Europäische Menschenrechtskonvention – Hammecke: Beitritt der EU hätte mehr als symbolischen Wert
Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Zeit zum Handeln: Endlich den Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) voranbringen!“ (Drs 7/5866)
32. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 23.06.2021, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Qualität einer wehrhaften und funktionsfähigen Demokratie lässt sich nicht zuletzt daran bemessen, wie gut sie die Rechte von Minderheiten schützen kann. Der Schutz bestimmter Gruppen ist keine „Klientelpolitik“, sondern Teil unserer gemeinsamen Identität. Vielfalt macht Europa erst zu dem, was es ist. So die Worte der Generalsekretärin des Europarates (Marija Pejčinović Burić) anlässlich des 70 Jubiläums der Europäischen Menschenrechtskonvention im letzten Herbst.
Aktuelle Beispiele gibt es sicherlich einige: Handeln von Mitgliedsstaaten wie Ungarn in Bezug auf sexuelle Vielfalt, aber auch das Handeln der EU oder auch Agenturen der Europäischen Union wie Frontex. Wo wir auch beim Thema wären.
Wir begrüßen den Ansatz des Linken-Antrages, einen einheitlichen europäischen Menschenrechtsraum zu verwirklichen.
Der Antrag spricht hier konkret vom Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention, was ohne Frage ein wichtiges Anliegen ist, über welches seit Jahrzehnten diskutiert wird und – ich nehme es vorweg – seit vergangenem Herbst wieder Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist. Wir befinden uns, könnte man vorsichtig sagen, hoffentlich auf der Zielgerade und das ist gut so.
Mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wurde 1953 erstmals in Europa ein verbindlicher Menschenrechtsschutz geschaffen, der von allen einklagbar ist. Und der zwar an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen angelehnt ist, jedoch mit Klage und Rechtsschutzinstrumenten mehr Zähne hat.
Es ist das wichtigste Abkommen des 1949 gegründeten Europarats. Dieser ist nicht Teil der EU und folglich auch nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, oder dem Rat der EU, auch Minister*innenrat genannt.
Alle 47 Mitglieder des Europarates haben das Abkommen unterzeichnet und ratifiziert.
Es ist gut, dass wir mit dieser Internationalen Organisation, dem Europarat, welcher deutlich größer als die EU mit ihren 27 Mitgliedsstaaten, auch eine Basis haben, um uns zu dem Thema Menschenrechte mit den Staaten auszutauschen, bei denen ein Beitritt zur EU mitunter (noch) nicht angedacht ist.
Die Europäische Menschenrechtskonvention kann damit als das wichtigste Menschenrechtsübereinkommen des gesamten Kontinents bezeichnet werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde in seiner heutigen Form als ständiger Gerichtshof erst seit 1998 und mit dem 11. Zusatzprotokoll mit Sitz in Straßburg gegründet, wo ich als Individuum klagen kann.
Der Gerichtshof hat inzwischen wegweisende Urteile getroffen. Eine Entscheidung, auf dich ich gespannt warte, ist etwa die Klimaschutzklage von sechs Kindern und Jugendlichen aus Portugal gegen Deutschland und weitere 32 Länder Europas, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte letztes Jahr angenommen hat. Die Entscheidung darüber dürfte spannend werden.
Der Beitritt der Europäischen Union zur EMRK hätte tatsächlich auch mehr als symbolischen Mehrwert. Während sich bei der Rechtsetzung auf EU-Ebene konsequent an die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention gehalten werden müsste, was allerdings aufgrund der Nähe der EMRK zur Grundrechte Charta nicht so große Auswirkungen hätte, würde mit dem Beitritt der EU zur EMRK auch das Handeln der EU selbst (nicht der Mitgliedsstaaten) der Grundrechtskontrolle des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterworfen sein.
Ich hatte es bereits gesagt: Die Debatte zum Beitritt dauert schon Jahrzehnte an. Seit 2009 ist der Beitritt der EU zur EMRK in Artikel 6 Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union ausdrücklich vorgesehen!
Doch der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Gutachten 2014 die Bestrebungen erst einmal gestoppt. Er hielt den Beitritt europarechtlich zwar für möglich, aber stellte eben auch in Frage, welches Gericht dann für was zuständig sein sollte. Oder anders gesagt: Der Europäische Gerichtshof will sich nicht vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte reinreden lassen.
Dass die Verhältnisse zwischen höchsten Gerichten schwierig zu klären sind, liegt in der Sache. Auch das Bundesverfassungsgericht musste im Laufe der Jahrzehnte sein Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und zum Europäischen Gerichtshof mehrfach klären.
Wichtig ist aber auch an dieser Stelle zu erwähnen, dass das Bundesverfassungsgericht beispielsweise die EMRK bereits als Auslegungshilfe in seiner Rechtsprechung beachtet.
Mit der deutschen Ratspräsidentschaft 2019 wurde der Beitritt nun endlich wieder auf die Agenda gehoben.
Wegen Corona konnten die Verhandlungen erst im vergangenen Herbst 2020 wieder aufgenommen werden und laufen aktuell.
Der Antrag fordert nun, sich auf Bundesebene und europäischer Ebene UND bei der anstehenden Europaminister*innenkonferenz für dieses Ziel stark zu machen.
Da scheint mir der Antrag etwas überholt. Denn, während viele Jahre das Ganze nach dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofes tatsächlich brach lag, sind wir momentan doch sehr viel weiter als der Antrag vermittelt.
Die Bundesregierung hat mehrfach – zum Beispiel in Antworten auf Kleine Anfragen – bekundet, dass sie sich mit Blick auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft für den Beitritt der EU zur EMRK einsetzt. Sie hat schließlich während der deutschen Ratspräsidentschaft die Verhandlungen wieder aufgenommen. Dass diese nach einem halben Jahr noch nicht abgeschlossen sein können, leuchtet vermutlich ein.
Auch der Freistaat hat hier seine Mittel genutzt. Und die Staatsregierung sagt es ja in der Stellungnahme ganz direkt: Der Beitritt wird ausdrücklich begrüßt.
Auf der 91. Justizminister*innenkonferenz im Herbst 2020 hat unsere sächsische Jusizministerin Katja Meier zusammen mit den Justizminister*innen der anderen Bundesländer einstimmig den Beschluss gefasst und dabei die Wiederaufnahme der Verhandlungen begrüßt und die Bundesregierung gebeten, diesen Verhandlungsprozess während des deutschen Vorsitzes und darüber hinaus aktiv und fördernd zu begleiten.
Ich denke, mehr Beschlüsse helfen da nicht weiter. Jetzt ist es an der Verhandlungsgruppe des Lenkungsausschusses für Menschenrechte des Europarates und der Kommission, hier einen Weg zu finden! Weswegen wir den Antrag auch ablehnen werden.
Vielen herzlichen Dank!