Eva Jähnigen: Koalition hat Novellierungsbedarf bei sächsischer Haushaltsordnung nie analysiert
Rede der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion "Gesetz zur Änderung der Haushaltsordnung des Freistaates Sachsen" (Drs 5/13803)
94. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. April 2014, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bestandteil des Kompromisses zur Ausgestaltung der Schuldenbremse war, dass die Verfassungsänderung nicht unmittelbar, sondern erst am 1. 1. 2014 in Kraft treten sollte – um Regierung und Verwaltung die entsprechenden Anpassungsmaßnahmen zu ermöglichen. Im Februar 2014 reichten die Koalitionsfraktionen nun dieses schmale Änderungsgesetz der sächsischen Haushaltsordnung ein – und wie wir es von Regierungsvorlagen gewöhnt sind, ist diese nun sehr dringend. Schließlich steht die Aufstellung des Haushalts 2015/2016 vor der Tür und da sollten die Möglichkeiten und Grenzen der Kreditaufnahme gesetzlich konkretisiert sein.
Falls noch jemand erwartet hat, dass in diesen Gesetzentwurf Gestaltungswünsche der Oppositionsfraktionen aus der Verfassungsdebatte einfließen, wäre dieser enttäuscht worden. Das muss die Linke mit Blick auf den Artikel 94 Abs. 2 genauso feststellen wie wir GRÜNE mit Blick auf die von uns immer wieder eingemahnten Themen Transparenz über den Staatshaushalt und seine Nebenhaushalte sowie Berücksichtigung der Folgekosten.
Das von der Koalition vorgelegte Änderungsgesetz zielt allein darauf, die Möglichkeiten und Grenzen der Kreditaufnahme zu fixieren. Es verharrt ansonsten bei unscharfen Rechtsbegriffen wie der „angemessenen“ Haushaltsrücklage. Nie analysiert wurde, welcher Novellierungsbedarf bei der sächsischen Haushaltsordnung überhaupt besteht – obwohl diese aus dem Jahr 2001 stammt; einer Zeit, als Sachsens Kommunen noch durchweg eine kamerale Haushaltswirtschaft hatten wie der Freistaat noch heute.
Selbstredend wird erst die Praxis zeigen, wie die Staatsregierung die Regelungen zum Konjunkturkredit konkret anwendet und ob das Parlament in angemessener Weise informiert und einbezogen wird. Gerade die Stärkung der Gestaltungskraft des Parlamentes gegenüber der Regierung ist uns angesichts der Art und Weise, wie bisher in Sachsen Doppelhaushalte gemacht werden, sehr wichtig – hier stehen wir in einer Linie mit Kritik und Forderungen des sächsischen Rechnungshofes.
Wenn es in Paragraf 18 Abs. 3 nun also heißen wird, dass die Bereinigung der Steuereinnahmen „auf Basis anerkannter und nachvollziehbarer Grundlagen durchzuführen“ ist, dann sind wir schon sehr gespannt, was uns die nächste Regierung bei der nächsten Haushaltsberatung vorlegen wird. Und wir werden darauf drängen, dass die Konjunkturkreditregelungen evaluiert werden.
Über direkte Regelungen zur Umsetzung der Schuldenbremse hinaus wären aus Sicht von BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN wesentliche, weitere Reformen im sächsischen Haushaltsrecht notwendig gewesen. In den Verfassungsverhandlungen wurde immer auf die Beratungen der Haushaltsordnung verwiesen, jetzt aber waren sie für die Koalition kein Thema mehr. Hier haben sie, Kollegen von der CDU und der FDP wieder einmal bewiesen, dass echte Staatsmodernisierung für sie kein Thema ist.
Wir halten es weiterhin für geboten, die Folgekosten in der Haushaltsplanung besser zu berücksichtigen und die Transparenz der Haushalte gegenüber Parlament und Bürgerschaft zu verbessern. Sie scheinen solche Reformen nach wie vor mit einer beeindruckenden Hasenfüßigkeit zu scheuen.
Der Ausweis der Folgekosten und der wirtschaftlichen Risiken einer Investitionsausgabe erscheint uns eine absolut logische und konsequente Flankierung der Schuldenbremse. Beim Bau des Citytunnels in Leipzig sind die wirtschaftlichen Risiken ja leider voll zum Tragen gekommen. Doch auch wenn solche exorbitanten Baukostensteigerungen ausbleiben, entstehen beispielsweise bei den vielen Straßenbauprojekten in Sachsen Folgekosten für Unterhaltung und Instandsetzungen. Sachsen hat schon eins der dichtesten überörtlichen Straßennetze bundesweit – 20 % über dem Schnitt – und bei weiteren Neubauten und sinkender Bevölkerung steigen schlichtweg die Pro-Kopf-Kosten immer weiter an!
Solche Folgekosten sind Zahlungsverpflichtungen, die zukünftige Generationen bezahlen müssen. Da unterscheiden sie sich nicht von den Schuldendiensten, gegen die sich die Koalition mit geradezu theatralischer Pose wendet. Eine besondere Belastung stellen solche Folgekosten dar, die von Straßen verursacht werden, die wegen der demografischen Entwicklung in der Fläche des Landes schon bald nicht mehr gebraucht werden.
Wir Grüne meinen: Es ist fair und nachhaltig, wenn die zukünftigen Kosten einer Investition von heute transparent ausgewiesen werden. So wie wir die zukünftigen Generationen von unnötigen Schulden schützen wollen, so wollen wir sie vor unnötigen Folgekosten bewahren. Wir hätten uns gewünscht, dass die Koalition die Sächsische Haushaltsordnung in dieser Hinsicht verbessert. Der Paragraf 17 SäHO, in dem u. a. die Erläuterungspflicht von Haushaltstiteln geregelt ist, hätte sich dazu angeboten. Aber allgemeinverständliche Erläuterungen scheuen Sie ja wie der Teufel das Weihwasser. Warum eigentlich, wenn sie sich selbst so sehr für die Haushaltslage und die Schuldenbremse loben?
Wir wollen, dass die Bürger in den Wahlkreisen wissen, wie teuer ihnen das „Bändchen durchschneiden“ ihrer CDU-Direktkandidaten langfristig zu stehen kommt. Die Unterhaltungskosten der Straße belasten die Haushalte dauerhaft und fehlen an anderer Stelle. Die Kommunen sind nach der Doppik-Einführung hier inzwischen viel weiter und setzen sich mit Folgekosten kontinuierlich auseinander. Aber auch hier setzen sie für die eigene Regierung einen anderen, unakzeptablen Maßstab an!
In Bezug auf die Verbesserung der Haushaltstransparenz hätten wir eine weitere Qualifizierung der Vermögensrechnung begrüßt. Der Paragraf 86 SäHO fordert lediglich, dass der „Bestand des Vermögens und der Schulden zu Beginn des Haushaltsjahres“ dem „Bestand zum Ende des Haushaltsjahres“ gegenüberzustellen ist. Wir meinen, dass eine Bewertung bestehender Risiken und eine Entwicklung der Vermögensrechnung in Richtung einer vollumfänglichen Bilanzierung hätten aufgenommen werden müssen.
Weiterhin halten wir die Transparenz in Bezug auf die Beteiligungen des Freistaats für nicht hinreichend. Völlig inakzeptabel finden wir, dass der letzte dem Landtag zugeleitete Beteiligungsbericht aus dem Jahre 2009 stammt. Die auf den Internetseiten des Finanzministeriums einsehbaren Beteiligungsinformationen sind auch völlig unzureichend. Es wäre deshalb durchaus sinnvoll gewesen, die inhaltlichen Anforderungen an einen Beteiligungsbericht in die Sächsische Haushaltsordnung aufzunehmen. Angesichts dieser zu bescheidenen Regelung ohne Korrekturen an der eingeübten sächsischen Haushaltswirtschaft wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung enthalten.