Eva Jähnigen: Forderungen des Sächsischen Rechnungshofes nicht weiter ignorieren
Rede der Abgeordneten Eva Jähnigen, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in der 58. Sitzung des Sächsischen Landtags, am 14. Juni 2012 zum TOP 8: "Beratende Äußerung gemäß § 88 Abs. 2 SäHO zum Thema: ’Nachhaltigkeit und Reduzierung der Bewirtschaftungs- und Bauunterhaltsausgaben des Freistaates Sachsen‘"
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Vor einem reichlichen Jahr hat uns die Staatsregierung ein gigantisches Behördenumzugskonzept, dass sog. Standortekonzept, vorgestellt. Sie erinnern sich? Es ist das sog. Staatsmodernisierungpaket von Justizminister Martens.
Wir GRÜNEN sprachen damals von einer Reise nach Jerusalem – solange die Musik läuft, bleiben alle Landesbediensteten in Bewegung und wenn Sie sich hinsetzen wollen, ist der Platz weg.
Vielleicht war das Bild damals ein bißchen schief – denn wenn man sich die Beratende Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes zur „Nachhaltigkeit und Reduzierung der Bewirtschaftungs- und Bauunterhaltsausgaben des Freistaates Sachsen“ anschaut, dann begreift man sehr schnell, dass das nunmehr beschlossene unsägliche Standortkonzept durchaus dahin führen kann, dass das Finanzministerium in den nächsten Jahren eine marode eigene Immobilie nach der anderen saniert – schließlich müssen Behörden an vollkommen neuen Standorten Platz finden – dass aber die alten Standorte leergezogen werden und verfallen.
Im Dezember letzten Jahres wurden wir GRÜNEN in diesem Hause schwer gescholten. Wir hatten uns erdreistet, die Forderungen des Rechnungshofes genau der beratenden Äußerung, die hier heute „zur Kenntnis“ genommen wird, in einem Plenumsantrag zu problematisieren. Meine lieben Kollegen, die damalige Debatte hatte einen großen Vorteil: Wir wissen heute was das Finanzministerium von dieser beratenden Äußerung des Rechnungshofes hält: wenig bis nichts.
Ich möchte Sie daran erinnern:
1. Der Rechnungshof fordert das Finanzministerium bzw. das SIB auf, ein Unterbringungskonzept für die Landesbehörden zu erstellen und das nach Ansicht des Rechnungshofes mögliche Einsparpotential aufgrund bereits beschlossener Personalreduzierung von mind. 200.000 m² Hauptnutzungsfläche zu heben.
Antwort des Finanzministers:
Das SMF wird die bestehenden Behördenunterbringungskonzeptionen aktualisieren und weitere Konzepte […] erstellen.
GRÜNE Bewertung:
a) Das klingt vielversprechend, ist aber umso ernüchternder, als es lediglich für Leipzig, Bautzen, Pirna, Freiberg und Zwickau Unterbringungskonzepte gibt, die zudem noch veraltet sind und sich nicht an den aktuellen Beschäftigtenzahlen orientieren.
b) Es kommt noch schlimmer: Für Chemnitz und Dresden und für alle anderen Behördenstandorte liegen keine Unterbringungskonzepte vor. Was das bedeutet ist auch klar: Sie wissen nicht an welchem Standorten Sie wieviel Personal auf welcher Quadratmeterfläche untergebracht haben. Das ist dringend zu ändern.
c) Wir haben bis heute nichts von der im Dezember angekündigten Aktualisierung der bestehenden Konzepte oder gar von neuen Unterbringungskonzepten gehört. In der letzten sprach der Finanzminister lediglich davon, dass neue Personaleinsparungen auch Flächenreduzierungen nach sich ziehen müßten.
Sehr richtig, aber bevor sie über neuen Personaleinsparungen reden, Herr Minister, reduzieren sie erst einmal die Flächen für das bereits eingesparte Personal!
2. Der Rechnungshof fordert, dass sich das SIB am Landesimmobilienbetrieb Sachsen-Anhalt orientiert, da dessen Flächenquerschnitt pro Bediensteten rund ein Fünftel unter dem Vergleichswert von Sachsen liegt. Außerdem müssen die Raum- und Flächennormen angepasst werden.
Antwort des Finanzministers:
Kein konkreter Nutzen für Flächeneinsparungen durch Intensivierung der Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalt. Die Anpassung der Raum- und Flächennormen werden geprüft.
GRÜNE Bewertung:
a) Wir konstatieren: Der Freistaat orientiert sich zwar sonst gerne an anderen Bundesländern, etwa bei der Begründung für weitere Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, aber im Falle von Einsparungen bei den Sachkosten nicht. Bravo! (ironisch)
b) Allerdings ist mir nicht erklärlich, warum Sachsen-Anhalts Behörden weniger Raum benötigen als sächsischen Behörden. Die Antwort auf diese Frage sollte Sie auch interessieren, Herr Finanzminister.
c) Auch von der Prüfung oder gar Anpassung der Raum- und Flächennormen durch Ihr Haus, Herr Finanzminister, haben wir seit dem nichts mehr gehört.
3. Der Rechnungshof fordert einen festen Turnus zur Überprüfung der Angabe und Rückgabe ungenutzter Flächen. Bislang ist es offenbar so, dass die Behörden zwar verpflichtet sind, freigezogene Räume zu melden, dies aber nicht tun.
Antwort des Finanzministers:
Wenn das SIB von den Nutzern aktuelle Stellen- und Raumbedarfspläne abfordert und erhält und Vor-Ort-Kontrollen […] durchführt, können mit Sicherheit Flächeneinsparungen […] aufgezeigt werden.
GRÜNE Bewertung:
a) Herr Finanzminister, ich kann gut verstehen, dass sächsischen Behörden ihren Leerstand nicht melden. Dies führt nämlich in nicht wenigen Fällen einfach nur dazu, dass der leer stehende Raum abgeschlossen wird und von der Behörde nicht mehr genutzt werden darf. Wenn das die einzigen Maßnahmen sind, die Ihnen zur Flächenreduzierung einfallen, dann wird es höchste Zeit, ein richtiges Flächenmanagementsystem einzuführen.
b) Offenbar ist auch der Finanzminister überzeugt, dass das SIB seiner Kontrollfunktion nicht nachkommt. Dann nehmen Sie schleunigst Ihre Aufsicht über das SIB wahr, Herr Minister, und lassen Sie sich turnusmäßig davon unterrichten, dass diese Flächeneinsparungen auch realisiert werden.
4. Der Rechnungshof fordert sicherzustellen, dass jährlich mindestens 1 bis 1,5 Prozent des Neuwertes eines Gebäudes für Bauunterhaltskosten veranschlagt werden und dies fest geregelt ist.
Antwort des Finanzministers:
Grundsätzlich muss sich die Höhe der Haushaltsansätze für den Bauunterhalt an den haushalterischen Möglichkeiten und den zur Verfügung stehenden Mitteln orientieren.
GRÜNE Bewertung:
Will heißen: Wenn wir kein Geld dafür einstellen wollen, dann ist es gut, wenn wir es nicht – etwa aufgrund einer Richtlinie – müssen. Diese Einstellung, Herr Minister, ist eine Kopf-in-den-Sand-Mentalität zu Lasten der kommenden Generationen. Sie tragen den Rückgang der Einnahmen durch den Rückgang der Transferleistungen bis 2020 für für jede Haushaltsmittelkürzung, ja sogar für jedwede Personalentscheidung – ich erinnere an das Zustimmungserfordernis des MP und seines Stellvertreters für die Einstellung von Personal – wie eine Monstranz vor sich her. Wenn es allerdings darum geht, Gebäude für die Nutzung durch die Landesverwaltung zu erhalten, können Sie noch nicht einmal bis übermorgen denken! Die Einführung eines Richtwertes für Bauunterhaltsmaßnahmen ist wichtig für den Werterhalt der Immobilien, die Vermeidung eines Sanierungsstaus und der Kosten- und Planungssicherheit. Ich empfehle Ihnen einen Blick ins Protokoll der Anhörung zu der Empfehlung des Rechnungshofes, dort haben uns das die Sachverständigen durchweg bestätigt.
5. Der Rechnungshof moniert vollkommen zu recht, dass der Anteil regenerativer Energien am Gesamtenergieeinsatz für die Bewirtschaftung von Gebäuden unzureichend ist. Er empfiehlt, die Ausgaben dafür in den künftigen Haushaltsplänen wieder zu erhöhen.
Antwort des Finanzministers:
Das SMF ist bestrebt, dieser Empfehlung nachzukommen. Im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zum nächsten Haushalt – also jetzt – soll geprüft werden, wie dies transparent dokumentiert werden kann.
GRÜNE Bewertung:
a) Ob dies tatsächlich so kommt, werden wir in Bälde sehen – das Haushaltsaufstellungsverfahren ist durch. Ich glaube nicht daran.
b) Umso wichtiger ist es, hier noch einmal die Forderungen/Vorschläge der EU aufzugreifen – die wir uns in unserem Antrag im Dezemberplenum zu eigen gemacht haben. Diese plant in einem Richtlinienentwurf zur Energieeffizienz die Quote der energetischen Gebäudesanierung verbindlich auf 3 % festzulegen. Meine Damen und Herren in der Regierung und in den Regierungsfraktionen. Sie wollen als Deutschlands Musterknabe dastehen, sie wollen eine Imagekampagne? Dann gehen Sie voran. Legen Sie die Quote für die energetische Gebäudesanierung in der von der EU vorgeschlagen Höhe fest. Wir würden Sie darin unterstützen!
Lassen Sie mich abschließend noch einmal ein Wort zu Ihren Personaleinsparungsplänen verlieren, verehrte Staatsregierung – die Kollegen von der CDU spreche ich jetzt mal noch nicht an, Sie scheinen da ja auch endlich aufgewacht zu sein…:
Ohne Frage – die Kosten für einen Bediensteten in der Landesverwaltung sind nicht unerheblich. Aber – der erbringt eine Gegenleistung oder sorgt gar selbst für Einnahmen des Staates. Demgegenüber kosten energie-ineffiziente Gebäude, Standortkonzepte mit Baukosten im dreistelligen Millionenbereich und eine planlose Immobilienverwaltung nur Geld. Solange sie die Einsparpotentiale in diesen Bereichen nicht heben, solange haben sie nicht das Recht, auch nur eine Stelle unter dem Vorwand rückgehender Einnahmen zu streichen, meine Damen und Herren!