Eva Jähnigen: Die Weichen im sächsischen Bahnverkehr sind falsch gestellt
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Bahn-Debatte im Sächsischen Landtag (Drs. 5/12574), 83. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. September 2013, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren,
die Bahnpolitik der Regierung Tillich hat eine trübe Bilanz: Hoffnungen, Gespräche, Hoffnungen – und wenig Ergebnisse. Seit dem Bahngipfel Mitte 2012 verhandelt die sächsische Staatsregierung mit der DB AG über einen sogenannten „Masterplan Bahn“ für Sachsen.
Nutzt die Regierung diese Chance? Nach den Erfahrungen der letzten Jahre muss befürchtet werden: Die Regierung vermasselt es schon wieder!
Der zuständige Minister gab dem Parlament im Mai zur Kenntnis, dass er mit der DB AG überhaupt nur über den Fernverkehr verhandeln will. Er hofft immer noch darauf, dass für Sachsen noch weitere Großprojekte hergezaubert werden.
Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen: Diese Tradition der Leuchtturmpolitik stammt nicht von der Regierung Tillich, sondern ist schon mehrere Ministerpräsidenten alt. Fragt sich nur: Sollen das dann auch noch die sächsischen Steuerzahler bezahlen wie die 500 Mio. Mehrkosten für den Citytunnel Leipzig?
Ein Masterplan Bahn für Sachsen – der diesen Namen auch verdient – müsste allerdings eine konzeptionelle Entwicklung des gesamten sächsischen Bahnnetzes absichern und dabei die Belange des Bahnpersonenverkehrs nach fern und nah sowie den Gütertransport verbinden.
Während der Minister sich momentan in Schweigen gehüllt hat, legte die DB vor: Ende August wurde das Fernverkehrskonzept für den mitteldeutschen Raum nach 2018 vorgestellt. Die Ergebnisse sind abermals ernüchtern: Der gesamte südwestsächsische Raum bleibt weiterhin vom Fernverkehr abgehängt. Die Bahn stellt weitere von ihr bisher finanzierte Leistungen wie auf der Sachsen-Franken-Magistrale ein. Selbst die mit der DB AG fest vereinbarten Ausbauten verzögern sich bekanntlich wie auf der Strecke nach Meißen und Berlin.
Parallel treibt die DB die Kosten für Trasse und Station in die Höhe. Mit diesem Problem lassen CDU und FDP die kommunalen Aufgabenträger des Verkehrs im Regen stehen: Trotz der Kürzung der Regionalisierungsmittel durch die Haushaltspolitik von CDU und FDP müssen die Zweckverbände diese Mehrkosten für die Infrastruktur und zusätzliche Bestellungen auf der Sachsen-Franken-Magistrale irgendwie finanziell stemmen. Wie – das bleibt ihnen überlassen, CDU und FDP kennen da nur einen Vorschlag: Stilllegung weiter Bahnlinien im Freistaat.
Weitere Ausbauprojekte sind seitens der DB ungewiss. Die Planungsleistungen hierfür müssen bisher komplett vom sächsischen Steuerzahler finanziert werden – obwohl das eigentlich eine Aufgabe des bundeseigenen Bahnkonzerns DB AG ist!
Bereits zur Pressekonferenz nach dem Chemnitzer Bahngipfel im Juni 2012 wies der zuständige DB-Vorstand für den Personenverkehr, Ulrich Homburg, die Regierung darauf hin, dass eine Elektrifizierung auf der Strecke Chemnitz – Leipzig angesichts des bereits vorhandenen Nahverkehrs nur bei weiteren erheblichen Fahrgastpotenzialen wirtschaftlich sei.
Im Klartext: die Bahn kennt die fachlich falsche Verkehrsprognose dieser Regierung und die CDU- und FDP-Ideen für Stilllegungen im Bahnnetz genau. Sie bereitet selbst Streckenstilllegungen vor – z. B. Bahnstrecke Meißen – Nossen.
Und sie schlussfolgert daraus: Sachsen wird so nur schwer die Kosten-Nutzen-Untersuchung für weitere Elektrifizierungsprojekte auf Bundesebene bestehen.
So senkt Sachsens Regierung mit der eigenen Bahn-Abbaupolitik auch die Umsetzungschancen für die bitter nötige Anmeldung richtiger Projekte zum Bundesverkehrswegeplan. Das führt zu einem Dilemma: Sachsen wird die notwendigen Ausbauten im sächsischen Bahnnetz wohl kaum allein aus sächsischem Haushaltsgeld finanzieren können. Der bisherige Fahrplan der Regierung führt also auf das Abstellgleis.
Wie kommen wir da auf die richtige Schiene? Die Regierung muss endlich das Signal von Bahnabbau auf Bahnaufbau stellen. Die Regierung muss jetzt gegenüber der DB AG, gegenüber den Nachbarländern und im Bund deutlich machen:
1. Wir haben im Eisenbahnland Sachsen große Fahrgastpotenziale und werden eine aktive Politik betreiben, um diese zu erschließen.
2. Wir streben in Sachsen einen Ausbau des Streckennetzes für einen integralen Taktfahrplan mit leicht zu merkenden Abfahrtszeiten und kurzen Umsteigezeiten an. So machen wir den Bahnverkehr effizient und verbessern das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die DB AG soll das, was sie derzeit an Gewinnen aus Netz und Stationen kassiert, auch wieder in Sachsen reinvestieren und nicht in Stuttgart 21 oder sonst wo.
3. Durch bessere Anbindung Sachsens in seine Nachbarländer wird es sich lohnen, mehr Personen und Güter zu fahren. Deshalb muss Sachsen gemeinsam mit seinen Nachbarländern Druck für eine angemessene Fernverkehrsanbindung des Freistaates machen.
Das Ziel eines Integralen Taktfahrplanes hat der Landtag auf Antrag der Koalitionsfraktionen zum Landesverkehrsplan Sachsen 2025 bereits im Dezember 2012 gefordert. Wir GRÜNEN freuen uns, dass Sie beginnen, unsere Vorschläge aufzugreifen. Nun müssen Sie sie aber auch durchsetzen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition. Die Regierung tut es offenbar nicht!
Bei einem sachsenweiten, perspektivisch länderübergreifenden Integrierten Taktfahrplan stehen nicht Einzelstrecken, sondern die Verknüpfung der Bahnangebote mit allen anderen Verkehrsmitteln im Mittelpunkt. Ausbauziel ist, dass mindestens im Stundentakt verkehrende Züge bessere und schnellere Verbindungen sowie garantierte Anschlüsse schaffen.
Unsere Fraktion hat als Grundlage für die Einführung des Integralen Taktfahrplanes ihren Masterplan Sachsentakt 21 von 2008 fortschreiben lassen. Die renommierten, unabhängigen Bahnexperten von KCW haben unser Konzept wirtschaftlich gecheckt und sind zum Ergebnis gekommen, das sich ein integraler Taktfahrplan mit einer Verdoppelung der Fahrgäste in 10 Jahren im sächsischen Haushalt finanziell darstellen lässt – wenn der Bund die Zuweisungen auch nach 2014 auskömmlich gestaltet. Unsere Vorschläge wurden in der Öffentlichkeit allgemein begrüßt.
Die Einführung eines Integralen Taktfahrplanes setzt voraus, dass das Schienennetz in Sachsen entsprechend ausgebaut wird – besonders an den Bahnhöfen, die neue Taktknoten sein sollen, bedarf es der entsprechenden Technik. Sie ist aber auch Voraussetzung für gute Karten bei der Kosten-Nutzen-Untersuchung – denn durch den ITF können wir die Fahrgastzahlen ganz erheblich steigern. Dazu müssen Sie nicht einmal ins Mekka des Integralen Taktfahrplans – die Schweiz – schauen. Auch in Rheinland-Pfalz konnten innerhalb von 10 Jahren durch Einführung eines Integralen Taktfahrplanes die gefahrenen Personenkilometer auf 4 Mrd. Kilometer jährlich verdoppelt werden.
Was aber macht die Regierung Tillich?
Diese Regierung hält es für klug mit der DB AG nur über Fernverkehr zu verhandeln – so jedenfalls Minister Morlok in der Fragestunde im Mai.
Das ist falsch, denn so werden die Potenziale des Nahverkehrs nicht beachtet. Sachsen schwächt seine Verhandlungsposition ganz entscheidend. Andere Länder und vermutlich auch die Konzernspitze der DB AG spotten hinter vorgehaltener Hand über uns.
Diese Regierung hält es auch noch für klug, auf die Abstimmung mit den kommunalen Aufgabenträgern des Bahnnahverkehrs zu verzichten und allein getragen vom Sachverstand von Minister Morlok in die Verhandlungen mit der DB zu gehen.
Das macht uns Sorgen – denn Verkehrsminister Morlok stellt ja selbst immer wieder dar, dass er keine genauen Daten über Entwicklung, Fahrgastzahlen und wirtschaftliche Perspektiven des Bahnnahverkehrs habe. Sie können das in den Antworten auf viele Anfragen nachlesen.
Diese Regierung hält es schließlich für klug, weder mit den Nachbarländern um gemeinsame Fernverkehrsanbindungen zu verhandeln – die Verlängerung der Mitte-Deutschland-Verbindung von Gera nach Kassel und Dortmund wäre eine Chance gewesen, den Fernverkehr nach Chemnitz zu bringen. Sie bezieht auch nicht die brennenden Probleme der Lärmsanierung im Elbtal und der Stellwerkskapazität in Sachsen in die Gespräche ein.
Das geht an den Problemen des Landes vollständig vorbei. Die nun schon jahrelang zu beobachtende Erfolglosigkeit des Vorgehens der Regierung spricht für sich. Vorm Sommer wurde die Vorstellung des versprochenen „Masterplan Bahn“ für Sachsen vertagt. Neuer Termin ist laut Bahnchef Dr. Grube nun der Oktober 2013, nach der Bundestagswahl also – ein Schelm, der Arges dabei denkt. Aber dann sollte diese Verhandlungszeit endlich genutzt werden!
Die GRÜNE Landtagsfraktion schlägt mit diesem Antrag einen Kurswechsel aus der Politik der Hilflosigkeit vor. Mit einem ambitionierten Ausbauprogramm im Gesamtnetz können wir bei den Verhandlungen mit der Bahn und im Bund mehr erreichen. Sachsen muss sich für die Attraktivität des Bahnverkehrs und die Belange seiner Fahrgäste einsetzen.
Dann kommen durch steigende Einnahmen und Effizienzgewinne mehr Gelder in die Kassen. Wenn der Ausbau des Netzes jetzt aber nicht festgenagelt wird – dann kommt er bis zur Umsetzung des nächsten Bundesverkehrswegeplanes nicht. Wollen Sie, dass Sachsen noch mehrere Jahrzehnte auf wesentliche Ausbauvorhaben im Schienennetz warten muss?
Bedenken Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Leuchttürme werden nie um der Leuchttürme willen errichtet. Sie werden nur dann gebaut, wenn genügend Schiffe auf den Fahrwegen fahren! Kümmern sie sich um die Schiffe – dann lohnen sich auch die Leuchttürme!!
» Informationen zum GRÜNEN Masterplan "Sachsentakt 21"
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