen lebender Migranten; sie geht auch einher mit einer Verbesserung der Fachkräftesituation.
Die Punkte des vorliegenden Antrags geben einige Empfehlungen des Runden Tisches und einige Empfehlungen von Herrn Gillo wider. So zum Beispiel die Forderung, dass es gleiche Prinzipien für die Bundes- und die Landesgesetzgebung geben soll (Antrag Punkt 3), dass die Finanzierung von Nachqualifizierung und Spracherwerb vorangetrieben werden muss (Antrag Punkt 6) oder auch die Etablierung eines Lotsensystems.
Ich vermisse in dem Antrag, die in den Empfehlungen vorgeschlagenen flankierenden Maßnahmen, wie z.B. die Verständlichkeit der Informationsblätter, Anerkennungsbescheide bzw. Hinweisschreiben erhöht werden soll. Dabei handelt es sich im Übrigen um eine Maßnahme, über die viele Sachsen froh sein dürften, die sogar Auswirkungen auf die Anordnung von rechtlichen Betreuungen haben dürfte.
Weiterhin genannt ist die Stärkung der interkulturellen Kompetenz. Auch diesen Punkt vermisse ich. Die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung von Berufsabschlüssen ist das eine. Das andere ist jedoch, und das belegen Studien und Antidiskriminierungsberatungsstellen, dass es für Menschen mit einem nicht deutsch klingenden Namen ungleich schwerer ist, eine Anstellung zu finden. Sie begegnen Vorurteilen und können zumeist nicht einmal die Hürde zum Vorstellungsgespräch überspringen. Gerade deshalb kommt der Stärkung der interkulturellen Kompetenz eine herausragende Bedeutung zu.
So könnte ich jetzt jeden Punkt der Empfehlungen mit Argumenten untersetzen. Da sich ja der Landtag in absehbarer Zeit noch mit den Empfehlungen des Runden Tisches Anerkennung beschäftigen wird, werden wir weiter Gelegenheit haben, das Thema angemessen zu begleiten.
Äußerst irritiert hat mich Punkt sechs des Antrags, insbesondere der Vorschlag, Kreditzugänge so auszugestalten, dass sie an Motivation, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung anknüpfen. Diese Forderung halte ich gerade vor dem Hintergrund für verfehlt, dass Nichtdeutsche im Vergleich eine besonders hohe Gründungsbereitschaft und wirtschaftlichen Erfolg aufweisen.
Auch im Nationalen Integrationsplan wird der wirtschaftliche Stellenwert von Betriebsgründungen durch Migranten gewürdigt. An gleicher Stelle wird aber auch ein Bedarf an passgenaueren Angeboten der Gründungsberatung und des Coachings in der Gründungsphase diagnostiziert. Bund, Länder und Industrie-, Handels- und Handwerkskammern haben sich verpflichtet, ihre spezifischen Angebote für Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund zu verstärken.
Ich frage mich auch, wie die Regierungskoalition zu dieser Erkenntnis kommt. Auf eine kleine Anfrage meiner Fraktion bezüglich des Gründungsverhaltens von Nichtdeutschen antwortete die Staatsregierung mit Nichtwissen.
Vor diesem Hintergrund ist es geboten, Punkt 6 des Antrags zu ändern. Nicht nur, um die Zusagen aus dem Nationalen Integrationsplan einzulösen, sondern auch und gerade, um die Wirklichkeit aufzugreifen und angemessen zu berücksichtigen.