Elke Herrmann zur Aktuellen Debatte Pflege-TüV
Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zur Aktuellen Debatte „Ein Jahr ‚Pflege-TÜV‘ – Wie gut ist die Pflege in Sachsen“ in der 21. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29.09., TOP 2
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich werde gleich bei meiner Vorrednerin anschließen. Transparenz allein ist noch keine Kenngröße für Qualität. Wir haben natürlich das Problem, wenn wir den Schlüssel und die Finanzierung der Pflege noch auf dem Stand von 1993 haben, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht unbedingt so sind, dass wir eine gute Pflege erwarten können. Da nützt uns dann die ganze Transparenz nichts.
Noch einmal zu dem Ziel der Initiative: Das ist eine verständliche, übersichtliche und vergleichbare Darstellung von den in den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen. Das war der Anspruch, der den Pflege-TÜV hervorgebracht hat. Darin würde die Pflegetransparenzvereinbarung eingeführt, die diese Fragen beinhaltet, auf die die Kollegen jetzt schon eingegangen sind.
Diese Pflegetransparenzvereinbarung ist nur vorläufig? Warum ist sie vorläufig? Weil es derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnisse und der Lebensqualität pflegerischer Versorgung in Deutschland gibt.
Also, wissenschaftlich gesichert ist das nicht, was wir hier machen. Das müssen wir uns immer einmal vor Augen halten. Damit steigt und fällt natürlich das, was wir da hineininterpretieren oder nicht.
Die Kritikpunkte sind jetzt schon angesprochen worden. Ich möchte auch noch etwas Wasser in den Wein gießen. Punkt 1 ist natürlich — das ist gesagt worden — die Vergleichbarkeit der verschiedenen Kriterien. Dazu werde ich jetzt nicht noch einmal viel sagen, also Dekubitusprophylaxe gegen das Aushängen des Speiseplans in leserlicher Schrift zum Beispiel.
Aber Kritikpunkt 2, wo findet sich eigentlich die Individualität der Menschen in den Fragen wieder. Wenn ich Sie jetzt frage — ich nehme einfach einmal eine Frage aus diesem Fragekatalog —: Veranstaltet das Pflegeheim jahreszeitliche Feste? Das ist die Frage 48 aus dem Bereich 3 Soziale Betreuung und Alltagsgestaltung. Da wird es sicher unter Ihnen welche geben, die die Tatsache, dass das Pflegeheim genau das macht, für wichtig halten. Aber Ihr Nachbar wird das vielleicht für völlig unerheblich halten.
Oder die Frage 54: Gibt es ein Angebot zur Sterbebegleitung auf der Basis eines Konzeptes? Da werden sicher sehr viele Kollegen Ja sagen, aber vielleicht sagen manche, für mich ist das einfach noch gar kein Thema. Und genau diese Individualisierung findet überhaupt nicht statt. Die Bewertung der Pflege erfolgt allein anhand der Prüfkriterien des MDK, dessen Dokumentation wird damit öffentlich gemacht.
Allein der fünfte Bereich, nämlich die Befragung der Bewohner, bildet ein bisschen Individualität ab. Aber wenn Sie daran denken, dass die Bewohner in den Pflegeheimen natürlich in gewisser Weise abhängig sind, dann ist nicht ganz klar, ob sie sich zufrieden geben oder wirklich zufrieden sind, ob also diese Einzelnote aus der Befragung, die nicht einberechnet wird, wirklich aussagefähig ist.
Es gibt auch noch ein rein mathematisches Problem, weil es in den einzelnen Bereichen eine unterschiedliche Anzahl von Fragen gibt. Dazu hat jemand etwas gesagt, was ich ganz passend finde, auch wenn es nicht von mir stammt: Man könnte ebenso die Postleitzahlen addieren, daraus den Mittelwert bilden und damit eine Standortbestimmung vornehmen. Das würde diesem Vorgehen entsprechen.
Ich habe mir einmal die Bewertung von Pflegeheimen in Zwickau angesehen. Die Noten liegen zwischen 1,1 und 1,4. Eine Fünf hat sowieso niemand, denn der dürfte auf diesem Gebiet gar nicht mehr unterwegs sein. Wer eine Fünf hat, müsste wahrscheinlich durch die Heimaufsicht schon längst geschlossen sein. Wir bewegen uns da in 0,1er-Schritten. Da frage ich mich schon, wie aussagefähig das eigentlich für jemanden ist.
Zwei der Heime kenne ich. Die haben Noten zwischen 1,0 und 1,4 bekommen. Ich finde eines dieser Heime grottenschlecht. Ich werde dieses Heim nicht nennen, aber ich finde es grottenschlecht. Ich war drin. Aber dann sehe ich hier die Benotung. Gut, das ist meine individuelle Meinung. Aber wenn ich ein Heim auswähle, dann mache ich das ja individuell. Dann möchte ich auch nicht in so einer Einrichtung landen, die für mich überhaupt nicht passend ist.
Die Frage ist also, ob man das mit diesen quantitativen Kriterien überhaupt messen kann. Ich sage nicht, dass wir das Bewertungssystem wegwerfen und nicht mehr bewerten sollten. Aber ich denke, dass wir das System weiterentwickeln müssen, und zwar in Hinsicht auf die Probleme, die ich hier dargestellt habe.
Die grüne Vision ist, dass sich die Heime öffnen müssen. Auch eine Vorrednerin sagte schon, dass die Helme mehr Kommune, mehr ehrenamtliche Helfer hereinlassen müssen. Sie müssen auch veröffentlichen, wie der Heimbeirat agiert. Nur Öffentlichkeit kann ein Stück mehr Transparenz bieten, als das diese Noten derzeit jedenfalls können.