Erfolgsfaktor Fachkräfte: Anfänge sind gemacht aber wir sind noch lange nicht am Ziel

Rede der Abgeordneten Petra Zais zur Aktuellen Debatte von CDU und SPD "Erfolgsfaktor Fachkräfte – Bedarfe sichern, Jobattraktivität steigern, Investitionen voranbringen"
61. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. September, TOP 1
 
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

Unstrittig ist : Qualifizierte Fachkräfte sichern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, machen Innovationen möglich und werden so zur Basis für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand der ganzen Region.
Unstrittig ist: die demografische Entwicklung mit hohen Altersabgängen und die politische Maßnahme Rente mit 63 haben genauso wie Abwanderung und das Pendeln in Gebiete mit höheren Löhnen zu einer drastischen Steigerung der Nachfrage auf dem Fachkräftemarkt geführt.
Strittig bleibt: wie gravierend der Fachkräftemangel tatsächlich ist und welche Branchen und Unternehmensformen davon besonders betroffen sind, welche Strategien erfolgreich bzw. nötig sind.

Schauen wir uns die Fachkräftestrategie der Sächsischen Staatsregierung an.
Die stammt aus dem Jahr 2012 und die Sensibilisierung der sächsischen Wirtschaft gehört zu den Zielen die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollen. Bei den operativen Zielen können wir lesen: "Anreize und Unterstützung bieten für die individuelle bzw. unternehmensspezifische Bildungs-, Karriere- sowie Personalentwicklungsplanung."

Das klingt gut – bei näherem Hinsehen findet sich dann jedoch unter den konkreten 156 Vorhaben genau ein einziges, das die Personalentwicklungsplanung in Unternehmen zum Gegenstand hat. Verantwortlich – so heißt es dann jedoch nebulös – seien die Kammern und Verbände.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist entschieden zu wenig, und Gespräche mit zahlreichen Unternehmern beweisen, dass auch die Beratungsleistungen der Kammern und Verbände zu selten bei denen ankommen, die sie am dringendsten brauchen. Da ist noch deutlich Luft nach oben, insbesondere den kleinen Handwerksbetrieben fällt es schwer, personalpolitischen Handlungsbedarf aus eigener Kraft zu stemmen.

Unsere Erwartungen an das zuständige Ministerium:
1. Anpassung der Fachkräftestrategie an die aktuellen Herausforderungen
Unterstützung der Klein- und Kleinstbetriebe bei der Entwicklung eigener Personalstrategien, die sich neben der beruflichen Aus- und Weiterbildung auch mit den Themen Verdienstniveau und Verdienststruktur befassen – über die Lücke zwischen Ost und West haben wir uns ausführlich auf dem letzten Plenum unterhalten.

Ich möchte an dieser Stelle den Pressesprecher der IHK Dresden, Lars Fiehler zitieren, der gesagt hat, dass die weichen Faktoren wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, flexible Arbeitszeiten und -orte oder einem Jobticket zwar wichtig sind, um sich von anderen Unternehmen zu unterscheiden. "Aber wenn es zum Schwur kommt, und eine ganze Familie von Nürnberg nach Neustadt ziehen will, dann geht es um die harten Faktoren. Und die heißen nach wie vor: faire Bezahlung, Vollzeit, unbefristet. Punkt."
Dem haben wir nichts hinzuzufügen.

Was sind die weiteren Punkte:
2. Lebenslanges Lernen – unbefriedigende Weiterbildungsquote gerade in kleinen Betrieben – Bildungsfreistellung ist ein Muss!
Bisher verlässt sich die Staatsregierung auf Bildungsgutscheine. Das reicht jedoch nicht, der Arbeitnehmer muss Weiterbildung auch in Anspruch nehmen können.
3. Zusammenarbeit mit Schule und Berufsausbildung – Berufsberatung (gute Projekte/Praxisberater/Oberschule) muss noch stärker als bisher in den Fokus genommen werden: stärker in die Gymnasien gehen, Berufsausbildung mit Abitur, neue Ausbildungsinhalte
4. Berücksichtigung von Gruppen, die von pos. Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung bisher nur wenig profitieren
– Weibliche Beschäftigte (Förderung von Frauen in technischen Berufen)
– Schwerbeschädigte: Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit in Dresden hatte ca. 300 Arbeitgeber eingeladen, um vorzustellen, welches Potenzial die Beschäftigung von Schwerbeschädigten hat. Gekommen sind 7.

Wenn wir diesen Menschen ernsthaft helfen wollen, ihren Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden und damit gleichzeitig dem erhöhten Fachkräftebedarf zu begegnen, brauchen wir flexiblere Modell der Förderung und Vermittlung.
Anfänge sind zweifelsohne gemacht, aber die Zahlen zeigen, dass wir noch lange nicht am Ziel angekommen sind.

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