Eva Jähnigen: Orientierungsrahmen für Familien- und Sexualerziehung von 2006 ist immer noch nicht überarbeitet
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag:
"Sexualbildung in den Schulen im Freistaat Sachsen modernisieren"
14. Sitzung des Sächsischen Landtags, 10. Juni 2015, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
es ist richtig, dass sich der Landtag wieder mit diesem Thema befassen muss. Die Ausführungen der Sachverständigen in der Anhörung zu drei ähnlichen Anträgen von uns GRÜNEN, der LINKEN und der SPD in der letzten Wahlperiode verdeutlichte, wie wichtig guter fächerübergreifenden Sexualkundeunterricht in der Schule ist. Dabei geht es nicht nur um sexuelle Vielfalt und verschiedene Familienmodelle. Vielmehr geht es auch darum, im Zeitalter des unbegrenzten Zugangs zu pornografischen Videos und kommerzialisierten Geschlechterbildern die Jugendlichen dabei zu unterstützen, ihre eigene Sexualität zu finden, Grenzen wahrzunehmen und zu setzen – als Mutter von zwei Töchtern erlebe ich das selbst.
Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellte fest, dass bei Lehrerinnen und Lehrern häufig Unsicherheit und Zurückhaltung im Umgang mit dem Themenbereich Sexualerziehung bestehen. Gründe dafür sei ungenügende Vorbereitung im Studium und die Abhängigkeit von persönlichen Voraussetzungen und dem individuellen Engagement der Lehrkräfte.
Dabei ist Schule ein Ort, an dem gesellschaftlich vorherrschende Einstellungen und Verhaltensweisen sowohl von Lehrerinnen und Lehrern vermittelt als auch auf Seiten der Schülerschaft bestätigt werden, z.B. durch Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung oder Einkommensschwachen. Dass geschieht unter den Schülerinnen und Schülern zum einen subtil durch das Aushandeln von Kleider-, Sprech- und Verhaltenskonventionen. Zum anderen wird dies aber auch mit gewaltförmigen Mitteln wie Beleidigen, Ausschließen und Mobbing durchgesetzt. Anpassung wird erzwungen und soziale Rangordnungen hergestellt. Derzeit ist z.B. das Wort "schwul" ein beleidigendes Wort.
Wir wollen ein Weltoffenes Sachsen. Schule kann und soll ein Ort sein, an dem neue, andere Erfahrungen gemacht werden und neue Perspektiven eröffnet werden können. Hier geht es um die Vermittlung der Schlüsselkompetenzen für Respekt und Offenheit und den Umgang mit Vielfalt auch in der sexuellen Identität.
Eigentlich sollten wir uns da mit der Regierung einig sein. Die Stellungnahme von Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth mutet unambitioniert, unengagiert und desinteressiert an – und lässt das offen. Warum haben Sie – Frau Ministerin sich denn nicht mit Ihrer Ministerkollegin für Gleichstellung und Integration ausgetauscht? Sie bereitet ja gerade einen Aktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen vor.
Es ist verwunderlich, dass der Orientierungsrahmen für Familien- und Sexualerziehung an sächsischen Schulen vom 22. Dezember 2006 noch immer nicht überarbeitet ist. Antworteten Sie, Frau Kurth, bereits heute vor ziemlich genau einem Jahr auf eine Kleine Anfrage von mir, dass die Überarbeitung des Orientierungsrahmens noch nicht abgeschlossen sei. Fast wortwörtlich antworteten Sie mir vor wenigen Wochen. Das reicht uns angesichts der Situation in Sachsen nicht. Wir stimmen deshalb dem Antrag der LINKEN zu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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