Elke Herrmann zur Kürzung der Jugendpauschale
Redebeitrag der Abgeordneten Elke Herrmann zur Aktuellen Debatte "Sozialer Kahlschlag durch massive Haushaltskürzungen – Staatsregierung muss jetzt handeln!" (Linke) in der 46. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14.12., TOP 2
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Die Jugendpauschale ist nun wahrlich ein schlechtes Beispiel, wenn Sie sagen, die zurückgehende Zahl von Jugendlichen rechtfertigt die Kürzung der Jugendpauschale. Es ist ja eine Pauschale, weil sie pro Kopf ausgereicht wird. Das heißt, wenn es weniger Jugendliche sind, ist es nicht gerechtfertigt, dass die Pauschale automatisch in gleicher Weise zurückgeht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einigen Tagen wurden die Ergebnisse der Heitmeyer-Studie, der letzte, zehnte Band für dieses Jahr, vorgestellt. Verkürzt dargestellt, findet diese Studie heraus, dass die Gewaltbereitschaft rechtsextremer Kreise zugenommen hat. Begründet wird das mit einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft.
Die Sozialwissenschaftlerin Anetta Kahane beschreibt dieses Ergebnis der Studie so: «Die Untersuchung fungiert als Gradmesser für Stimmungen und Einstellungen. Mit ihr kann empirisch belegt werden, dass sich Veränderungen der sozialen Bedingungen in den Einstellungen der Bevölkerung niederschlagen» — etwa, dass Themen von rechts außen salonfähig werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da müssten uns in Sachsen gerade in dieser Zeit doch die Ohren klingen.
Wilhelm Heitmeyer übt insbesondere Kritik, weil die Solidarität mit den "unteren" Klassen aufgekündigt wird. Er sagt, die Würde bestimmter Menschen und die Gleichwertigkeit von Gruppen sind antastbar. Die Studie stellt heraus, dass die Akteure in diesem Geschehen nicht nur die organisierten Neonazigruppen sind, sondern dass bisher der Bevölkerung als Legitimation für Gewalt eher unbeachtet blieben.
Wenn Sie mich jetzt fragen, was das mit dem Thema Haushaltskürzung zu tun hat, dann sage ich Ihnen, Sozialpolitik ist die Basis der Demokratie. Soziale Rechte sind Rechte auf Teilhabe, sie sollen den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern und wahren und sie sollen die Gesellschaft vor Verwahrlosung bewahren.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Aufgabe des Sozialstaates. Die Sicherung dieser Rechte und ihre Ausgestaltung dürfen nicht infrage gestellt werden.
Längst ist es so, dass nicht nur die von uns oft so titulierten bildungsfernen Schichten Probleme haben, sondern dass die Abstiegsangst bis weit in die Mittelschicht hineinreicht. Verunsicherung führt zu Rückzug, zu Wut und Aggression dass in der Gesellschaft nach vermeintlich schuldigen Gruppen gesucht wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Situation können wir es uns einfach nicht leisten, auf Kosten sozialer Strukturen und der Fachlichkeit im sozialen Bereich zu sparen. Wir haben schon im letzten Haushalt bemängelt, dass Sie finanzielle Schulden vermeiden und dafür soziale Schulden in Kauf nehmen. Das ist falsch. Das schadet dem sozialen Frieden und auch der Demokratie in diesem Land.
Es gibt einen klaren Auftrag für die Landesebene, das ist die Verpflichtung gemäß Artikel 7, Abs. 2 der Verfassung, die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen sicherzustellen. Dieser Verfassungsauftrag und die Rechtsaufsicht, die dem Sozialministerium für den sozialen Bereich zukommt, muss Grundlage und Verpflichtung sein, auf Landesebene zu handeln. Deshalb sind die Strukturen auf Landesebene nicht verzichtbar, wie zum Beispiel der Landesfrauenrat, die Freie Wohlfahrtspflege und die überörtliche Jugendhilfe, deren Zuschüsse im letzten Haushalt gekürzt worden sind. Wenn Sie mehr Verantwortungsübernahme durch die Kommunen wollen, dann müssen Sie diese auch finanziell absichern. Sie müssen die landesweiten Fachgremien, die Voraussetzung für Fachlichkeit und Standards sind,absichern zum Beispiel den Landesjugendhilfeausschuss, und die Landesarbeitskreise. Des Weiteren müssen Sie die Arbeit der Dachverbände absichern, die zur Unterstützung der örtlichen Vereine und kommunalen Strukturen notwendig sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen Wir bieten morgen mit unserem Antrag zum Nachtragshaushalt die Möglichkeit, Ihre Politik der sozialen Verschuldung zu korrigieren. Sie verhindern damit auch die Privatisierung der Folgen der Finanzkrise.
Ich bedanke mich.