Eva Jähnigen: Gleichbehandlung aller Kinder und Eltern und deutliche Kostenentlastung bei Schülerbeförderung nötig

Redebausteine der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf "Gesetz zur Regelung der Kostenfreiheit der Schülerbeförderung für Eltern und Schüler" (Drs. 5/14109)
95. Sitzung des Sächsischen Landtages, 10. April 2014, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Wir GRÜNE sehen, dass bei der Schülerbeförderung die Gleichbehandlung aller Kinder und Eltern und eine sehr deutliche Kostenentlastung durch den Freistaat Sachsen dringend Not tut – gerade mit Blick darauf, dass Familien mit Kindern durchschnittlich niedrigere Einkommen haben. Es ist kein Zustand, dass Eltern im Vogtland aktuell keinen Anteil für die Schülerbeförderung innerhalb des Landkreises bezahlen müssen, während sie in Dresden mit mehr als 200 Euro oder im Landkreis Mittelsachsen mit 145 Euro jährlich zur Kasse gebeten werden. Angesichts der verschieden langen, teilweise sehr langen Wege zu den einzelnen Schulstandorten können wir das Ziel einer kostenfreien Beförderung von Schülern als Langfristziel teilen.
Der Freistaat Sachsen ist hier in der Pflicht – schließlich hat er ja Schul­schließungswellen gerade im dünner besiedelten Raum zu verantworten. Dass die Landkreise und kreisfreien Städte die Folgen der Schulschließungen weitgehend allein tragen sollen und dass wir in Sachsen derzeit fünf kommunale Nahverkehrstarife haben, ist Grund für die derzeitige Ungerechtigkeit. Die Mehrheit von CDU und FDP sollte sie nicht länger verdrängen.
Der offenbar eilig erarbeitete Antrag der SPD bietet allerdings wenig Lösungsansätze. Das beginnt mit den Rechtsgrundlagen: der zitierte Artikel 120 SäVerf ist eine Übergangsregelung, die mit Schule nichts zu tun hat. Aber auch die Schul- und Bildungsartikel – Artikel 29 und Artikel 102 SäVerf – ziehen schon dem Wortlaut nach keinen Rechtsanspruch auf eine Schülerbeförderung an das Land nach sich. Stünde er in der Verfassung, würde das übrigens auch heißen, dass zwingend Beförderungskosten mit dem Auto ersetzt werden müssten – wollen Sie das denn in der SPD-Fraktion?
Es wird politisch grundsätzlich geklärt werden müssen, wie wir die Frage der Kosten auf Landesebene lösen und zudem einen guten Öffentlichen Verkehr zur Mobilität aller Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern schaffen. Wir kommen da um einen Gesetzentwurf nicht herum – bei dem es aber auch nicht ausreicht, die Kostenfreiheit zu erklären. Denn derzeit ist ja auch die Feststellung der Tarifbestimmungen eine Angelegenheit der Kommunen. Wir müssen klären, welche Kosten entstehen und wem sie erstattet werden. Aus unserer Sicht muss das immer ein eigener Erstattungsanspruch der Schülerinnen und Schüler sein.
Die SPD will in ihrem Antrag weiterhin festgestellt wissen, dass der Schülerverkehr das Rückgrat des ÖPNV im ländlichen Raum ist. Das ist aber eben gerade das Problem: ein reiner Schüler-Busverkehr rentiert sich wegen der Direktförderung nach Schülerzahlen zwar für kreiseigene oder private Busunternehmen. Für  die Bürgerin, die zur Arbeit in die Stadt, oder den Rentner, der aufs Bürgeramt will, ist das aber schlichtweg unattraktiv.
Wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, erwarten Sie sich offenbar von einer Direktförderung an die schülerbefördernden Unternehmen eine Verbesserung des Öffentlichen Verkehrs. So gut gemeint das Ziel ist – erfahrungsgemäß geht das nicht auf. So würden sich vor allem die Busangebote des ÖPNV noch weiter auf den Schülerverkehr orientieren und eben nicht auf Angebote für verschiedene Zielgruppen.
Der Öffentliche Verkehr ist nur dann gut, wenn er Mobilität für Alte, Junge und Berufstätige zu allen öffentlichen Einrichtungen und den Ober- und Mittelzentren absichert – und zwar ganztägig und mit zumutbaren Reise- und Umsteigezeiten. Und er muss solidarisch vom Land, den Städten und den Landkreisen finanziert werden.
Hier muss ich mit Blick auf den Haushalt 2015/16 erneut den Finger in die bekannte Wunde legen: auch ab 2015 sollen 54 Millionen Euro für den Ausbildungsverkehr vollständig aus den Regionalisierungsmitteln des Bundes finanziert werden. Mit der dadurch reduzierten Weiterleitung von nur noch 73 % der eigentlich für die Bestellung von Schienenverkehr bestimmten Regionalisierungsmittel des Bundes an die sächsischen Zweckverbände liegt Sachsen an bundesweit letzter Stelle – und verdirbt sich dabei die Konditionen für die derzeit laufenden Verhandlungen um die Fortführung dieser Finanzierung. Und deshalb wissen wir noch gar nicht, ob wir die von dieser Regierung optimistisch schon geplanten Regionalisierungsmittel vom Bund in der bisherigen Höhe weiterbekommen.
Ungeachtet dieser Risiken gilt: der Öffentliche Verkehr braucht eine Qualitätsoffensive und zuverlässige Finanzierung in ganz Sachsen. Damit können wir neue Fahrgastpotenziale und auch Einnahmen erschließen.
Wir GRÜNEN haben Ihnen mit unserem Masterplan SACHSENTAKT 21 unsere detaillierten Vorstellungen für einen integralen Taktfahrplan vorgelegt, in dem sich Bahn- und Busverkehr sinnvoll ergänzen.
Dafür muss die Verkehrspolitik in Freistaat rigoros geändert werden. Wir brauchen eine landesweite Bahnplanung und die Zuständigkeit der Zweckverbände für Bahn und Bus zusammen. Auf die Agenda gehört ein sachsenweit gültiger Tarif für alle Verkehrsmittel.
Wir wollen auch, dass in Gebieten, in denen bereits heute keine klassischen Linienverbindungen mehr existieren, auch die Initiierung von Alternativen Bedienformen – seien es Taktbusse, Anrufbusse, Bürgerbusse oder Omnibusse – finanziell als Mittel der Schülerbeförderung unterstützt werden. Solche Angebote werden in anderen Bundesländern schon seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert.
Um Mobilität als Grundbedürfnis für alle in Sachsen zu sichern, wäre die vom Freistaat mitfinanzierte Einführung eines sachsenweiten Mobilitätstickets für all jene, die Leistungen nach ALG II, Grundsicherung o. ä. beanspruchen, bitter nötig. Dieser von uns mitinitiierte Ansatz wurde mehrfach in den vergangenen Jahren von CDU und FDP in diesem Hause abgelehnt.
Zurück von den Voraussetzungen eines guten Öffentlichen Verkehrs zur Schülerbeförderung selbst:
Wenn Sie es mit der Gleichbehandlung für die Eltern im ganzen Land ernst meinen, braucht es, wie schon gesagt, einer Erstattungsregelung für die Schülerinnen und Schüler bzw. ihrer Eltern. Denn über eine Tarifregelung können sie momentan – ohne Gesetzesänderung – nichts regeln. Sie müssen sich überlegen, was Sie dann erstatten. Aus unserer Sicht sollten neben den realen Kosten des Bahn- oder Busverkehrs in ländlichen Regionen ohne funktionierenden Linienverkehr auch der Einsatz von Taktbussen, Anrufbussen, Bürgerbussen oder bürgerschaftlich organisierten Fahrgemeinschaften finanziert werden.
Die Vorschläge in den Punkten I und II enthalten beides nicht. Wir werden uns daher heute dazu enthalten, an der künftigen Diskussion aber beteiligen.
Der Vorschlag des landesweiten Bildungstickets unter Punkt III geht allerdings in die richtige Richtung.
Mit einem solchen Ticket ähnlich dem Semesterticket könnten Kundenpotenziale erschlossen und Heranwachsende mit öffentlichen Verkehrsmitteln vertraut und selbstständig mobil gemacht werden. In unserem Nachbarland Österreich wird diese Idee ja von GRÜNEN und Sozialdemokraten gemeinsam realisiert. Diesem Punkt wird meine Fraktion gern zustimmen.