Elke Herrmann zur 2. Lesung „Gesetz über die Sächsische Härtefallkommission“

Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zur 2. Lesung des GRÜNEN Entwurfs „Gesetz über die Sächsische Härtefallkommission“ (Drs. 5/308) in der 17. Sitzung des Sächsischen Landtages, 16. Juni, TOP 8
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum 30. Juni, also in zwei Wochen läuft die Verordnung über die Sächsische Härtefallkommission aus. Aus diesem Anlass haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Arbeit der Kommission nunmehr auf eine gesetzliche Grundlage stellen soll.
Bevor ich noch einmal näher auf einzelne Punkte unseres Gesetzes eingehe, möchte ich Sie mit einem kurzen aus dem Leben gegriffenen Fall konfrontieren. Das ermöglicht uns, einmal die abstrakte Ebene zu verlassen und ganz konkret zu erfahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit welchen Fällen die Härtefallkommission konfrontiert wird.
Die kurdischen Familie Y, die seit 2002 gemeinsam mit ihren drei schulpflichtigen Kindern in Borna lebt, hätte nämlich mit der derzeitigen Verordnungslage kaum Aussicht auf Erlangung eines Aufenthaltstitels. Der Vater ist ausgebildeter Tiefbauingenieur mit Berufserfahrung aus seinem Heimatland. Er bekam verschiedene Arbeitsangebote, musste diese aber mangels Arbeitserlaubnis ausschlagen.
Ein Antrag bei der Härtefallkommission hätte nach der alten Verordnungslage auch kaum Erfolg, da ein Ersuchen in der Regel nur angenommen wird, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist. Der Lebensunterhalt ist jedoch jetzt noch nicht gesichert, da der Vater wie eben schon gesagt, gar nicht arbeiten darf, weil er keine Arbeitserlaubnis erhält. Dann besteht weiter die Möglichkeit, dass die Familie hier jemanden findet, der eine sogenannte Verpflichtungserklärung für sie abgibt. Das heißt, jemand verpflichtet sich dazu, für sämtliche Kosten der Familie aufzukommen – einschließlich Krankenversicherung.
Welche Summen für eine fünfköpfige Familie zusammen kommen, können Sie sich sicher vorstellen.
Und dann frage ich Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen, ob Sie eine solche Verpflichtung eingehen würden? Familie Y hat also niemanden gefunden, der für sie eine Verpflichtungserklärung zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgeben würde. Das bedeutet, dass die Familie durch alle Raster fällt, obwohl sie gut integriert ist und ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen könnte. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf könnte die bereits erfolgreiche Integration fortgeführt werden.
Warum könnte in dem eben geschilderten Fall die Integration fortgeführt werden? Herausgreifen möchte ich nur exemplarisch einige Punkte.
Unser Entwurf ermöglicht es zum Beispiel, dass das Ersuchen der Familie Y der Kommmission überhaupt vorgetragen werden darf. Bisher ist es so: Wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, führt dies in der Regel dazu, dass der Vorsitzende der Kommission das Ersuchen überhaupt nicht an die Kommission weiterleitet, das heißt dann, es bleibt schon in diesem Verfahrensstadium stecken.
In unserem Gesetzentwurf geht es zum einen um den Abbau von Hürden für die Inanspruchnahme der Kommission. Die jetzt noch aktuelle Verordnung nennt eine ganze Reihe von Vorbedingungen – neben der Sicherung des Lebensunterhalts sind das z.B. die Annahme, dass der Ausländer die Mitwirkungspflichten verletzt hat – die erfüllt sein müssen, damit ein Fall überhaupt erst in der Härtefallkommission besprochen werden kann. Aus unserer Sicht widerspricht das eklatant dem humanitären Auftrag der Kommission, der gerade auch vom Bundesgesetzgeber so gewollt ist.
Im Rahmen der Anhörung wurde deutlich, dass gerade absolute Ausschlussgründe eine Abwägung aller positiven und negativen Aspekte eines Falles verhindern. Wolle man eine objektive, richtig gute Härtefallentscheidung, und jetzt zitiere ich den Vorsitzenden der baden-württembergischen Kommission, «muss man alle objektiv positiven und objektiv negativen Aspekte auf die Waage legen können.»
Zum anderen haben wir mit unserem Gesetzentwurf die Zusammensetzung der Kommission erweitert. Uns war wichtig, dass genderspezifische Aspekte bei der Beurteilung, ob ein Härtefall vorliegt oder nicht, ausreichend Beachtung finden. Es werden aber auch die staatlichen Institutionen in die Härtefallkommission einbezogen. Am Ende entscheidet das Innenministerium über die Gewährung der Aufenthaltserlaubnis. Deshalb ist es auch sinnvoll, dass das Innenministerium und das Sozialministerium von Anfang an aktiv in die Arbeit der Kommission einbezogen werden.
Wir wollen es nicht der Exekutive überlassen, die Regeln über die Arbeit der Härtefallkommission hinter verschlossenen Türen festzulegen. Gerade in einem so sensiblen Bereich ist einer gesetzlichen Regelung der Vorrang einzuräumen. Ein Gesetz basiert auf einer breiten demokratischen Legitimation, spiegelt einen politischen Konsens wieder und ihm kommt außerdem eine stärkere Bestandskraft zu.
Und jetzt zum Abschluss, sehr geehrter Herr Ulbig, wenn wir in Einwanderung eine Chance sehen für unser Land, dann ist es wichtig, auch die einzelnen Menschen zu sehen. Wir bieten Menschen eine Chance und in unserem Land eine neue Heimat. Deshalb ist es so wichtig, die Arbeit der Härtefallkommission entsprechend zu sichern und sie in die Lage zu versetzen, ihren humanitären Auftrag wahrnehmen zu können.
Die Mitglieder der Härtefallkommission haben in den vergangenen Jahren engagierte Arbeit geleistet. Die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf ist zugleich Anerkennung für dieses Wirken und Auftrag für die Zukunft. Wir bitten Sie deshalb um ein positives Votum.