Eva Jähnigen: Das Archivwesen muss der öffentlichen Transparenz staatlichen Handelns dienen und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte konsequent wahren

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf "Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes für den Freistaat Sachsen" (Drs. 5/9386), 85. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. November 2013, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
über diesen Entwurf des Archivgesetzes wurde schon Lob verteilt – in einigen Punkten durchaus zu Recht. Auch wir aus der GRÜNEN-Fraktion begrüßen einige Neuerungen für das Archivwesen des Landes und der Kommunen, so die neue öffentlich-rechtlichen Herausgabepflicht für archivierungswürdige Unterlagen und Neuregelungen über die Archivierung elektronischer Daten.
Der Gesetzentwurf offenbart jedoch auch zwei schwerwiegende Probleme. Bereits vor der Behandlung im Landtag gab es eine heftige Diskussion darüber, ob die Neuregelung des Paragraph 10, der die Herausgabe personenbezogenen Archivguts regelt, überhaupt verfassungsgemäß sei. Die Staatsregierung will hier künftig die Schutzfristen für die Herausgabe personenbezogenen Archivguts nach dem Tode Betroffener nur noch auf solches Archivgut beschränken, dass "seinem wesentlichen Zweck nach personenbezogenen" ist. Das sollte, so steht es auf der Begründung des Gesetzentwurfes S. 11, Zeile 11f, zu einer leichteren Zugänglichkeit für Archivgut und einer Verwaltungsvereinfachung für die Archive führen. Im Klartext gesagt: solche Akten sollten nicht mehr wie bisher in Archiven oder auch wie bei Stasi-Akten üblich mit Schwärzung der Namen von Dritten herausgegeben werden. Es wird entweder völlig gesperrt werden oder nicht mehr den Schutzfristen unterliegen.
Die Folgen sind klar: Entweder Archive stellen nach schneller Gesamtwürdigung zukünftig fest, das Archivgut "seiner Zweckbestimmung nach" nicht personenbezogenen ist – dann wird es komplett herausgegeben. Oder sie stellen das Gegenteil fest, dann verschwindet das Archivgut im Keller. Der Sachverständige Dr. Schnoor hatte in der Anhörung zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass bei Anwendung dieser Regelung die Akten in einem besonders prominenten Fall der Akten des Rates des ehemaligen Bezirkes Kamenz nicht an Staatskanzlei und Presse hätten herausgegeben werden dürfen, wie es aber zu Recht mit Schwärzungen geschah.
Die Koalition will dieses Problem jetzt lösen, indem sie im Benehmen mit dem sächsischen Datenschutzbeauftragten versucht, nunmehr für die Anwendungsfälle des Paragraph 10 eine gleichrangige Geltung des Paragraph 9 einzuführen. Allein ergibt sich diese Lösung aus dem Änderungsantrag eben nicht. Im Ausschussbericht wird nicht genügend darauf hingewiesen und er steht im Widerspruch zur Gesetzesbegründung. Gesetze müssen in der Rechtsanwendung, gerade auch kleiner Archive, hieb- und stichfest und ohne Hintertüren sein.
Wir machen Ihnen deshalb mit unserem Änderungsantrag erneut einen besseren Vorschlag: Wir wollen die Sperrfristwirkung wieder auf alle Akten ausdehnen, die auf natürliche Personen bezogen sind, und auf etwaige Zweckbestimmungsprüfungen oder Ähnliches verzichten. Bei der Herausgabe muss dann entsprechend geschwärzt werden.
Ein zweites Bedenken gilt der Vernichtung von Akten. Bisher mussten alle Akten dem Staatsarchiv zur Aufbewahrung angeboten werden. Dieses entschied dann selbst über ihre Archivwürdigkeit. Dem neuen Gesetzentwurf nach müssen dem Staatsarchiv nicht mehr alle Arten Akten angeboten werden. Staatsarchiv und Ministerien können durch Verwaltungsvorschriften gemeinsam klären, was angeboten werden muss und was nicht. Sicherlich ist grundsätzlich sinnvoll.
Allerdings: Verwaltungsvorschriften werden nur verwaltungsintern bekannt. Und wir haben in Sachsen mit der Vernichtung archivwürdiger Akten schlechte Erfahrungen gemacht, z.B. bei sächsischen Verfassungsschutzbehörden. Hier halten wir vollständige Transparenz für dringend geboten. Der Öffentlichkeit sollte dargelegt werden, welche Akten automatisch vernichtet werden und daher gar nicht in ein Archiv wandern. Jeder Anschein sollte verhindert werden, dass hier durch die Hintertür sensibles Material geschreddert wird. Deshalb schlagen wir vor, dass diese Verwaltungsvorschriften veröffentlicht werden müssen.
Bitte stimmen Sie unseren Änderungsvorschlägen zu, damit unser Archivwesen wirklich der öffentlichen Transparenz staatlichen Handelns dient und gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte konsequent wahrt.

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